Wohnbebauung am Krummen Weg in Pforzheim: Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum

Wohnbebauung am Krummen Weg in Pforzheim: Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum

Realisierte Objekte

Wohnbebauung am Krummen Weg in Pforzheim: Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum

Text: Dr. Ana Kugli | Foto (Header): © STEFANIE MORLOK (WWW.STEFANIE-MORLOK.DE)

Erstmalig im Raum Nordschwarzwald hat die STADTBAU GmbH Pforzheim, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Pforzheim, geförderte Wohnungen in einer reinen Holzbauweise realisiert. Sie beweist damit, dass bezahlbarer, sozial ausgewogener Wohnraum und Klimaschutz Hand in Hand gehen können.

Auszug aus:

Hell und freundlich wirken die Räume. Ein angenehmer Duft nach Holz liegt in der Luft. Die bodentiefen Fenster lassen viel Licht ins Innere der Wohnungen. Jeder Zentimeter ist optimal genutzt: durch offene Küchen oder Fußbodenheizungen, sodass an den Wänden keine Heizkörper Platz in Anspruch nehmen. Die geschützten Loggien nach Süden, der Sonne zugewandt, runden den harmonischen Eindruck ab.

Über die 49 Wohnungen unterschiedlicher Größe freuen sich die Mieter am Krummen Weg in Pforzheim, die seit Herbst 2022 hier ein neues Zuhause gefunden haben. In drei Gebäuden finden sich Ein‑, Zwei‑, Drei- und Vierzimmerwohnungen. Die Bestandsbäume der Außenanlage blieben größtenteils erhalten und spenden nun den Spielgeräten für die jüngsten Bewohner Schatten. Bäume ist das richtige Stichwort, um die Besonderheit dieses Bauprojekts hervorzuheben: Denn die drei Wohngebäude bestehen aus Holz.

Neubau mit Modellcharakter

„Der STADTBAU GmbH Pforzheim ist eine Pionierleistung gelungen: Wir zeigen hier im Krummen Weg, dass Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum Hand in Hand gehen können“, beschreibt Frank Zschiesche, der die Projektsteuerung bei der STADTBAU innehatte. Das Holz von Wänden, Decken, der Fassade und den Fenstern stammt aus heimischen Wäldern, sodass schon beim Transport weniger CO² anfiel. Eine weitere Einsparung ergibt sich, weil Holz anstelle von Stahlbeton eingesetzt wurde, bei dessen Produktion viel CO² entstanden wäre. Darüber hinaus konnte KfW 40 als energetischer Standard erreicht werden. „Erstmalig im Raum Nordschwarzwald haben wir geförderte Wohnungen in einer reinen Holzbauweise realisiert“, erläutert Jan Faulhaber, Architekt bei der Pforzheimer Architektur- und Stadtplanungsgesellschaft mbH (as Planungsgesellschaft) und Bauleiter des Projekts. Bis auf den Laubengang mit Treppe, der aus Gründen des Brandschutzes aus Stahlbeton gefertigt ist, besteht die komplette Tragkonstruktion des Gebäudes aus Massivholz. Die Baustelle blieb vergleichsweise geräuscharm, weil viele Bauteile und Installationswände nach dem Baukastenprinzip vorgefertigt waren, sodass die Bauphase für die Anwohner im Umkreis weniger belastend war. „Außerdem bietet die Holzbauweise eine schnellere Bauzeit als bei einem konventionellen Bau“, streicht der Bauleiter heraus. Der Neubau mit Modellcharakter wurde durch das Programm Wohnen BW ebenso gefördert wie durch „Holz innovativ“, ein EFRE-Programm (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung).

1 | Ansicht Nordseite Haus A
ABBILDUNG: AS PLANUNGSGESELLSCHAFT (WWW.AS-PLANER.DE)

2 | Das Holz von Wänden, Decken, der Fassade und den Fenstern der drei Wohngebäude stammt aus heimischen Wäldern.
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Harmonische Einbettung in bestehendes Areal

Eingebettet sind die Neubauten am nördlichen Rand von Pforzheim in eine seit den 1970er-Jahren bestehende Kleinsiedlung der STADTBAU GmbH Pforzheim. In neun in Dreiergruppen aneinandergereihten Wohnhäusern stehen hier 70 Wohnungen für einkommensschwache Menschen zur Verfügung. Die Häuser wurden zuletzt 2006 im Bereich Haustechnik saniert sowie mit überdachten Freisitzen versehen. Die drei neuen Gebäude verwandeln die Kleinsiedlung nun in ein großzügiges Wohnareal. Die Neubauten sind dabei so positioniert, dass sie in Anlehnung an den Bestand weiterhin Luftbewegungen in West-Ost-Richtung fördern und eine freie Sicht auf die offene Landschaft ermöglichen. Ein viertes Gebäude ist im südlichen Bereich geplant und soll zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden.

Für die Neubauten wurden zwei Baukörpertypen mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen entwickelt, wobei die Wohnraumobergrenzen des Wohnraumförderungsgesetzes eingehalten wurden. Typ A beinhaltet vier Zweizimmerwohnungen und eine Einzimmerwohnung pro Etage, Typ B zwei Dreizimmerwohnungen und eine Vierzimmerwohnung pro Etage. Typ A wurde mit fünf Wohngeschossen realisiert, Typ B mit vier Wohngeschossen. Die Wohnebenen wurden in reiner Holzbauweise auf die aus Betonhalbfertigteilen mit Ortbetonergänzung bestehenden Kellergeschosse aufgesetzt. Lediglich die Gründung erfolgte in reiner Ortbetonbauweise.

3 | Grundriss Haus A
ABBILDUNG: AS PLANUNGSGESELLSCHAFT (WWW.AS-PLANER.DE)

4 | Grundriss Haus B
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Potenzial der Holzbauweise

In ganz Deutschland, insbesondere in Großstädten, fehlt Wohnraum. Die Bauzeit ist dabei oft ein kritischer Punkt. „Die Holzbauweise kann in Kombination mit optimierter serieller Detailplanung begleitender Gewerke einen Beitrag zur Entschleunigung der Wohnungsnot leisten und dies bei im Endergebnis verbesserter Wohnqualität“, erläutert Stephan Jung, Geschäftsführer der as Planungsgesellschaft, die das Projekt für die STADTBAU realisiert hat. Gerade die Stadt Pforzheim, als ehemalige Flößerstadt und Tor zum Nordschwarzwald mit unmittelbarem Bezug zum Baustoff Holz, sei ein idealer Ort, um das Potenzial der Holzbauweise offenzulegen. Und das nicht nur in gestalterischer, wohnklimatischer und ökologischer Sicht, sondern auch bauwirtschaftlich betrachtet. Der ortsansässige Zimmerbetrieb, der die heimischen Hölzer lieferte, konnte etwa auch umweltbelastende Transportwege kurz halten.

Doch mit dem Bauprojekt am Krummen Weg in Pforzheim wurden nicht nur ökologische Ziele verfolgt, wie etwa die nachhaltige und stoffliche Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz.

„Vielmehr haben wir eine modellhafte Lösung für kurzfristig zu errichtende Wohnbauten anhand wirtschaftlich und gestalterisch ansprechender Gebäudetypologien geschaffen“, so Jung. Im Fokus stand dabei auch, die Abläufe aller baubegleitenden Gewerke zu optimieren. Da die Nachbargewerke mittels Digitalisierung im Planungsprozess integriert waren und intelligente serielle Knotenpunkte geschaffen wurden, konnte die Bauzeit des Holzbaubetriebs verkürzt werden. Die Gebäudetypen haben damit eine Serienreife, welche es nachfolgenden Bauherren, aber auch Bauunternehmern erleichtert, bei hoher Qualität die Angebots- als auch Ausführungsphase erheblich zu optimieren.

Digitalisierter Planungsprozess

Mehrgeschossige Wohnungsbauten in Holzbauweise zu errichten, ist keine neue Idee. Dennoch stellt ein fünfgeschossiger Baukörper mit einer Höhe von rund 15 m im Hinblick auf Verbindungsund Knotenpunkte besondere Ansprüche an Planung und Ausführung. Ein breit aufgestelltes Planungsteam erarbeitete im Rahmen einer vorgezogenen integralen Planung die Schnittstellen zu den baubegleitenden Fremdgewerken, was die Basis für einen optimierten Zeitablauf legte.

Konkret verwendeten sowohl der Architekt als auch der Tragwerksplaner das gleiche CAD-Programm, welches einen kontinuierlichen fehlerfreien Austausch der in 3D geplanten Entwurfs- und Werkplanung ermöglichte. Die ifc-Schnittstelle war hierbei in jeder Planungsphase aktiv. Über diese Schnittstelle wurden auch die Daten an den Zimmereibetrieb und dessen Holzlieferanten fehlerfrei übermittelt und dort durch einfache Transformation der firmeneigenen Maschinensoftware in lesbare Daten der Fräsmaschinen umgewandelt.

5 | Konstruktionsdetail Druckkraftübertrag 1. OG zum EG im Bereich des Balkons
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6 | Anschlussdetail BSHTräger als Oberzug im Bereich der Fensteröffnung
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Alle Details vorgedacht

Da der mehrschichtige Aufbau von Holzbauteilen erfordert, alle Schichten im Vorfeld der Ausschreibungen integral zu betrachten, war es nicht möglich, Rohbau, Haustechnik, Fassade und Ausbau schrittweise baubegleitend zu planen. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung des Holzbaus mussten bereits alle Details der Bauteile samt erforderlicher Aussparungen geklärt sein, da spätere Änderungen – wie bei konventioneller Bauweise häufig – planerisch und fertigungstechnisch nicht mehr möglich gewesen wären. Alle Details mussten so weit vorgedacht sein, um Umplanungen durch den Holzbaubetrieb zu vermeiden. Dazu gehörte etwa die richtige Einschätzung von Elementgrößen, die Konzeption von Einfeld- oder Zweifeldträgern und die exakte Dimensionierung und Positionierung von Aussparungen. Auf dieser Basis konnte der Holzbaubetrieb seinen Montageablauf sowie Elementgrößen und -stöße festlegen. Die Elementpläne wurden vom Holzbaubetrieb wieder als 3D-Modell zur Freigabe übermittelt, sodass eine einfache, übersichtliche Kontrolle erfolgen konnte. Auch der Planer der Haustechnik erhielt die 3D-Daten per ifc-Schnittstelle übermittelt, welche dann Grundlage für die Kollisionsplanung waren und an den Hersteller des Vorwandinstallationssystems weitergeleitet wurden. Um eine schnelle Bauzeit sicherzustellen, waren im Vorfeld zahlreiche Planungsgespräche mit erfahrenen ausführenden Firmen notwendig. Ein Ergebnis dieser Gespräche war, Innovation nicht im Sinne von neuen Konstruktionen und Konstruktionsdetails zu verstehen, sondern durch selbstverständliche Detaillösungen – deren Umsetzung die Handwerker in kürzerer Zeit beherrschen – mehr Effizienz zu erreichen. Anstatt komplexer Knotenpunkte erfüllten handelsübliche Verbindungsmittel, wie etwa Metallplatten als Reaktion auf die Deckenpressung, die gleiche Funktion. Diese waren zudem schneller und günstiger verfügbar. „Die Innovation besteht darin, diese Teile an den richtigen Stellen so intelligent zu positionieren, dass bei hoher Effektivität handwerkliche Qualität und Wirtschaftlichkeit gewährleistet bleiben“, führt Stephan Jung aus.

7 | Die beweglichen Sonnenschutz-Schiebelemente lockern in Kombination mit der horizontalen Gliederung der Holzfassade das eher strenge Erscheinungsbild des Holzbaus auf.
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Deutliche Bauzeitverkürzung

Bei den Betonarbeiten wurde so weit als möglich mit Fertigteilen gearbeitet, um zeitintensive Schalungs- und Austrocknungszeiten zu vermeiden. Im Laubengangbereich übernehmen die Wandfertigteile automatisch den Brandschutz. Brettsperrholzelemente wurden mit Betonfertigelementen als Außenwände des Laubengangs zusammengefügt, eine spezifische Lösung des Brandschutzes im Holzbau.

In der Außenfassade bilden die Überdeckungen der Führungsschienen der Schiebeläden gleichzeitig den horizontalen Brandriegel, womit ein brandschutztechnisches Erfordernis als gestalterisch wirksames Detail wirkt. Die horizontale Gliederung der Holzfassade lockert in Kombination mit beweglichen Sonnenschutz-Schiebelementen das eher strenge Erscheinungsbild des Holzbaus auf. Die hinterlüftete prägende Außenhaut mit vor Ort montierter, vorvergrauter Weißtannenfassade aus dem Nordschwarzwald wurde bewusst nicht vorgefertigt, um eine edlere Oberfläche in kontinuierlicher Reihung der unterschiedlichen Brettbreiten zu erzielen. Die Montagezeit wurde parallel zur Innenausbauphase terminiert, sodass sich die Bauzeit nicht verlängerte.

Die Wände und Decken wurden als Brettsperrholzelemente geliefert und eingebaut. Durch die vier- und fünfgeschossigen Baukörper mit einer Grundfläche von 363 m² und 384 m² und einer Höhe von ca. 12 m und 15 m entstand ein Bedarf von 1.181 m³ Konstruktionsholz. Das Projekt wurde mit einer Bauzeit ab Fertigstellung Fundamente bis Fertigstellung Gebäude von 13 Monaten kalkuliert. Bei Beginn der Arbeiten waren bereits die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Pandemie zu spüren, in der Endphase des Projekts ab Frühjahr 2022 kamen noch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges hinzu. Trotzdem ist es bei diesem Projekt gelungen, im Bauzeitenvergleich zur Vorgabe mit einer Verlängerung von zwei Monaten, also insgesamt 15 Monaten, eine deutliche Bauzeitverkürzung gegenüber dem konventionellen Erfahrungswert von 24 Monaten zu erzielen.

Projektdetails


Bauform
Wohngeschosse: Reine Holzbauweise
Untergeschoss/Laubengang: Massivbau aus Betonfertigteilen und -Halbfertigteilen
Rohbau-/Betonbau
Grötz GmbH & Co. KG, www.groetz.de
Bauherr
STADTBAU GmbH PFORZHEIM
www.stadtbau-pforzheim.de
Wohnfläche
3.240 m²
Architektur, Planung und Bauleitung
as Planungsgesellschaft mbH
www.as-planer.de
Anzahl Wohneinheiten
49 Wohnungen (5 Einzimmerwohnungen,
20 Zweizimmerwohnungen, 16 Dreizimmerwohnungen, 8 Vierzimmerwohnungen)
Tragwerksplanung
Bugenings Eisenbeis Ingenieure
www.bugenings.de
Baukosten
STADTBAU-Investition: 13 Mio. Euro
Bauphysik, Brandschutz
bauart Konstruktions GmbH & Co. KG
www.bauart-konstruktion.de
Konstruktion
1.200 m³ Konstruktionsholz aus heimischen Nadelwäldern, energetischer Standard: KfW 40
Haustechnikplanung und -Bauleitung
P&H Hönes GmbH, www.pundh.info
EnEV 2014
Primärenergiebedarf: 24 kWh/(m²a)
Endenergiebedarf: 47 kWh/(m²a)
Holzbau Vorfertigung, Montage
Holzbau Großmann
www.holzbau-grossmann.de

Die Autorin


Dr. Ana Kugli
Ana Kugli ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Seit 2004 ist sie unter dem Namen „Wortkultur“ als Texterin und Autorin tätig. Für Unternehmen und Agenturen erstellt sie Print- und Onlinetexte aller Art. Im Juni 2020 gründete sie mit einem Fotografen zudem die GbR ton-bild-schau.de, die Audio- und Videoformate für Unternehmen entwickelt und produziert.

www.wortkultur-online.de

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