Quartier Luisenpark in Berlin: Archaische Gegenwelt

Quartier Luisenpark in Berlin: Archaische Gegenwelt

Städtebau & Quartiersentwicklung

Quartier Luisenpark in Berlin: Archaische Gegenwelt

Text: SINAI | Foto (Header): © Erik-Jan Ouwerkerk

Das Neubauquartier „Luisenpark“ in Berlin-Mitte verbindet dank der Kooperation unterschiedlicher Bauherren innerstädtische Dichte mit einem großzügigen Freiraum. Ein langgestreckter, grüner Innenhof bildet den identitätsstiftenden Gemeinschaftsraum des Ensembles.

Auszug aus:

     Inhalte des Beitrags

Wogende Gräser, im Herbstlicht strahlende Goldeschen und mächtige, aus massivem Eichenholz gehauene Skulpturen fallen als erstes ins Auge, wenn man um diese Jahreszeit den Hof des Quartiers „Luisenpark“ betritt. Er zieht sich über eine Fläche von zwei traditionellen Berliner Blöcken, gesäumt von fünf- bis siebengeschossigen Neubauten in klassischer Blockrandbebauung. Mittig in Ost-West-Verlauf, also gewissermaßen an der Querstraße, befindet sich eine breite öffentliche Durchwegung – diese ist allerdings dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten.

Die Blockstruktur entstand als Vorgabe des Bebauungsplans für das Quartier, das sich auf dem Gebiet der ehemaligen Grenzanlagen der Berliner Mauer zwischen den Stadtteilen Mitte und Kreuzberg befindet. Die Quartiersstraßen wurden auf dem alten Stadtgrundriss neu hergestellt. Eine Reminiszenz an die Teilung bleibt der ehemalige „Kolonnenweg“. Als Teil des „Berliner Mauerwegs“ schließt er das etwa 2 ha große Baufeld östlich ab. Er führt Richtung Norden weiter zum Luisenstädtischen Kirchpark, dem Namensgeber des Quartiers.

1 | Das Quartier Luisenpark umfasst zwei klassische Berliner Blöcke. Der Innenhof kann öffentlich durchquert werden.
ABBILDUNG: SINAI

2 | Der Kleinkindbereich mit Spielsand liegt innerhalb eines höhenvariablen Bands aus weißem Beton, das sich über die gesamte Länge des Hofs zieht, private von öffentlichen Bereichen abpuffert und gleichzeitig die Tiefgaragenlüftungen integriert.
FOTO: ERIK-JAN OUWERKERK

Entwurf und Konzept

Grundlage für den Entwurf ist eine Ende 2015 durchgeführte konkurrierende Mehrfachbeauftragung des Projektentwicklers formart, in dem die Architekten Axthelm Rolvien (Potsdam), Grüntuch Ernst (Berlin) sowie BRH Architekten (Berlin) für drei von vier Bauabschnitten und SINAI Landschaftsarchitekten für den gesamten Freiraum beauftragt wurden.

Dank eines gemeinsamen Konzepts mit einem weiteren Bauherrn konnten der Innenhof und die Vorgartenzonen für die Gebäude mit ca. 600 Miet- und Eigentumswohnungen sowie einer Kita als Ensemble gestaltet werden. Knapp 140 Wohnungen sind mietgebunden.

Straßen- wie hofseitig sind allen Gebäuden private Gartenterrassen vorgelagert. Üppig bepflanzte grüne Säume schaffen eine einheitliche Fassung für das Ensemble. Als „grünes Passepartout“ binden sie die Quartiersstraßen und den Kolonnenweg, aber auch den Innenhof in ein Gesamtbild ein. Magnolie, Felsenbirne, Bauern-Jasmin, Flieder, Hortensien, Deutzie, Gräser und Stauden prägen das übergreifende Pflanzkonzept.

Der Anger als Zentrum

Zentrum und Highlight des halböffentlichen Innenhofs ist der sogenannte Anger. In anthrazitfarbenen Stahlrahmen gefasste Gräser-Beete unter kleinkronigen Bäumen schaffen mehrere geschützte, mit hellem Fallschutzkies ausgelegte „Inseln“, in deren Zentrum sich jeweils eine der rauen Holz-Spiel-Skulpturen befindet. Sie sollen gemeinsam mit den wogenden Gräsern eine organisch geprägte, archaisch anmutende „Gegenwelt“ zu den Neubauten vermitteln. Mit diesem Briefing seitens der Landschaftsarchitekten wurden die Skulpturen von der Stuttgarter Firma KuKuk entwickelt – ein Wurf genügte, um auch die Bauherren zu überzeugen. KuKuk ist spezialisiert auf künstlerisch geprägte, ortsbezogene Spielplatzgestaltungen. Durch die Verwendung von Eiche kommen die Elemente ohne Behandlung aus und setzen bereits eine natürliche Patina an. Sie schaffen mit ihrer künstlerischen Kraft und großen Raumwirksamkeit für den Ort eine einzigartige Atmosphäre.

Der Hof liegt überwiegend über Tiefgaragen, deren Lüftungsschächte gestalterisch in die bandartige Organisation der Anlage eingebunden wurden. Ihre Abdeckung aus weißem Betonstein wird über die gesamte Hoflänge gezogen, verläuft mal ebenerdig als Eingangsschwellen, mal als Beetbegrenzung, wird im Kleinkinderspielbereich zu Kletterelementen oder Sitzstufe.

Der Autor


Über SINAI
SINAI plant und entwickelt Freiräume. Die Gründungspartner AW Faust, Klaus Schroll und Bernhard Schwarz haben sehr unterschiedliche Schwerpunkte in der Landschaftsarchitektur entwickelt. Seit der Gründung des Büros 2006 verfolgt SINAI das Ziel, diese sich ergänzenden Ausrichtungen in den Qualitätsstandards des Büros zusammenzuführen: in einer Kultur des reflektierten Entwerfens, in der präzisen Handwerklichkeit der Ausführung sowie in der profunden und vorausschauenden Steuerung von Projektprozessen. Seit 2022 besteht die Leitung des Büros aus einer Partnergemeinschaft mit derzeit zehn Partnerinnen und Partnern.
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