Vereinfachung von Bauleitplanverfahren: Aktuelle Entwicklungen

Vereinfachung von Bauleitplanverfahren: Aktuelle Entwicklungen

Recht & Steuern

Vereinfachung von Bauleitplanverfahren: Aktuelle Entwicklungen

Text: Dr. Bernd Söhnlein | Foto (Header): © CHOR MUANG – stock.adobe.com

Am 7. Juli 2023 trat das Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bauleitplanverfahren im Regelfall als digitales Verfahren durchzuführen. Ergänzend dazu hat man einige Verfahrensregelungen vereinfacht bzw. verkürzt. Im Gegenzug ist die Rechtsprechung in Bezug auf eine Vorschrift zur Verfahrensvereinfachung auf die Bremse getreten.

Auszug aus:

Kernelement der neuen Gesetzesfassung ist die Änderung des § 3 Abs. 2 BauGB. Nach der Neuregelung werden die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und der nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen zukünftig im Internet veröffentlicht. Bürgern, die keinen Zugang zum Internet besitzen oder das Internet nicht nutzen können oder wollen, sind weiterhin eine oder mehrere andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten zu eröffnen. Dies kann, wie bisher, in Form einer öffentlichen Auslegung in Papierform geschehen. Die Gemeinde kann aber auch elektronische Lesegeräte oder vergleichbare Zugangswege zur Verfügung stellen.

Die Träger öffentlicher Belange sollen von der Veröffentlichung im Internet auf elektronischem Weg benachrichtigt werden. Die Veröffentlichung im Internet ist wie bisher mindestens eine Woche vor Beginn der Veröffentlichungsfrist ortsüblich bekanntzumachen. In der Bekanntmachung ist die Internetseite oder die Internetadresse anzugeben, unter der die Unterlagen eingesehen werden können. Falls die ortsübliche Bekanntmachung bislang nur im Amtsblatt, in der Tageszeitung oder im örtlichen Gemeindeanzeiger abgedruckt wurde, ist nun zusätzlich die Bekanntmachung auch in das Internet einzustellen und gemeinsam mit den zu veröffentlichenden Unterlagen über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen.

Neben den bisherigen Hinweisen müssen die Kommunen in der Bekanntmachung auch darauf aufmerksam machen, dass die Stellungnahmen elektronisch übermittelt werden sollen. Die elektronische Übermittlung ist aber nicht dem Formzwang des § 126a BGB unterworfen, d. h., sie muss nicht mit einer elektronischen Signatur versehen werden. Außerdem muss die Gemeinde in der Bekanntmachung darauf hinweisen, welche anderen Zugangsmöglichkeiten außer der Veröffentlichung im Internet bestehen.

Lediglich eine redaktionelle Änderung stellt die Einfügung des Satzes 5 dar, wonach bei der Vorlage der Bauleitpläne nach § 6 oder § 10 Abs. 2 die nicht berücksichtigten Stellungnahmen mit einer Stellungnahme der Gemeinde beizufügen sind. Diese Regelung war bisher in § 4a Abs. 4 Satz 1 zu finden.

Spiegelbildlich zu § 3 Abs. 2 wird auch der neu gefasste § 4 Abs. 2 auf die digitale Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange ausgerichtet: Sie sind ebenfalls auf elektronischem Wege über die Planungsunterlagen zu informieren und sollen ihre Stellungnahmen elektronisch übermitteln. Diese Soll-Regelung ist als Verpflichtung zu verstehen. Nur in atypischen Ausnahmefällen darf die Stellungnahme der Behörden und Träger öffentlicher Belange in Zukunft nicht elektronisch übermittelt werden. Da die Veröffentlichung im Internet und die elektronische Kommunikation mit den Fachbehörden und den Trägern öffentlicher Belange nunmehr als Regelverfahren in § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 2 geregelt sind, entfällt die Vorschrift des § 4a Abs. 4.

Gerade am Stadt- oder Dorfrand können sich wertvolle Strukturen wie Streuobswiesen befinden – derartige Kriterien berücksichtigt § 13b BauGB nicht
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Verfahren bei Entwurfsänderung

Über die Digitalisierung hinaus wird in § 4a Abs. 3 auch das Verfahren bei einer Änderung des Entwurfs beschleunigt. Es soll – statt kann – bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können. Ebenso soll (statt kann) die Dauer der Auslegung und die Frist zur Stellungnahme angemessen verkürzt werden. Schließlich sollen (statt können) bei Änderungen und Ergänzungen, die die Grundzüge der Planung nicht berühren, nur die betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden beteiligt werden. Eine Ausnahme von dieser Regel kann die Gemeinde machen, wenn nach ihrer Einschätzung die beschränkte Beteiligung zu einer längeren Verfahrensdauer führt.

Fristverkürzung

Zur Beschleunigung beitragen soll schließlich auch die Änderung des § 6 Abs. 4. Die Frist für die Genehmigung des Flächennutzungsplanes und von nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplänen wird von 3 Monaten auf 1 Monat verkürzt.

Veröffentlichung der Unterlagen

Auch an eine zusätzliche Heilungsvorschrift hat der Gesetzgeber gedacht. Werden die Veröffentlichung der Unterlagen und deren Veröffentlichungszeitraum im Internet nicht gleichzeitig auch über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht, ist dies kein erheblicher Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Dies erscheint auch notwendig, da die Verknüpfung der kommunalen Plattformen zur Bauleitplanung mit den zentralen Internetportalen der Länder wahrscheinlich in absehbarer Zeit noch nicht flächendeckend sichergestellt ist. Im Übrigen wird an einigen Stellen des Gesetzes das Wort „Auslegung “durch die Formulierung „Veröffentlichung“ ersetzt.

Überleitungsregelung

Für die Anwendung der neuen Vorschrift gilt die allgemeine Überleitungsregelung des § 233 Abs. 1 BauGB. Verfahren, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, sind nach bisherigem Recht zu Ende zu führen. Allerdings ist die Kommune befugt, die Neuregelung auch bei einem laufenden Verfahren für die noch nicht begonnenen Verfahrensschritte anzuwenden. Wenn beispielsweise die frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB am 30.06.2023 abgeschlossen wurde, kann die Kommune die Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 Abs. 2 BauGB auf das digitale Verfahren nach § 3 Abs. 2 in der seit 07.07.2023 geltenden Fassung umstellen.

Vorschrift zur Verfahrensvereinfachung

Während die Bundesregierung die Verfahren der Bauleitplanung beschleunigen und vereinfachen will, ist die Rechtsprechung in Bezug auf eine, allerdings zeitlich begrenzte, Vorschrift zur Verfahrensvereinfachung auf die Bremse getreten. Nach § 13b BauGB konnten Bebauungspläne für Wohngebiete mit einer Grundfläche von bis zu 10.000 m 2, die sich an den bauplanungsrechtlichen Innenbereich anschließen, im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung und Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung aufgestellt werden. Diese Vorschrift läuft ohnehin zum 31.12.2022 aus, d. h., bis zu diesem Zeitpunkt musste der Aufstellungsbeschluss gefasst sein, bis 31.12.2024 der Satzungsbeschluss.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3.22) § 13b BauGB für nicht vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-Richtlinie (RL 2001/ 42/ EG) erklärt. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL sieht eine Umweltprüfung für alle Pläne vor, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass sich die Umweltprüfungspflicht entweder nach dem Einzelfall, nach der Art des Plans oder einer Kombination beider Kriterien richtet (Art. 3 Abs. 3, 4). Oberster Maßstab ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Kriterien einen qualitativen Kern haben. Es muss in jedem Fall gewährleistet sein, dass erhebliche Umweltauswirkungen von vorneherein ausgeschlossen sind. Eine rein typisierende oder pauschalierende Betrachtungsweise genügt nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass § 13b BauGB so formuliert ist, dass nicht in jedem Fall von vorneherein ausgeschlossen werden kann, dass von der Planung keine erheblichen Umweltauswirkungen ausgehen. Gerade am Stadt- oder Dorfrand befinden sich oftmals ökologisch wertvolle Strukturen wie Streuobstwiesen, Hecken oder wertvolle Baumbestände. Derartige Kriterien berücksichtigt § 13b BauGB nicht.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB, nämlich die Begrenzung auf eine bestimmte Grundfläche, die ausschließliche Anwendung für Wohngebiete und das Angrenzen an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Deshalb darf § 13b BauGB wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden.

Bedeutung für die Praxis

Alle laufenden Planungen, die auf den Verfahrensvorschriften der § 13b i. V. m. §§ 13a, 13 Abs. 2 bis 4 BauGB beruhen, sollten sofort gestoppt und die Verfahrensschritte des regulären Verfahrens nachgeholt werden. Das betrifft insbesondere die Umweltprüfung mit Umweltbericht gem. §§ 2 Abs. 4, 2a Abs. 1 Nr. 2 BauGB und die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3.

Bei Bebauungsplänen, die innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch mit einer Normenkontrolle angefochten werden können, sollte geprüft werden, ob sie noch nachträglich durch eine Umweltprüfung und Regelungen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich ergänzt werden sollten. Doch selbst über bestandskräftigen Bebauungsplänen, die auf Grundlage des § 13b BauGB beschlossen wurden, schwebt das Damoklesschwert einer Inzidenzkontrolle.

Wenn nämlich der Bebauungsplan noch nicht umgesetzt wurde und eine Einzelbaugenehmigung angefochten wird, wird das Verwaltungsgericht inzident die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens prüfen. Insbesondere für Bauvorhaben, die auf Grundlage eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans verwirklicht werden sollen, kann dies zu rechtlichen Unsicherheiten führen. Im Zweifelsfall sollte sich die Kommune diesbezüglich rechtlich beraten lassen.

Der Autor


Dr. Bernd Söhnlein
Dr. Bernd Söhnlein ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Schwerpunkt seiner Kanzlei ist das Umwelt- und Planungsrecht sowie das Kommunalrecht. Er ist Dozent an der Technischen Hochschule Nürnberg sowie beim TÜV Rheinland.
www.ra-kanzlei-soehnlein.de

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