Nachträgliche Begrünung bestehender Gebäude: Forschungsprojekt BestandsGebäudeGrün

Nachträgliche Begrünung bestehender Gebäude: Forschungsprojekt BestandsGebäudeGrün

Energie, Technik & Baustoffe

Nachträgliche Begrünung bestehender Gebäude: Forschungsprojekt BestandsGebäudeGrün

Text: Dr. Gunter Mann | Foto (Header): © BUNDESVERBAND GEBÄUDEGRÜN

Dach- und Fassadenbegrünungen stehen immer mehr im Fokus, vor allem, wenn es um Hitze- und Überflutungsvorsorge und Artenschutz geht. Doch wenn wir diese Wirkungen nutzen wollen, müssen wir noch mehr Dächer und Fassaden begrünen – und das nicht nur im Neubau, sondern viel stärker noch im Bestand. Hier setzt das Forschungsprojekt „BestandsGebäudeGrün“ an.

Auszug aus:

Um die nachträgliche Gebäudebegrünung voran­zubringen und zu vereinfachen, hat der Bun­desverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) das Zukunft Bau Forschungsprojekt „BestandsGebäudeGrün (BeGG)“ initiiert. Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.

Potenziale zur Dach- und Fassadenbegrünung

Der BuGG veröffentlicht im „BuGG-Marktreport Ge­bäudegrün 2023” im vierten Jahr in Folge die wich­tigsten Zahlen zur Dach- und Fassadenbegrünung in Deutschland. So sind 2022 insgesamt 8.701.503 m² Dachbegrünungen neu hinzugekommen; das er­gibt aufgeteilt auf Extensiv- und Intensivbegrünun­gen 7.603.486 m² Extensivbegrünung (87,4 %) und 1.098.017 m² Intensivbegrünung (12,6 %).

8.700.000 m² installierter Dachbegrünung klingt erst einmal gut und viel, aber bei angenommenen 77.600.000 m² neu geschaffener Flachdachfläche (Neubau und Sanierung) sind 8.700.000 m² be­grünte Dächer nur etwa 11,2 %. Das bedeutet, dass im Jahr 2022 etwa 89 % der neuen Flachdachflä­chen unbegrünt blieben. Auch wenn davon nicht unbedingt alle Flachdächer begrünbar sind, ergibt sich alleine schon aus dem Jahr 2022 ein enormes Potenzial.

Auch für die Fassadenbegrünung wurden Markt­zahlen für 2022 ermittelt: In Deutschland wurden im Jahr 2022 insgesamt etwa 146.600 m² Fas­sadenfläche mit wandgebundener und bodenge­bundener Fassadenbegrünung (mit Kletterhilfen) neu begrünt. Die wandgebundenen Fassadenbe­grünungen nehmen dabei eine Flächengröße von etwa 30.200 m² ein, was einem Marktanteil von 20,7 % entspricht. Mit bodengebundenen Fassa­denbegrünungen mit Kletterhilfen wurden insge­samt etwa 115.800 m² (79,3 %) begrünt.

Auch wenn sich die Menge an Fassadenbegrü­nungen von 2021 auf 2022 um 68,6 % gesteigert hat, ist der begrünte Anteil von Gebäudewänden verschwindend gering und auch hier gibt es ein großes, wenn auch nicht numerisch bezifferbares Potenzial für nachträgliche Begrünungen.

Forschungsprojekt „BestandsGebäudeGrün“

In dem Projekt „BestandsGebäudeGrün (BeGG)“ geht es darum, qualifizierte Vorgehensweisen und Anleitungen zur nachträglichen Umsetzung von Dach- und Fassadenbegrünungen im Bestands­bau (Gewerbe und privater Wohnungsbau) zu schaffen. Bauinteressierte, Planende und Aus­führende sollen anhand von Checklisten, Umset­zungsbeispielen und Planungshilfen objektbezo­gen prüfen – und später auch ausschreiben – kön­nen, ob und welche Art von Gebäudebegrünung und System (Dach- bzw. Fassadenbegrünung) umsetzbar ist, was dabei zu beachten und mit welchen Kosten zu rechnen ist.

Aus Erfahrungen von Baubeteiligten und durch Datenermittlung aus verschiedenen Recherchen und Umfragen sollen die wichtigsten beachtens­werten Punkte ermittelt, detailliert in Bezug auf nachträgliche Begrünung beschrieben und mög­lichst mit Kostenrichtwerten hinterlegt werden. Zusätzlich sollen Best-Practice-Beispiele die Machbarkeit belegen und Anregungen geben

Hemmnisse und Hürden

Das Projekt „BeGG“ ist im September 2022 ge­startet und hatte neben Recherchen, Objektbe­sichtigungen und verschiedenen Interviews auch eine größere Umfrage im Projektplan. Dabei soll­ten erste Antworten und Hinweise zu verschiede­nen Fragen gewonnen werden.

Aus diversen anderen Projekten und Umfragen und in den angeführten Gesprächen haben sich die folgenden Hemmnisse und Hürden besonders aufgetan:

  • Kosten zur Herstellung der Dach- und Fassadenbegrünungen
  • Statik: fehlende Lastreserven vor allem bei Dächern
  • Ängste und Vorurteile, vor allem zu den be­fürchteten Beschädigung der Bausubstanz und dem Vorkommen von „Ungeziefer“
  • Bauphysik: Ängste, dass es vor allem bei Wänden zu Feuchtigkeitsbildung und Kälte­brücken kommt
  • Aufwand der Schaffung einer Absturzsicherung und Zugänglichkeit zu Dach und Fassade zu Pflege- und Wartungszwecken
  • Kostenaufwand für Pflege und Wartung
  • Wissensdefizite zu den vorgenannten Punkten und zum Stand der Technik, welche Produkt- und Systemlösungen samt Fachregeln schon heute verfügbar sind

1 | Im Jahr 2022 hinzugekommene Dachbegrünungen im Verhältnis zu neu entstandener Flachdachfläche – es gibt noch ein großes Begrünungspotenzial im Bestand.
Bild: BUNDESVERBAND GEBÄUDEGRÜN

Einführende Umfrage bei Städten und Verbänden

Eine größer angelegte Umfrage im Dezember 2022 konnte weitere Erkenntnisse bringen. Es wurden dabei insgesamt 3.166 Personen unter vier Katego­rien per E‑Mail angeschrieben: 585 BuGG-Mitglie­der, weitere 231 Mitglieder verschiedener Verbände, 81 Personen aus Forschung und Lehre und 2.269 Städtevertreter. Insgesamt haben 415 Personen (13,1 %) mit dem Ausfüllen des Fragebogens begon­nen und 92 (2,9 %) haben diesen komplett ausgefüllt und die Abfrage abgeschlossen. Nachfolgend wer­den die Ergebnisse von zwei Fragen vorgestellt:

WELCHE MASSNAHMEN/UNTERSTÜTZUNGEN WÄREN NOTWENDIG, UM EINE BEGRÜNUNG IM BESTAND ZU ERLEICHTERN?

  • Direkte und indirekte Förderungen
    • Zuschüsse und Förderung durch Stadt/Land/Bund
    • Förderung für Kombination von PV
    • Steuerbonus
    • Gestaltungsvorgaben durch weitere Satzungen
    • gesplittete Abwassergebühr mit preislich stärkerem Vorteil
    • Aktualisierung und Vereinheitlichung von Gesetzen und Verordnungen
    • Vereinfachung der Gesetze/des Baurechts
    • Vereinfachung bei Baugenehmigungen
    • Leitfaden durch den Verwaltungs-/Antragsdschungel
  • Werbung und Arbeitshilfen Öffentlichkeitsarbeit, Werbung/Marketing
    • Aufklärungsarbeit und Beratung durch Fachleute (bestenfalls vor Ort)
    • Anleitungen/Beispiel-LVs/Planungshilfen/Checkliste/Merkblätter
    • Wettbewerbe
    • Informationsbroschüren für Interessierte
    • Praxisbeispiele/Best Practice (idealerweise vor Ort und praxisnah), bestenfalls mit Konstruktionszeichnungen und vor allem häufiger an öffentlichen Gebäuden)
    • Liste von Handwerkern mit Erfahrung in der Nähe, die bestenfalls auch Klein- und Kleinstaufträge annehmen
    • Pflege/Personal für Pflege

WAS IST BEI NACHTRÄGLICHER BEGRÜNUNG IM BESTAND ZU BEACHTEN?

  • Bau- und Vegetationstechnik
    • Statik: Tragfähigkeit/Traglast
    • Bauphysik
    • Entwässerungsmöglichkeiten
    • Zustand der Dachabdichtung/Wurzelfestigkeit der  Dachdichtung/Anschlusshöhen
    • Platz- und Flächenverfügbarkeit
    • Untergrundbeschaffenheit, Möglichkeiten
      im Bodenbereich für Pflanzung
    • Ausrichtung nach der Sonne/Beschattung
    • Eignung der Fassade, welche Rankhilfe
      passt zu welcher Pflanze?
    • Bewässerung, Zisterne zur Bewässerung
    • Vegetationsauswahl
    • Zugang Dach und Fassade
    • Brandschutz
  • Rahmenbedingungen
    • Klärung der Eigentumsverhältnisse
    • Denkmalschutz
    • gesetzliche Vorgaben (z. B. Sanierungssatzung)
    • Gebäudedämmung/Wärmeschutz
    • Pflege- und Unterhaltungskosten / Sicherstellung von Pflege und Unterhalt
    • Fachplaner
    • Kosten

Kommunale Förderinstrumente

Auf kommunaler Ebene kann die Umsetzung von Gebäudebegrünung durch verschiedene Instrumente gefördert werden. Diese unterscheiden sich in ihrem Wirkungsbereich, ihrer Verbindlichkeit und ihrem finanziellen Aufwand für die Stadt:

  • Förderprogramme (direkte Zuschüsse)
  • gesplittete Abwassergebühr
  • Festsetzung in Bebauungsplänen, Anrechnung bei der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung
  • Gestaltungssatzungen

2 | Nachträglich begrünte Fassaden an einer viel befahrenen Straße in Essen. Die Begrünung und ihre Wirkungen werden sicht- und erlebbar.
Bild: BUNDESVERBAND GEBÄUDEGRÜN

Ökopunkte/Wertepunkte

FÖRDERPROGRAMME (DIREKTE ZUSCHÜSSE)

Jedes Jahr kommen weitere Städte hinzu, die direkt (und indirekt) Dach- und Fassadenbegrünungen fordern und fördern. Da wir uns bereits auf einem recht hohen Niveau bewegen, sind die Sprünge nicht mehr so groß. In den Städten über 50.000 Einwohnern ist es fast schon „normal“, dass bei Neubauten begrünt werden muss und dass es Einsparungen bei der gesplitteten Abwassergebühr gibt. Inzwischen gibt fast die Hälfte der Städte auch finanzielle Zuschüsse, um freiwillige Begrünungen zu fördern. Im Bestand, der häufig in besonders hitzebelasteten Stadtteilen liegt, lassen sich Dach- und Fassadenbegrünungen meist nur auf freiwilliger Basis umsetzen_– deshalb sind hier gezielte Förderungen durch Zuschüsse besonders wichtig.

Als Ergebnis der BuGG-Städteumfrage 2023 lässt sich für alle Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern festhalten, dass bereits 91 Städte und somit 47 % finan­zielle Zuschüsse für Dachbegrünungen bereitstellen. Für Fassadenbegrünungen bieten 76 Städte und somit 39 % finan­zielle Zuschüsse an.

Ausblick

Das Förderprojekt soll bis Herbst 2024 mit der Erstellung der BuGG-Fachinformation „Leitfaden zur nach­träglichen Gebäudebegrünung“ abge­schlossen werden.

Bis dahin sollen Erfahrungen im Be­stand ausgeführter Dach- und Fassa­denbegrünungsprojekte gesammelt und analysiert, Abläufe beschrieben, Arbeits­hilfen erarbeitet und Kostenrichtwerte festgelegt werden.

Dabei können alle Interessierten ihre Er­fahrungen, Hinweise und offenen Fragen einbringen und sich bei der freigeschal­teten Abfrage, die auf der Internetseite des BuGG zu finden ist, beteiligen.

Projektsteckbrief

Zukunft Bau Forschungsförderung
Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag des Bundes­ministeriums für Wohnen, Stadtent­wicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.

Projekt
BestandsGebäudeGrün (BeGG)

Projektlaufzeit
09.09.2022 – 08.09.2024

Projektdurchführung
Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG)
Kontaktperson: Dr. Gunter Mann
Albrechtstraße 13
10117 Berlin
info@bugg.de
www.gebaeudegruen.info/gruen/aktuelle-bugg-projekte/begg

Der Autor


Dr. Gunter Mann
Präsident des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. (BuGG)
www.gebaeudegruen.info

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