Wolfsburger Wohnbauoffensive: Innovatives Quartier mit Zwilling

Wolfsburger Wohnbauoffensive: Innovatives Quartier mit Zwilling

Realisierte Objekte

Wolfsburger Wohnbauoffensive: Innovatives Quartier mit Zwilling

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © Olaf Mahlstedt | KS-ORIGINAL

Das Projekt der Hellwinkel Terrassen ist ein wesentlicher Teil der Wolfsburger Wohnbauoffensive. Es verfolgt das Ziel, der städtischen Wohnungsknappheit entgegenzuwirken und gleichzeitig die Vielfalt zukunftsfähiger Wohnformen widerzuspiegeln. Wir sprechen mit Hans-Dieter Brand, Sprecher der Geschäftsführung der NEULAND Wohnungsgesellschaft, über das Projekt, bei dem verschiedene Bauweisen in einem Monitoring verglichen werden.

Auszug aus:

Herr Brand, bitte beschreiben Sie uns die Besonderheiten der „Hellwinkel Terrassen“. Was befand sich vor der Bebauung auf der Fläche?

Die Hellwinkel Terrassen werden auf der Fläche zweier ehemaliger Kleingartensiedlungen angelegt. Durch die Umwandlung dieser Anlagen entsteht hier in den nächsten Jahren ein 11 ha großes Wohngebiet, mit dem die Stadt Wolfsburg nicht nur auf die hohe Nachfrage reagiert, sondern zukünftig auch den 70.000 Einpendlern einen Anreiz bieten möchte, sich hier niederzulassen. Dementsprechend hoch waren auch die Qualitätsansprüche, weshalb im Vorhinein ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt wurde. Das Ergebnis wurde in drei Gestaltungshandbüchern festgehalten, die zusammen rund 300 Seiten fassen. Hierin sind unter anderem Bauweisen und -typologien für die unterschiedlichen Baufelder festlegt. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Vorgaben, die die Planung nicht immer ganz leicht gemacht haben.

Eine weitere Besonderheit war für uns, dass wir als NEULAND die Ersten waren, die hier gebaut haben. Das hat einerseits dazu geführt, dass unsere Mieter einzogen, während drum herum noch die Baustelle tobte. Andererseits werden die städtebaulichen Qualitäten erst vollständig zu erkennen sein, wenn das gesamte Quartier fertiggestellt ist.

Aus welchen Bausteinen setzt sich das Quartier zusammen?

Der überwiegende Teil des Quartiers besteht aus Wohnnutzungen. Daneben gibt es noch Platz für soziale Nutzungen, eine Kita sowie Büros, Praxen und Gastronomie. Im Rahmen der städtebaulichen Planung wurden verschiedene Bautypologien von mehrgeschossigen Gebäuden bis hin zu Reihenhäusern entwickelt, um Menschen in allen Altersklassen und Lebenslagen einen entsprechenden Wohnraum bieten zu können. In unserem Fall ist das einmal die „Reislinger Reihe“, geplant von Reichel + Stauth Architekten. Das Gebäude ist U-förmig angelegt und bietet auf drei bis vier Geschossen Platz für 64 Wohneinheiten. Vom gleichen Architekturbüro geplant wurde außerdem der „Wohnhof“ – zwei Gebäude mit 38 Wohnungen, die sich um eine gemeinschaftliche Außenfläche anordnen. Auf einem dritten Grundstück befindet sich der „Zwilling“, der 41 Wohneinheiten umfasst. Hierbei handelt es sich um zwei sechsgeschossige, kompakte Gebäude, die in Grundriss und Gestaltung identisch sind und sich lediglich durch ihre Bauweise voneinander unterscheiden.

Wie haben Sie die Anforderung nach zukunftsfähigen und neuen Wohnformen umgesetzt?

Wir als NEULAND verfolgen das Ziel, unseren Mietern zu jeder Zeit ein liebenswürdiges Zuhause bieten zu können. Darum betrachten wir unsere Wohnungen nicht als bloße Immobilie. Vielmehr geht es uns um das Gefühl des „Zuhause-Seins“ in jeder Lebensphase und die Identifikation mit dem Ort. Das macht aus unserer Sicht zukunftsfähigen Wohnungsbau aus. Bei den Hellwinkel Terrassen haben wir das in Form von verschiedenen Wohnungsgrößen, von Ein-Zimmer-Wohnungen mit 30 m² bis hin zu Vier-Zimmer-Wohnungen mit 125 m², umgesetzt. Im besten Falle ziehen die Bewohner während ihres Studiums ein und finden bei uns auch weiterhin einen Platz, wenn sie eine Familie gründen und sich vergrößern möchten. Natürlich achten wir auch immer auf die Barrierefreiheit unserer Gebäude. In der Reislinger Reihe sind zudem acht Wohnungen rollstuhlgerecht errichtet worden, und die Büroräume in einem der Zwillingsbauten wurden von der Lebenshilfe bezogen.

Neben einem breiten Wohnungsmix sind aber auch die Außenbereiche besonders wichtig. Wir arbeiten hierfür mit Terrassen, Balkonen und Loggien. Für das Quartier wurde außerdem ein übergreifendes Außenraumkonzept entwickelt, das das ökologische sowie nachbarschaftliche Wohnen fördern soll.

Der überwiegende Teil des Quartiers besteht aus Wohnnutzungen. Daneben gibt es noch Platz für soziale Nutzungen, eine Kita sowie Büros, Praxen und Gastronomie.
Foto: Olaf Mahlstedt | KS-ORIGINAL

Die sechsgeschossigen Zwillingsbauten sind in Grundriss und Gestaltung identisch und unterscheiden sich lediglich durch ihre Bauweise voneinander.
Foto: Olaf Mahlstedt | KS-ORIGINAL

Welchen Stellenwert nehmen Grünflächen im Projekt ein?

Die Grünflächen und Außenraumqualitäten haben eine große Bedeutung. Die Natur, die durch den Wegfall der Kleingärten verloren geht, soll durch vielfältige Aufenthaltsmöglichkeiten wiederhergestellt werden. Das Gelände ist beispielsweise von einer bewegten Topografie geprägt. Im Laufe des Wettbewerbs entstand daraufhin die Idee, im Zentrum des Quartiers Terrassen anzulegen. Sie sollen zum einen das Regenwassermanagement übernehmen und zum anderen als Erholungs- und Freizeitort für die Bewohner dienen. Zukünftig wird außerdem eine autofreie Quartierspromenade das gesamte Gebiet durchziehen. Um an die Vergangenheit des Areals anzuknüpfen, werden Obstbäume und Hecken, die früher als typisches Element zur Einfriedung der Grundstücke dienten, gepflanzt. An verschiedenen Stellen sind des Weiteren Gemeinschaftsgärten geplant.

Was hat es mit dem „Zwilling“ auf sich?

Ursprünglich sollten laut Gestaltungshandbuch alle Gebäude in monolithischer Bauweise errichtet werden. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass dies insbesondere bei den sechsgeschossigen Zwillingsbauten mit einem erheblichen konstruktiven sowie wirtschaftlichen Mehraufwand verbunden gewesen wäre. Während der eine Zwilling mit einer Sekundärkonstruktion in Form eines Stahlbetonskeletts, ausgefacht mit Porotonziegeln, errichtet wurde, konnten wir die Stadt Wolfsburg davon überzeugen, den zweiten Zwillingsbau in KS-Bauweise mit mittelformatigen Plansteinen von KS-Original zu realisieren. Das hatte für alle Seiten auch noch einen weiteren Vorteil: Wir hatten mit der Stadt bereits seit einiger Zeit ein Monitoring avisiert, das verschiedene Bauweisen hinsichtlich ihrer Errichtungs- und Instandhaltungskosten sowie Energieeffizienz während ihrer Nutzungsphase untersuchen sollte. Zwei Gebäude, die sich nur in ihrer Bauweise voneinander unterscheiden, lieferten uns da natürlich die perfekte Grundlage.

Die Natur, die durch den Wegfall der Kleingärten verloren geht, soll durch vielfältige Aufenthaltsmöglichkeiten wiederhergestellt werden.
Foto: Olaf Mahlstedt | KS-ORIGINAL

Gibt es schon erste Erkenntnisse aus dem Vergleich der Bauweisen?

Wir haben in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.-Ing. Lars Kühl, der an der Ostfalia Hochschule im Bereich Regenerative Energietechnik lehrt, ein Verfahren entwickelt, das mittels Sensoren Aufschluss über das Raumklima innerhalb der Wohnräume geben soll. Diese sind an den Innenseiten der Außenwände angebracht und messen neben der Raumluftfeuchte vor allem den thermischen Verlauf innerhalb der Wandkonstruktionen sowie die Oberflächen- und im Vergleich dazu die Raumtemperatur. Da die Messungen über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgen, liegen uns aktuell noch keine Informationen vor. Was wir jedoch hinsichtlich der Instandhaltung festgestellt haben – und damit hatten wir bereits gerechnet –, ist, dass die monolithische Konstruktion deutlich anfälliger für Risse ist als die KS‑Bauweise.

Blicken wir in die Zukunft. Wie wird sich der Wohnungsbau in den nächsten 20 Jahren entwickeln?

Ich denke, die Entwicklungen, die wir heute bereits wahrnehmen, werden sich in den nächsten Jahren verstärken. Nachbarschaft und Gemeinschaft sind durch die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr deutlich wichtiger geworden. Es wird mehr darüber nachgedacht, wie man der Vereinsamung – insbesondere in Städten – entgegenwirken kann. In diesem Zusammenhang wird auch die Qualität des Außenraums, der sich unmittelbar um die Wohnbauten herum befindet, wichtiger werden.

Und selbstverständlich werden neben der Energieeffizienz und der Behaglichkeit von Wohnräumen, die wir ja mit den Zwillingsbauten untersuchen, auch die Themen Rückbau und Recycling immer wichtiger. Zugegeben: In unseren letzten sowie aktuellen Bauvorhaben spielen sie noch nicht die Rolle, die sie hätten spielen sollen. Aber betrachtet man die Zwillingsbauten, ist die KS-Bauweise in dieser Hinsicht die weniger komplizierte, da das Material deutlich einfacher ist, was die sortenreine Trennung betrifft.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

Nachhaltig bauen mit Kalksandstein

Eine nachhaltig orientierte Bauwirtschaft muss gemäß des Cradle-to-Cradle-Gedankens den gesamten Lebenszyklus ihrer Erzeugnisse im Blick haben. In diesem Sinne Kalksandstein erfreulich wenig komplex. Denn mehr als Kalk, Sand und Wasser braucht es nicht, um die bewährten Steine herzustellen. Es handelt sich hierbei um einen natürlichen Baustoff, der frei von Schadstoffen und anderen bedenklichen Zusätzen ist.

Die Vorteile, die sich durch den Produktionsprozess ergeben, bleiben über den gesamten Lebenszyklus hinweg erhalten: Als rein mineralisches Erzeugnis ist Kalksandstein wesentlich kostengünstiger zu entsorgen als beispielsweise schadstoffbelastetes Holz oder Verbundbaustoffe, wie mit Dämmstoffen verfüllte Mauersteine.

Recycelt kommt er unter anderem im Straßenbau oder als Vegetationsbaustoff zum Einsatz – sortenrein sogar als Wertstoff zur Herstellung neuer Steine. Dadurch leistet KS-Original als Markenverbund mittelständischer Kalksandsteinhersteller einen wichtigen Beitrag zu einer Kreislaufwirtschaft, die nachhaltiges Bauen überhaupt erst möglich macht.

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