Realisierte Objekte
Pilotprojekt für sozial-ökologisches Bauen – TYPENHAUSeco
Text: Arnold und Gladisch | Foto (Header): © A. CALITZ VISUAL
Die Frage nach mehr bezahlbarem Wohnraum ist eine der drängendsten sozialen Fragen unserer Zeit. Gleichzeitig steht der Gebäudesektor vor der Herausforderung, klimagerecht und ressourcenschonend zu werden. Das Pilotprojekt TYPENHAUSeco verbindet beide Ziele in einem ganzheitlichen Ansatz: Es zeigt, wie sozialer Wohnungsbau schnell, kosteneffizient und mit recycelbaren Materialien sowie einem klimafreundlichen Energiekonzept ökologisch realisiert werden kann.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 3.2025
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Auf Berlins Weg zur klimaneutralen Stadt bis 2050 spielt das Typenhaus-Konzept eine zentrale Rolle. Es ermöglicht den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften den zügigen Bau kostengünstiger Wohnungen und trägt so zu einer sozialverträglichen Stadtentwicklung bei. Doch gegenwärtig schöpfen Gebäude das Potenzial zur CO2-Einsparung noch nicht vollständig aus. Um den Anforderungen an eine ressourceneffiziente, kreislauffähige und somit klimaschonende Architektur gerecht zu werden, stellte sich daher die Frage, wie förderfähige Wohnneubauten heute konzipiert sein müssen.
Die Basis für das Konzept bildet der STADT UND LAND TYPENHAUSplus-Katalog, den Arnold und Gladisch zusammen mit der märkischen ingenieur bau (mib) für das Berliner landeseigene Wohnungsunternehmen STADT UND LAND vor einigen Jahren entwickelt haben. Der Katalog wurde bereits bei zahlreichen Typenhäusern vom Projektteam
um mib und Arnold und Gladisch realisiert. Zur Einhaltung der Klimaschutzziele wurde das Typenhauskonzept nun zum TYPENHAUSeco weiterentwickelt.
Die Konstruktion folgt den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft: Eine hybride Holzbauweise, weitgehend sortenrein trennbare Materialien und ein hoher Vorfertigungsgrad bilden die Grundlage für Rückbaubarkeit und Wiederverwendung. Ergänzt durch ein intelligentes Energieund Begrünungskonzept sowie effiziente, suffizienzorientierte Grundrisse, zeigt das Projekt, wie sich kostengünstiger Wohnungsbau und zukunftsfähige Baukultur verbinden lassen: architektonisch präzise, ökologisch konsequent und sozial wirksam.
Typenhaus-Prototyp in Holz-Hybridbauweise
Realisiert wird das TYPENHAUSeco am südlichen Stadtrand Berlins im Ortsteil Buckow. Hier entsteht ein neues, ökologisches und klimaneutrales Stadtquartier mit 900 Wohneinheiten sowie großzügigen Freiräumen und Stadtplätzen. Mit dem Neubau von 16 Typenhäusern planen Arnold und Gladisch 376 der insgesamt vorgesehenen 900 Wohneinheiten. Das STADT UND LAND TYPENHAUSeco bildet eines der Typenbauten und wurde dabei als Prototyp in Holz-Hybridbauweise realisiert.
Das Projekt wird von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz gefördert. Mit dem Holz-Hybridbau erproben Arnold und Gladisch zusammen mit der mib den seriellen Holz-Wohnungsbau.
Für den Bau des viergeschossigen Prototyps wurden recycelbare und ressourcenschonende Materialien verwendet, insbesondere Holz: Das Gebäude hat tragende Außen- und Innenwände als Holzständerwerk, die Decken und das Dach sind aus Brettsperrholzelementen gefertigt. Die Außenwandverkleidung ist ebenfalls aus Holz in Form vorvergrauter Lärche. Die Holzdecke ist in den Wohneinheiten sichtbar. Alle sonstigen Innenwände werden in Trockenbauweise errichtet.
Erschlossen wird das klar strukturierte Gebäude über einen zentralen Treppenkern mit einem Aufzug als Stahlbetonkern (Abb. 2). Im Erdgeschoss befinden sich drei Wohneinheiten, die Hausanschlussräume und ein Rollatoren-/Kinderwagenraum. In den Regelgeschossen werden je vier Wohneinheiten vom zentralen Kern aus erschlossen. Alle 15 Zwei und Drei-Zimmer-Wohnungen zwischen 53 und 70 m2 haben einen zentralen Wohnbereich, einen Freisitz, geringe Flächen für Flurzonen, einen Abstellraum sowie eine gute Belichtung dank offen gestalteter Grundrisse (Abb. 3).
Erschlossen wird das klar strukturierte Gebäude über einen zentralen Treppenkern mit einem Aufzug als Stahlbetonkern (Abb. 2). Im Erdgeschoss befinden sich drei Wohneinheiten, die Hausanschlussräume und ein Rollatoren-/Kinderwagenraum. In den Regelgeschossen werden je vier Wohneinheiten vom zentralen Kern aus erschlossen. Alle 15 Zwei und Drei-Zimmer-Wohnungen zwischen 53 und 70 m2 haben einen zentralen Wohnbereich, einen Freisitz, geringe Flächen für Flurzonen, einen Abstellraum sowie eine gute Belichtung dank offen gestalteter Grundrisse (Abb. 3).
Holzmontage innerhalb von vier Wochen
Im April 2024 wurden die ersten Holzelemente auf den Buckower Feldern geliefert. Dabei lieferte der erste Lkw die Holzrahmenbauwände für das Erdgeschoss
sowie Brettsperrholzelemente für die Decken über dem Erdgeschoss. Bereits zwei Wochen nach Beginn der Holzmontage war der Betonkern von zwei Geschossen in Holzbau umrahmt sowie ein Teil der Holzaußenwandverkleidung montiert. Insgesamt nahm das Aufstellen der Holzbauteile lediglich vier Wochen in Anspruch.
Die Gebäudehülle wurde mit 70 vorgefertigten Wandelementen in Holztafelbauweise, inkl. Fenstern und Fassadenschalung realisiert. Die Anlieferung erfolgte sukzessive und „just in time“ entsprechend dem Montagefortschritt: Je Geschoss wurden zwei Lkw mit Holzrahmenbau- und ein Lkw mit Deckenelementen geliefert. Während die Fensterelemente bereits im Werk montiert wurden, fand die Montage der bodentiefen EG-Elemente vor Ort statt. Die Decken wurden mithilfe von 49 Brettsperrholz- Deckenelementen errichtet. Das ergibt in Summe 224,73 m³ verbautes Holz. Im Sinne einer effizienten und wirtschaftlichen Vorfertigung wurde auf einen hohen Wiederholungsfaktor und Vereinheitlichungsgrad bei den verbauten Elementen geachtet.
Erkenntnisgewinn für den Klimaschutz
Auf den Buckower Feldern verbindet das Projektteam Bautätigkeit mit Erkenntnisgewinn: Neben dem TYPENHAUSeco existiert ein Zwillingsbau mit gleicher Kubatur und gleichem Wohnungsschlüssel in Massivbauweise (TYPENHAUSplus). Anders als beim Holz-Hybrid-Typenhaus sind die Decken und das Dach in Stahlbeton, die tragenden Außenwände mit Hochlochziegeln und die tragenden Innenwände mit Kalksandstein ausgeführt worden (Abb. 4).
In den ersten Jahren des Betriebs werden beide Häuser von Hochschulen in vergleichenden Analysen erforscht und ausgewertet. Neben wohnklimatischen Aspekten werden Verbrauchs-, Betriebs und Unterhaltskosten miteinander verglichen. Auf diese Weise werden Erkenntnisse bezüglich Klimaschutz, Ressourcenschonung und kreislaufgerechter Planung für zukünftige Bauvorhaben gewonnen.
Die unterschiedlichen Bauweisen sind zudem eine ideale Ausgangsbasis für eine fundierte, vergleichende Ökobilanzierung. Vor dem Hintergrund der Förderung des Projekts durch den Innovationsfond der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz wird das Holzhaus-Projekt Buckower Felder hinsichtlich Klimabilanz (GWP), dem Einsatz nicht erneuerbarer Primärenergie (PENRT) und Kreislauffähigkeit (C2C) bewertet. Als Referenz für das Einsparpotenzial durch die Holz-Hybridbauweise des TYPENHAUSeco dient dabei der Zwillingsbau in Massivbauweise.
Im Hinblick auf die vorgenannten Kriterien betrachtet die Ökobilanzierungen weitere ökologische Baustoffe, welche bei künftigen Projekten zum Einsatz kommen könnten. Durch deren Einsatz könnte die Treibhausgasemission im Herstellungsprozess der Gebäude zusätzlich gesenkt werden.
Projektdetails
Standort Gensweg 8, 12349 Berlin |
Bauherrin STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH |
Anzahl der Wohnungen 15 |
Wohnfläche 936 m² |
Geschossfläche 1.400 m² BGF |
Energetischer Standard KfW 55 |
Architektur Arnold und Gladisch |
Leistungen Generalplanung, LPH 1–5+8 HOAI |
Mitarbeit Rabea Ahlers, Katharina Kaufmann, Katia Ziani, Sigrid Goßmann, Livia Salamone, Stefania De Rosa |
Generalübernehmerin mib – märkische ingenieur bau gmbh |
Ausführung Holzbau Gebr. Schütt KG (GmbH & Co.) |
Ökobilanzierung weberbrunner architekten |
Ganzheitlich gedacht: Energie- und Materialkonzept
Das TYPENHAUSeco setzt auf kreislauffähiges, ressourcenschonendes Bauen bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit. Hochdämmende Materialien sichern den KfW 55-Standard. Die innovative, dezentral organisierte Wärmeversorgung im Quartier reduziert den Primärenergiebedarf. Eine Fußbodenheizung sowie die zentrale Versorgung mit Trinkwarmwasser über Zirkulationsleitungen sind integraler Bestandteil des Systems. Der bewusste Verzicht auf eine Unterkellerung senkt zusätzlich die graue Energie.
Konsistenz wird durch die Auswahl recyclingfähiger, schadstoffarmer Materialien – insbesondere Holz – erreicht. Begrünte Süd- und Westfassaden übernehmen Funktionen der Luftreinigung und Temperaturregulierung. Ein extensiv begrüntes Retentionsdach ermöglicht die vollständige Regenwasserversickerung im Quartier.
Suffizienz prägt die Planung durch kompakte, bedarfsorientierte Grundrisse und eine reduzierte, wartungsarme Gebäudetechnik. Der Verzicht auf überdimensionierte Flächen oder aufwendige Systeme unterstützt den schonenden Umgang mit Ressourcen.
Cradle to Cradle-Prinzipien flossen in die Auswahl rückbaufähiger Konstruktionen und trennbarer Materialverbunde ein. Ziel ist die spätere Rückführung in technische oder biologische Kreisläufe.
Eine begleitend erstellte Ökobilanz zwischen dem Holz-Prototypen und seinem massiven Zwilling belegt das Einsparpotenzial: Die TYPENHAUSeco-Konstruktion schafft ein Einsparpotenzial an Treibhausgasemissionen von knapp 40 % gegenüber der Massivbauweise. Durch weitergehende Optimierungen lassen sich sogar bis zu 60 % einsparen.
Vom Prototyp zum Planungsbaukasten
Auf die Umsetzung des Prototyps soll mit dem STADT UND LAND TYPENHAUSeco-Katalog ein nächster Entwicklungsschritt folgen. Während für das TYPENHAUSplus ein umfassender Planungskatalog erarbeitet wurde, steht beim TYPENHAUSeco die Übertragung in ein modulares System für den mehrgeschossigen Holzbau bevor. Ziel ist ein Planungsbaukasten, der zukünftige Projekte auf Basis kreislauffähiger, ressourcenschonender Prinzipien ermöglicht. Konzeptionelle Überlegungen zu weiteren Wohnungstypen für unterschiedliche Himmelsausrichtungen liegen bereits vor, ebenso wie die Idee eines Eckmoduls, um auf verschiedenste städtebauliche Kontexte reagieren zu können. Auch die Reihbarkeit der Grundrisse ist ein zentrales Kriterium.
Im Ergebnis soll ein Typenkatalog für den Holz- und Holzhybridbau entstehen, der Standardisierung und Elementierung mit architektonischer Flexibilität und Individualität verbindet und damit die Grundlage für ökologische, vielfältige und bezahlbare Quartiere schafft. Parallel soll untersucht werden, ab welcher Projektgröße die Potenziale des Holzbaus – insbesondere hinsichtlich Vorfertigung und Bauzeitverkürzung – zu einer Baukostenneutralität gegenüber der Massivbauweise führen.
Über Arnold und Gladisch
Arnold und Gladisch sind seit fast 30 Jahren starker Partner für Objekt- und Generalplanung in Berlin sowie ganz Deutschland. Das Architekturbüro baut Wohnungen für alle Schichten der Bevölkerung, Bildungsbauten und Verwaltungsbauten mit hohen Sicherheitsanforderungen. Mit Weitblick und Erfahrung vereint das Team architektonische Qualität, einen schonenden Umgang mit Umwelt und Ressourcen sowie Wirtschaftlichkeit gleichermaßen.
www.arnoldundgladisch.de