Erbbaurecht für Genossenschaften: Ein gutes Gespann

Erbbaurecht für Genossenschaften: Ein gutes Gespann

Kosten & Finanzierung

Erbbaurecht für Genossenschaften: Ein gutes Gespann

Text: Dr. Matthias Nagel | Foto (Header): © MGF

Viele Städte und Gemeinden gehen aktuell dazu über, Grundstücke im Erbbaurecht zu vergeben, anstatt sie zu verkaufen. Das betrifft auch Flächen für den Geschosswohnungsbau. Wie gehen Genossenschaften damit um?

Auszug aus:

Beim Erbbaurecht werden das Eigentum am Grundstück und das Eigentum am Haus voneinander getrennt. Der Eigentümer des Hauses bezahlt für die Nutzung des Grundstücks einen Erbbauzins. Der Vorteil für die Gemeinden: Sie behalten ihr „Tafelsilber“ und verhindern Bodenspekulationen. Außerdem können sie über den Erbbaurechtsvertrag Einfluss auf die Nutzung des Gebäudes nehmen. So kann zum Beispiel die Höhe des Erbbauzinses an die Höhe der Mieten gekoppelt werden – und zwar über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags.

Damit sind längere Mietbindungen möglich als im geförderten Wohnungsbau. Darauf wies der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 hin (2019 – V ZR 176/17). In einer Mitteilung zu dem Urteil heißt es: „Dauerhafte Beschränkungen lassen sich nur dann erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs, sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgt wird.“ Auf diese Weise kann das Erbbaurecht ein Baustein zum bezahlbaren Wohnen sein.

Auch Genossenschaften sollten sich daher dort, wo Grundstücke vermehrt im Erbbaurecht vergeben werden, verstärkt mit dem Thema auseinandersetzen. Dabei gibt es zwei Lager: Die einen möchten lieber kaufen, die anderen freuen sich über die Möglichkeit, mit wenig Eigenkapital bauen zu können. Dabei sind Genossenschaften und Erbbaurecht ein gutes Gespann, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Erbbauzins und Finanzierung

Skeptiker des Erbbaurechts beklagen vor allem die Höhe der Erbbauzinsen, die sich üblicherweise nach dem Bodenrichtwert richten, sowie die Finanzierungskonditionen für Erbbaurechte. Der durchschnittliche Erbbauzins für Wohnimmobilien beträgt in Deutschland 3,7 % des Bodenrichtwerts pro Jahr. Das ergab eine Studie von Jones Lang LaSalle (JLL) im Auftrag des Deutschen Erbbaurechtsverbands aus dem Jahr 2020.

Die Banken bewerten Erbbaurechtsimmobilien üblicherweise nach dem Münchner Verfahren. Dabei wird zunächst der Wert der Immobilie im Volleigentum ermittelt. Dann folgen Abschläge für das Erbbaurecht, die je nach Vertrag unterschiedlich ausfallen können. Auf jeden Fall liegt der Beleihungswert aber unter dem für vergleichbare Objekte im Volleigentum. Das bedeutet: Der Eigenkapitalanteil steigt.

Das Bauprojekt Luisenhof in Hamburg Farmsen
ABBILDUNG: MGF

Besserer Start für kleinere Genossenschaften

Gerade kleinen Genossenschaften fällt die Finanzierung von Erbbaurechtsimmobilien leichter, weil der Kaufpreis für das Grundstück entfällt. Deshalb müssen sie zum Start des Projekts weniger Kapital aufbringen. Die Stiftung trias beispielsweise erwirbt als „gemeinnütziger Bodenträger“ regelmäßig Grundstücke und gibt diese im Erbbaurecht an gemeinschaftliche Wohn- und Gewerbeprojekte weiter. In Brandenburg konnte auf diese Weise zum Beispiel die Mietergenossenschaft Selbsbau eG einen Vierseithof zu einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt mit zehn genossenschaftlichen Wohnungen umbauen. In Hamburg erwarb 2021 die mgf Gartenstadt Farmsen eG Mieter- und Wohnungsbaugenossenschaft das Erbbaurecht an einem städtischen Grundstück, auf dem nun 275 geförderte Wohnungen entstehen sollen.

Auf den Vertrag kommt es an

Insofern können Erbbaurechte für Genossenschaften ein gutes Instrument zur Verwirklichung ihrer genossenschaftlichen Wohnziele sein. Letzten Endes kommt es auf die Ausgangslage der einzelnen Genossenschaft sowie auf die konkreten Vertragsinhalte an. Sie sollten so gestaltet sein, dass der genossenschaftliche Erbbaurechtsnehmer möglichst frei über sein Gebäudeeigentum verfügen kann. Die Hebel sind dabei:

1. ANGEMESSENE ERBBAUZINSEN
Viele Großstädte vergeben aktuell neue Erbbaurechte zu sehr günstigen Konditionen: In Hamburg liegt der Erbbauzins für Wohnimmobilien aktuell bei 1,5 %, in Berlin bei 2,25 % und in Frankfurt am Main bei 2 bis 2,5 %.

2. LAUFZEIT
Erbbaurechtsverträge haben meist Laufzeiten zwischen 60 und 99 Jahren. Die mittlere Laufzeit liegt laut der JLL-Studie in Deutschland bei Neuvergaben bei 85 Jahren. Gesetzliche Vorgaben hierzu gibt es aber nicht. Deshalb sind auch kürzere und längere Zeiträume möglich – bis hin zu ewigen Erbbaurechten, die allerdings sehr selten vorkommen. In den meisten Fällen haben sowohl der Erbbaurechtsnehmer als auch der Erbbaurechtsgeber ein Interesse daran, ablaufende Erbbaurechte zu verlängern. Als Entgegenkommen für die Erbbaurechtsnehmer sind Verlängerungsoptionen möglich, an die wiederum bestimmte Konditionen geknüpft werden können.

3. ENTSCHÄDIGUNG
Wenn das Grundstück nach Vertragsablauf doch an den Erbbaurechtsgeber zurückfällt, zahlt dieser meist eine Entschädigung für die darauf stehenden Gebäude. Die Höhe dieser Entschädigung ist ebenfalls verhandelbar. Knapp die Hälfte der Erbbaurechtsgeber zahlt laut JLL-Studie 66 bis 75 % des Immobilienwertes. 19 % entschädigen mit dem vollen Wert – so beispielsweise auch die Stadt Hamburg.

Der Autor


Geschäftsführer Dr. Matthias Nagel
Deutscher Erbbaurechtsverband e. V.

www.erbbaurechtsverband.de

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