Serielle Sanierung: Förderungen und rechtlicher Rahmen

Serielle Sanierung: Förderungen und rechtlicher Rahmen

Kosten & Finanzierung

Serielle Sanierung: Förderungen und rechtlicher Rahmen

Text: Jens Hakenes | Foto (Header): © EBENART – stock.adobe.com

Der Bedarf an Sanierungen von Gebäuden ist groß. Stark gestiegene Energiepreise haben den Druck weiter erhöht. Auch in Deutschland könnte die serielle Sanierung ein wichtiger Baustein dafür sein, wie immer mehr Pilotprojekte zeigen. Doch es gibt noch einige Knackpunkte.

Auszug aus:

Auch um die Klimaziele zu erreichen, müssen vor allem bestehende Gebäude saniert werden – und zwar in sehr viel größerer Zahl als bisher. Rund 21 Mio. Gebäude gibt es in Deutschland. Pro Tag müssten laut Deutscher Energie-Agentur (dena) etwa 2.000 Häuser saniert werden, um sie rechtzeitig klimaneutral zu machen. Das sind etwa viermal so viele wie bisher.

Mit herkömmlichen Methoden ist das nicht zu schaffen. Aber es gibt funktionierende Alternativen, wie ein Blick in die Niederlande zeigt. Dort ist das serielle Sanieren schon lange keine Neuheit mehr. Und unsere Nachbarn haben deutlich mehr vorzuzeigen als ein paar Pilotprojekte. Mehr als 10.000 Wohneinheiten sind bereits klimaneutral saniert. Zum Vergleich: In Deutschland sollen es bis zum Ende dieses Jahres gerade mal 2.000 sein.

Seriell sanieren heißt, vorhandene Gebäude mit vorgefertigten großflächigen Modulen für Fassade, Dach und Haustechnik zu erneuern. Der Großteil der Sanierung findet nicht mehr am Gebäude vor Ort statt, sondern in einer Werkshalle; bestenfalls nicht allzu weit entfernt. Dort werden nach digitaler Vermessung und Planung die Einzelteile wie Fenster und Dämmung zusammengefügt, anschließend zum Gebäude transportiert und dort innerhalb kurzer Zeit montiert. So lassen sich Gebäude wesentlich schneller und potenziell auch kostengünstiger sanieren, ohne die Nutzer monatelang durch Lärm, Dreck und Gerüste zu belasten.

Sinkende Kosten und Bauzeiten

Zu den potenziell niedrigeren Kosten ist ein weiterer Blick zu den Nachbarn nötig. Denn hierzulande sind die ersten seriellen Sanierungen, wie bei Pilotprojekten üblich, noch deutlich teurer als herkömmliche Sanierungen. In den Niederlanden wurden bereits Kosten von weniger als 1.000 Euro pro m2 erreicht, für einen Nullenergiehaus-Standard wohlgemerkt. Im Vergleich dazu lagen die Kosten für herkömmliches Sanieren (mit schlechterem energetischen Standard) zwischen 500 und 1.400 Euro. Für Kalkulationen sind diese Erfahrungswerte wegen der inzwischen stark gestiegenen Baupreise nicht mehr zu gebrauchen. Aber sie zeigen bei einem ausgereiften Prozess eine klare Tendenz für sinkende Kosten von seriellen Sanierungen – zusätzlich zum gewaltigen Energiesparpotenzial, das ein weiterer wichtiger Teil der Kalkulation ist.

In Sachen Geschwindigkeit können die deutschen Pilotprojekte dagegen schon mithalten mit den Niederlanden und ihrer erfolgreichen „Energiesprong“- Initiative. Bei einer seriellen Sanierung in Mönchengladbach hat es z. B. nur vier Monate gedauert – vom Vermessen im September bis zur schlüsselfertigen Übergabe im Dezember 2022. Experten wie Uwe Bigalke von der dena halten eine noch höhere Sanierungsgeschwindigkeit für möglich: Für ein Mehrfamilienhaus mit 20 Wohneinheiten etwa könnten in Zukunft auch zwei Monate ausreichen (mit nur einem Tag für die Montage vor Ort).

Neue Hauptrollen für Architekten und Wohnungswirtschaft

Die ersten deutschen Pilotprojekte zeigen auch, dass sich durch die serielle Sanierung neue Chancen für Architekten und die mittelständische Wohnungswirtschaft wie Genossenschaften oder kommunale Wohnungsunternehmen ergeben. So hat bei der ersten seriellen Sanierung im Rheinland ein Architekturbüro den ursprünglich vorgesehenen Anbieter einer Gesamtlösung ersetzt. Die in Köln-Zollstock gesammelten Erfahrungen dienen den Architekten nun zur Konzept- und Produktentwicklung statt nur zur klassischen Architektur: für einen digitalen Planungsbaukasten, der Schritt für Schritt durch den Prozess einer seriellen Sanierung führt und deren Besonderheiten verdeutlicht. Als Auftraggeber konnte eine vergleichsweise kleine Genossenschaft erstens eine große Innovation realisieren und zweitens frühzeitig Erfahrungen sammeln, um sie vor vielen anderen Wohnungsunternehmen für weitere Teile des eigenen Bestands anzuwenden.

Mögliche Förderungen

Bundesweite Förderung für die serielle Sanierung gibt es seit Mai 2021. Bis zum Beginn dieses Jahres richtete sie sich jedoch ausschließlich an Unternehmen, Organisationen und Genossenschaften. Sie war zudem nur für technische und konzeptionelle Innovationen zur seriellen Sanierung verfügbar, nicht für die Umsetzung selbst. Mit der zum 1. Januar erweiterten „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) sind spezielle Fördermittel des Bundes erstmals auch für Privatpersonen und für die konkrete Umsetzung zu haben.

Der Förderbonus von 15 % ergänzt den üblichen Tilgungszuschuss für ein Effizienzhaus 55 oder 40. Außerdem kann er kombiniert werden mit anderen Bausteinen der BEG, wie der Erneuerbare-Energien-Klasse (EE-Klasse) und dem Bonus für „Worst Performing Buildings“ (WPB) mit jeweils 5 %. Daraus ergibt sich ein maximaler Zuschuss von 40 bis 45 %. Genutzt werden können auch Zuschüsse des BAFA und regionale Fördermittel. Einfach zu beantragende Fördermittel von Bundesländern und Kommunen für die serielle Sanierung sind jedoch nach wie vor sehr selten. Vorreiter ist hier Baden-Württemberg, wo es bereits seit 2019 Zuschüsse gibt. In Niedersachsen bzw. in der Region Hannover gibt es inzwischen immerhin eine Initiative zur Förderung der seriellen Sanierung. In anderen Bundesländern und Kommunen fehlt es noch an entsprechenden Netzwerken, Förderprogrammen und auch notwendigen rechtlichen Initiativen.

1 | Bundesweite Förderung für die serielle Sanierung gibt es seit Mai 2021.
FOTO: EIGENS – STOCK.ADOBE.COM

Wenige Fortschritte beim rechtlichen Rahmen

Stadtplaner und Verwaltungen können mit den deutschen Pilotprojekten ebenfalls erste Erfahrungen sammeln – und sind wie auch Architekten und andere beteiligte Unternehmen inzwischen besser aufgestellt als zuvor. Doch noch hat es nicht mal in allen Bundesländern eine serielle Sanierung gegeben, geschweige denn zumindest in den größten Kommunen eines jeden Landes. Vor allem im Osten Deutschlands und in Bayern ist die deutsche „Energiesprong“-Karte noch weitgehend leer.

Fehlende Erfahrungen in der Fläche sind ein Problem. Denn die unterschiedlichen Landesbauordnungen und Brandschutzverordnungen sind oft eine große Hürde fürs serielle Sanieren. Das hat eine Studie von co2online und anderen Akteuren für das Umweltbundesamt bereits im Jahr 2021 festgestellt. Je nach Bundesland müssen sich Planer und Anbieter auf unterschiedliche rechtliche Vorgaben einstellen. Das erschwert das möglichst einheitliche modulare Vorfertigen von Modulen für Fassade, Dach und Haustechnik sehr – oder macht länderübergreifende Angebote sogar unmöglich.

Auch die digitale Planung einer seriellen Sanierung als zweiter wichtiger Teil des beschleunigten Prozesses stößt oft an ihre Grenzen. Denn aus dem schnellen digitalen Verfahren wird bei der Baugenehmigung häufig wieder ein langsames manuelles Verfahren: in Papierform und mit einzureichenden PDF-Dateien. Wesentlich schneller wären bundesweit digitale Baugenehmigungsverfahren. Auch das Prüfen der Unterlagen wäre teilautomatisiert möglich. Wie wichtig die Digitalisierung insgesamt für einen klimaneutralen Gebäudebestand ist, zeigt ein aktuelles Papier der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF). [1]

Doch nicht nur für Planung und Vorfertigung ist der rechtliche Rahmen problematisch. Auch für den wichtigsten finanziellen Baustein einer seriellen Sanierung gibt es Hürden. Was in den Niederlanden bereits seit vielen Jahren erfolgreich umgesetzt wird, ist in Deutschland noch immer nicht zulässig: Die Sanierungskosten können durch den sinkenden Energieverbrauch des Gebäudes nicht einfach ausgeglichen werden. Denn die Versorgung mit Strom und Wärme ist hierzulande in vermieteten Gebäuden streng voneinander zu trennen. So können die niedrigeren Kosten für Energie nicht dazu genutzt werden, die Kosten für die Sanierung auf möglichst einfachem Wege auszugleichen. Dazu müssten sie nämlich erfolgsbasiert umlagefähig sein, d. h. auf die Miete umgelegt werden können. Für den verstärkten Einsatz von Photovoltaik wäre es zudem sinnvoll, den Stromverbrauch als Teil der Nebenkosten abrechnen zu können.

Obwohl diese Hürden beim rechtlichen Rahmen für serielle Sanierungen bereits seit Jahren bekannt sind, gibt es dort immer noch wenig Bewegung. Zwar sind einzelne Verbesserungen wie bei der Photovoltaik und beim Mieterstrom erkennbar und es gibt Absichtserklärungen für vereinfachte Bauordnungen. Aber für einen flächendeckenden verstärkten Einsatz der seriellen Sanierung reicht das noch nicht aus. Immerhin könnte die neue BEG den Mehraufwand durch den veralteten rechtlichen Rahmen zumindest teilweise ausgleichen. Das volle Potenzial wird sich aber nur erschließen lassen, wenn der rechtliche Rahmen angepasst wird, um die Kosten weiter zu senken und die Geschwindigkeit deutlich zu erhöhen: von weniger als 2.000 pro Jahr auf 2.000 pro Tag.

Studie
Die von co2online u. a. für das Umweltbundesamt erstellte Studie „Serielle Sanierung in Europa und Deutschland“ ist unter www.umweltbundesamt.de/publikationen abrufbar.

Quellen


[1] deneff.org/50-milliarden-heizkosten-waeren-leicht-vermeidbar-gewesen-politik-muss-jetzt-handeln
(zuletzt eingesehen am 03.03.2023)

Der Autor


Jens Hakenes
u. a. für co2online tätig. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft aus Berlin macht sich mit mehr als 50 Energie- und Kommunikationsexperten seit 2003 mit Kampagnen, Energierechnern und PraxisChecks stark dafür, den Strom- und Heizenergieverbrauch in privaten Haushalten auf ein Minimum zu senken.

www.co2online.de

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