Nachhaltige Quartiersentwicklung: Ökosiedlung Friedrichsdorf

Nachhaltige Quartiersentwicklung: Ökosiedlung Friedrichsdorf

Städtebau & Quartiersentwicklung

Nachhaltige Quartiersentwicklung: Ökosiedlung Friedrichsdorf

Text: Clemens Thoma | Foto (Header): © FOTO: FRANK

Bei der Ökosiedlung im 16 km nördlich von Frankfurt gelegenen Friedrichsdorf ist der Name Programm: Die ökologisch nachhaltige Ausrichtung zieht sich vom energetischen Konzept über die Grünflächen bis zu Baustoffen und Mobilität. Doch auch den sozialen Aspekten wird ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Die Bürger wurden dabei stark in die Planungen eingebunden.

Auszug aus:

Es gibt nicht wenige Politiker, bei denen das Wort Bürgerbeteiligung zu erhöhtem Blutdruck führt. Die Menschen wollen nicht nur angehört, sondern ernsthaft in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Mit gutem Recht pochen sie auf Partizipation, geben Feedback – ob sie nun gefragt werden oder nicht – und hinterfragen offensiv Entscheidungen der Politik und Behörden. Das ist per se richtig, kann aber auch dazu führen, dass eine groß gedachte Idee ihre Wirkungskraft verliert. Bürgermeister, die in ihrer Gemeinde ein neues Baugebiet erschließen wollen, können davon ein Lied singen. Wer mit Horst Burghardt spricht, bis Sommer 2021 Bürgermeister der Stadt Friedrichsdorf, wird eine andere Geschichte hören. Es ist die Entwicklungsgeschichte eines nachhaltigen Wohnquartiers, in dem durch ein hohes Maß an Beteiligung eine große Akzeptanz bei den Bewohnern der Stadt erreicht worden ist.

Der Vordertaunus ist eine der beliebtesten Regionen im Rhein-Main-Gebiet. Klimatisch begünstigt, öffnet sie sich nach Süden hin zur Main-Ebene. Hier gibt es Landkreise, die zu den wohlhabendsten in der Republik zählen. Viele Menschen pendeln täglich aus Oberursel, Bad Homburg und anderen Städten in die 20 Minuten entfernte Frankfurter City. Das hier ein hoher Wohnungsdruck herrscht, ist nicht weiter verwunderlich. In Friedrichsdorf, das gut angebunden an der A5 und nur 16 km nördlich von Frankfurt liegt, ist das nicht anders. In der Kommune mit ihren 25.000 Einwohnern haben junge Familien genauso große Schwierigkeiten, auf dem angespannten Wohnungsmarkt fündig zu werden, wie Senioren, Singles oder Paare. Um den Friedrichsdorfern nicht nur mehr, sondern auch zukunftsorientierten Wohnraum mit bedarfsgerechten Wohnformen zur Verfügung zu stellen, begannen Horst Burghardt und das Stadtplanungsamt 2010 mit den ersten Planungsschritten für eine neue Siedlung.

Auf einer Konversionsfläche mit einem alten Sportplatz und einer Schießanlage sollte ein Quartier entstehen, in dem Wohnraum für einige hundert Menschen geschaffen wird. „Wir haben zunächst auf breiter Ebene die Menschen und Organisationen der Stadt angesprochen und unsere Motivation für  eine neue Siedlung erklärt. Und wir haben gefragt, wie ein neuer Stadtteil aussehen kann und wie er sich anfühlen soll. Dabei entstand ein riesiger Anforderungskatalog, mit ganz konkreten Wünschen“, so der damalige Bürgermeister. Für die Bürgerbeteiligung verantwortlich zeichnete die ProjektStadt, die Stadtentwicklungsmarke der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt. Den Menschen war eine große Vielfalt an Wohnformen wichtig, eine gute Kinderbetreuung, seniorengerechter und preisgünstiger Wohnraum sowie Grünflächen und Plätze für Begegnungen. Vor allen Dingen wünschten sich die Friedrichsdorfer aber ein neues Quartier, in dem Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung eine wichtige Rolle spielen – eine Ökosiedlung sollte es werden.

Der Bürgermeister Horst Burghardt (links) und Ronald Klein-Knott von FRANK bei der Besichtigung der Baustelle im Frühjahr 2019.
FOTO: FRANK

Guter Städtebau und ökologisch nachhaltig

Die Stadt Friedrichsdorf ließ sich gut beraten und entwickelte ein mehrstufiges, konzeptbasiertes Auswahlverfahren, um ein großes Spektrum an Lösungsvorschlägen zu erhalten. Dadurch solltendie vielfältigen Ziele – ein Quartier mit besonderen architektonischen, städtebaulichen und ökologischen Qualitäten – erreicht werden. „Uns war wichtig, dass wir ein Verfahren auf den Weg bringen, das unseren hohen Anspruch an Planungsqualität und eine zügige Umsetzung garantierten“, so Burghardt.

In Hofheim am Taunus stieg der Puls bei einigen Immobilienentwicklern ebenfalls, als sie 2013 die Ausschreibung lasen. „Wir wollten diese Siedlung unbedingt realisieren, weil wir hier unsere Nachhaltigkeitsexpertise ganzheitlich umsetzen konnten, die wir in zahlreichen Wohnraumentwicklungen in Norddeutschland und im Rhein-Main-Gebiet bereits gesammelt hatten“, erinnert sich Ronald Klein-Knott, Stadtplaner, Architekt und damals einer der Geschäftsführer des Immobilienunternehmens FRANK. „Die Aufgabe bestand darin, eine sieben Hektar große Fläche städtebaulich zu entwickeln und zu erschließen, danach zu bebauen und zu vermarkten. Das Quartier sollte eine ökologisch nachhaltige Orientierung widerspiegeln. Daneben legten wir großen Wert auf eine sozial ausgewogene Mischung der Bewohner, weil wir bei FRANK überzeugt sind, dass das die Gemeinschaft fördert“, erklärt Klein-Knott.

Der städtebauliche Entwurf. Die beiden Bauabschnitte sind durch den dreieckigen Park verbunden. Der Wohnturm aus Holz wird an der Spitze des Parks errichtet.
ABBILDUNG: FRANK

Der Quartiersplatz, an dem die Kita und Seniorenwohnungen liegen, bildet das Entree der Ökosiedlung.
ABBILDUNG: FRANK

Die soziale Vielfalt der Ökosiedlung

Menschen aller Altersgruppen, mit unterschiedlichen Haushaltseinkommen und Lebensstilen finden in der Ökosiedlung Friedrichsdorf ein passendes Eigenheim. In zwei Bauabschnitten entstehen Ketten‑, Doppel- und Reihenhäusern sowie Mehrfamilienhäuser mit Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen. „Insgesamt bauen wir etwa 350 Wohneinheiten. Nach der Fertigstellung im Jahr 2024 werden mehr als 700 Bewohner hier leben“, sagt Michael Henninger, Projektentwickler und Geschäftsführer bei FRANK im Rhein-Main-Gebiet. Von 54 Seniorenwohnungen zur Miete sind 25 öffentlich gefördert. Dazu kommen 33 Wohnungen für den freien Mietermarkt. Im Zentrum des Quartiers wird ein attraktiver Park als grüne Mitte angelegt, am Quartierseingang verbindet ein gestalteter Platz die Ökosiedlung mit den Nachbarschaften und bietet viele Begegnungsmöglichkeiten. Es fällt auf, dass im gesamten Quartier alte Baumbestände erhalten bleiben, wo immer es möglich ist. Weitere Grünflächen sind struktur- und artenreich angelegt und durch begrünte Dächer ergänzt, um auch der einheimischen Fauna artgerechte Habitate zu bieten. Darüber hinaus gibt es einen Nachbarschaftstreff und eine Kindertagesstätte. Besonderer Wert wird bei der Ausformung des Wohnumfelds auch auf den Umgang mit Niederschlagswasser und eine geringe Flächenversiegelung gelegt. Der Ausgleich dafür sowie Maßnahmen des Artenschutzes erfolgen möglichst im Wohnquartier selbst und fördern die Vernetzung mit den umliegenden Waldflächen und Obstbaumwiesen.

Der Eisspeicher ist 7 m tief und hat einen Durchmesser von 17 m. Nach der Fertigstellung wird er unterhalb der Grasnarbe des Parks liegen.
ABBILDUNG: FRANK

Wärme aus dem Eis

Zentrales Element des ökologischen Konzepts ist einer der größten Eisspeicher Deutschlands. Das unterirdische Bauwerk aus Beton mit sichtbarer Energiezentrale fasst etwa 1.200 m³ Wasser. Im Winter wird dem Wasser im Speicher die benötigte Energie für Raumwärme und Warmwasserbereitung mittels einer Wärmepumpe entzogen. Durch die Abkühlung friert der Speicher langsam zu. Im Sommer taut das Eis durch Wärme aus Solarabsorbern wieder auf, bevor sich der Kreislauf im Winter wiederholt. Besonders viel Energie liefert der Eisspeicher gerade dann, wenn Wasser zu Eis gefriert. Diese sog. Kristallisationsenergie wird ebenfalls genutzt. Zur Absicherung von Spitzenlasten und Ergänzung des Energiemix werden außerdem ein Blockheizkraftwerk, ein Gasbrennwertkessel sowie moderne PVT-Systeme (Photovoltaik und Solarthermie) miteinander vernetzt. „Der Eisspeicher funktioniert wie ein Akku, der die Wärmepumpe betreibt, und der zu 100 % mit regenerativer Energie aufgeladen wird“, erklärt Thomas Rolf Hermes, der bei FRANK den Eco-Bereich führt und mit seinem Team energetische Neubauplanungen und Quartierssanierungen durchführt sowie das Energie-Contracting in der Ökosiedlung anbietet.

Moderne Mobilitätslösungen

Elektromobilität ist ebenfalls ein Baustein des ökologischen Konzepts. Dazu wird eine Carsharing-Station mit Lademöglichkeiten für E-Pkw und E-Bikes zählen. In Teilen des Quartiers fahren zwischen den Häusern keine Autos. Der besondere Clou: Von ihrem Tiefgaragenstellplatz aus gelangen die Bewohner der Gartenstadthäuser direkt in die Kellergeschosse ihrer Reihenhäuser. Die Wegeführung innerhalb der Ökosiedlung und die Anbindung an die Nachbarschaften geben den Menschen Anreize, ihr Auto stehen zu lassen und sich vor Ort mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu bewegen.

Der Wohnturm in Holzhybrid- Bauweise bietet Raum für 15 Eigentumswohnungen. Die Abbildung stammt aus dem Wettbewerb
ABBILDUNG: STUDIOBORNHEIM

Ein Wohnturm in Holzbauweise

Nach dem Abschluss des ersten Bauabschnittes haben 2021 die Hochbauarbeiten des zweiten Abschnitts begonnen. Ein Teilprojekt darin erregt besondere Aufmerksamkeit: Ein 25 m hoher Wohnturm, der in Holz-Hybridbauweise realisiert wird. Mit sieben Vollgeschossen sowie einem Staffelgeschoss wird es das höchste Gebäude der Ökosiedlung. Die Lage des Turms befindet sich oberhalb des zentralen Parks, der grünen Mitte des neuen Stadtteils, und erlaubt Aussichten auf den Taunus sowie die Skyline Frankfurts am südlichen Horizont. In einem Wettbewerbsverfahren überzeugte der Entwurf von STUDIOBORNHEIM die Jury mit einer klaren vertikalen Gliederung und einem Entree, das großzügig und einladend gestaltet ist. Die Fassade ist geprägt durch das Zusammenspiel von Glas und Holz. Die Verwendung von Beton wird dabei auf ein minimal notwendiges, aber sinnvolles Maß reduziert und durch Holzwerkstoffe ersetzt. Der Bauingenieur Michael Henninger erklärt, dass die CO²-Bilanz durch diese Bauweise deutlich verbessert wird. Der Einsatz von robusten und langlebigen Materialien schafft ebenfalls einen effizienten Beitrag zur Wirtschaftlichkeit. Insbesondere aber der Rohstoff Holz, als Baumaterial aus nachwachsenden Wäldern, vereint ökologische, baubiologische und ökonomische Aspekte. Aktuell befindet sich der Wohnturm in der Entwurfsplanung. Der Baustart soll im Jahr 2023 stattfinden und wird mit der Fertigstellung den Abschluss der Ökosiedlung darstellen.

FRANK und FRIEDA

„Der Name der Ökosiedlung Friedrichsdorf war schon im Bewerbungsverfahren gesetzt. Um die Identität der Siedlung aber noch stärker zu betonen, haben wir eine Marke entwickelt, die das Wohnen und Leben im Quartier emotional erlebbar macht“, sagt Anke Schlütter, die als Geschäftsführerin mit ihrem Team für den kaufmännischen Bereich der Entwicklung zuständig ist. FRANK und FRIEDA heißt die Vertriebsmarke, die sympathisch und nahbar ist und über die mit den Zielgruppen kommuniziert wird. Eine Quartiers-App nur für die Bewohner wird als soziales Netzwerk fungieren und den unkomplizierten Austausch erleichtern. Neben verschiedenen privaten Gruppen, z. B. zur gemeinsamen Freizeitgestaltung, werden die mobilen Sharing-Angebote darüber abgebildet. Lokale Gewerbetreibende haben zudem die Möglichkeit, im digitalen Netzwerk auf sich aufmerksam zu machen. „In einem stark urbanen Umfeld ist die Nutzung bestehender digitaler Nachbarschaftsnetzwerke eine gute Lösung. In Friedrichsdorf hingegen ergibt eine eigene Plattform aber durchaus Sinn“, erläutert Anke Schlütter die Idee hinter der App.

Mehr als die Hälfte ist geschafft

Im Frühjahr 2022 ist mehr als die Hälfte der Wohneinheiten gebaut, hunderte Menschen leben mittlerweile hier. Horst Burghardt hat das Bürgermeisteramt ein Jahr zuvor an seinen Nachfolger Lars Keitel übergeben, der die Fertigstellung der Ökosiedlung während seiner Amtszeit begleiten wird. „Unser Ziel war es, dass die Nachbarschaften die Ökosiedlung als eine attraktive und vielfältige Ergänzung erleben, die Friedrichsdorf insgesamt aufwertet“, blickt Horst Burghardt zurück. Für die Friedrichsdorfer fühlt sich das neue Quartier mittlerweile gar nicht mehr so neu an, weil viele schon einen Spaziergang über den ersten Bauabschnitt gemacht haben, um zu sehen, ob ihre Wünsche umgesetzt worden sind. „Das ist, als ob man in der Familie Nachwuchs bekommen hat, auch das wird irgendwann Alltag. Was aber bleibt, ist das gute Gefühl, mehr zu sein als vorher“, fasst der ehemalige Bürgermeister Friedrichsdorfs zusammen.

Der Autor


Clemens Thoma
Clemens Thoma ist als Leiter der Unternehmenskommunikation bei FRANK Ansprechpartner für die vielfältigen Neubau- und Nachhaltigkeitsprojekte des mittelständischen Immobilienunternehmens.

www.frank.de

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