Mietnebenkostensenkung durch Grauwassernutzung: Sparen ohne Verzicht auf Komfort

Mietnebenkostensenkung durch Grauwassernutzung: Sparen ohne Verzicht auf Komfort

Kosten & Finanzierung

Mietnebenkostensenkung durch Grauwassernutzung: Sparen ohne Verzicht auf Komfort

Text: Klaus W. König | Foto (Header): © BERLINOVO

Wasser- und Wärmerecycling in derselben Anlage, ohne Komforteinbuße. Was wie Wunschdenken aussieht, wird im Wohnungsbau bei einzelnen Objekten seit 10 Jahren mit Erfolg praktiziert: Die Mietnebenkosten sinken deutlich, die Aufbereitung ist einfach – z. B. beim Neubau von Studenten-Apartments in Berlin.

Auszug aus:

Zum Tag des Energiesparens am 5. März 2022 forderte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in einer Pressemitteilung [1] dazu auf, Wärmelecks in der Gebäudetechnik zu schließen. Denn über das nur 150 mm enge Abwasserrohr entweiche mehr Energie als über die gesamte Außenhülle eines gut gedämmten Mehrfamilienhauses. „Eine dezentrale Wärmerückgewinnung aus häuslichem Abwasser kann viel Energie und Geld sparen“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Außerdem erwärmen sich Städte weniger, der Ausstoß des Treibhausgases CO² wird vermindert. Beides dient dem Klimaschutz.“ Hinzu kommt: Wenn das Abwasser aus Badewanne, Dusche, Handwaschbecken sowie Wasch- und Geschirrspülmaschinen noch gereinigt und für die Toilettenspülung genutzt wird, kann zusätzlich Trinkwasser eingespart werden. Doch daraus wird wohl nichts, ohne ein starkes Signal aus der Politik.

Wer finanziert das zweite Leitungsnetz?

Das erforderliche zweite Leitungsnetz verursacht zunächst Mehrkosten beim Bau. Alleine durch private Initiative ist in dem durch Kostensteigerungen gebeutelten Wohnungsbau ein schnell wirksamer und flächendeckender Erfolg nicht zu erwarten. Von gesunkenen Mietnebenkosten profitieren schließlich nicht die Investoren, sondern die Mieter. Anders bei Hotels und Heimen, die inklusive Wasser und Energie abrechnen, z. B. bei der 7-geschossigen Berlinovo-Apartmentanlage für Studenten in Berlin-Pankow. Die Module für das Objekt wurden nach 90%iger Vorfertigung in der Deutschen Modulhausfabrik GmbH teilmöbliert auf die Baustelle gebracht und montiert [2]. So konnte unter anderem das zweite Leitungsnetz für die Sammlung von Grauwasser und die Verteilung von Betriebswasser in die Leitungsschächte der Modultypen optimal und preiswert integriert werden.

Sehr gute Amortisation bei Heimen und Hotels

Überwiegend haben die 399 Apartments für Studenten 16 m² Fläche, einige sind doppelt so groß und werden an zwei Personen vermietet, insgesamt 442 Bewohner. Nutzungsart und Bewohnerdichte sind mit der eines Hotels vergleichbar. Damit ist, bezogen auf die Gesamtfläche des Gebäudes, der Trinkwasserbedarf sehr hoch. Das heißt, Wassersparmaßnahmen ergeben nicht nur Sinn, sie zahlen sich auch aus – vor allem, wenn gleichzeitig Wärme zurückgewonnen wird und die Bewohner keinerlei Einschränkungen spüren. Die täglich anfallende Abwassermenge aus den Duschen und Handwaschbecken (Grauwasser) ist hier höher als der tägliche Bedarf für die Toilettenspülungen. Und das ist unabhängig vom Grad der Belegung des Hauses. Vorteil: Es reichen relativ kleine Vorratsspeicher aus, da schnell und ausreichend mit „Nachschub“ zu rechnen ist. Auch muss die zurückgewonnene Wärme nicht lange zwischengespeichert werden [3].

Insgesamt also ideale Verhältnisse für ein rentables Recycling. Schon zu Beginn der Belegung mit 40 % Bewohner erwirtschaftete die Anlage fünf Mal mehr Energie als zum gesamten Betrieb des Recyclings erforderlich. Das spart bei der Trinkwassererwärmung stetig 20 % Energie. Und pro Person ist der Frischwasserbedarf um 30 % gesunken, damit auch die Trink- und Abwassergebühren. Der Überschuss an aufbereitetem Grauwasser, Betriebswasser genannt, wird als Abwasser abgeleitet, da kein weiterer Bedarf besteht. Es könnte zur Bewässerung von Außenanlagen oder Gründächern oder für Waschmaschinen genutzt werden.

1 | Wassereinsparung an 10 Tagen im Mai 2022, während erst 40 % der 399 Apartments belegt sind. Statt 23 m³ pro Tag werden nur 15 m³ Trinkwasser gebraucht, da 8 m³ Betriebswasser aus Grauwasser gewonnen und für die Toilettenspülung verwendet werden. Das ist eine Einsparung von 35 %.
GRAFIK: NOLDE

Beitrag zum Erreichen des Effizienzhausstandards

Grundsätzlich besteht die attraktive Möglichkeit, die Grauwasseraufbereitung in der Planungsphase zum Erreichen eines höheren Energiestandards, hier z. B. BEG-Effizienzhaus 55, anzusetzen. Ist damit ein Zuschuss verbunden, darf der zum Teil in die Amortisation der Grauwasseranlage eingerechnet werden. Außerdem bleibt, selbst wenn das Gebäude nicht auf Nachhaltigkeit zertifiziert ist, eine deutliche Verkehrswerterhöhung für mehrere Jahrzehnte. Denn kontinuierlich, ohne dass die Bewohner etwas davon merken, bleiben die Betriebskosten niedrig. „Eine detaillierte Auswertung der tatsächlichen Einsparungen wird nach einem Jahr Regelbetrieb bei voller Belegung des Hauses erfolgen, voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2023“, sagt Erwin Nolde. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei „Nolde – innovative Wasserkonzepte GmbH“ und Planer dieser Anlage.

Wirbelbettverfahren, minimaler Wartungsaufwand

Nolde ist spezialisiert auf die Planung objektbezogener Anlagen. Er realisiert diese in Zusammenarbeit mit Rudi Büttner, Inhaber der Lokus GmbH, der die Technik installiert. Beide bevorzugen für die Grauwasseraufbereitung das Wirbelbettverfahren, welches sowohl wenig Energie als auch wenig Wartung benötigt und sich seit mehr als 20 Jahren bei unterschiedlichen Objekten als sehr robust erwiesen hat. Das Reinigen des Grauwassers geschieht dabei in einem vollautomatischen, mehrstufigen und geschlossenen Recycling-Prozess, ohne chemische oder biologische Zusätze.

Das so entstandene Betriebswasser darf in Deutschland zur Gartenbewässerung, Toilettenspülung oder für die Waschmaschine verwendet werden.

Seit 2011 wenden Nolde und Büttner in der Abwasseraufbereitung zusätzlich das Prinzip „Internet of Things“ (IoT) an. Das heißt, dass sich die Anlagensteuerung selbst kontrolliert und Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder SMS an den Betreiber meldet. Die vernetzten Geräte stellen über das Internet eine Schnittstelle zur Verfügung, über die sie sich von einem beliebigen Ort aus bedienen und steuern lassen. Dadurch, so Nolde, konnten die Recycling-Erträge deutlich erhöht und der Wartungsaufwand gesenkt werden. Davon profitiert auch die Anlage im Apartmenthaus für Studenten der Berlinovo [3].

2 | Nach Probenahme im Technikraum: Das Betriebswasser aus dem aufbereiteten Grauwasser ist weder durch Geruch noch Optik vom Trinkwasser zu unterscheiden. Es passiert zum Abschluss der Reinigung einen Sandfilter und die UV-Desinfektion. Verwendung hier: Toilettenspülung.
FOTO: KÖNIG

3 | Strombedarf und Wärmeausbeute an 10 Tagen im Mai 2022, während erst 40 % der 399 Apartments belegt sind. Die Werte der gelben Kurven links in kWh/d belegen einen 5-fach höheren Wärmeoutput gegenüber der eingesetzten Elektro-Energie. Die schwarze Kurve zeigt dieses Verhältnis mit ca. 500 % rechts an.
GRAFIK: NOLDE

Faktencheck für Investoren und Planer

Grauwasserertrag, enthaltene Wärmeenergie sowie Betriebswasserbedarf unterliegen nutzerbedingt und jahreszeitlich Schwankungen. Die Anlagenplanung muss deshalb objektspezifisch von einem erfahrenen Büro durchgeführt werden. Doch welche sind die geeigneten Objekte, wer die typischen Auftraggeber? Grauwasserrecycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Bewohner in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind – z. B. in Hotels, im mehrgeschossigen Wohnungsbau oder in Wohnheimen. Weitere Voraussetzungen für Wasserrecycling mit Wärmerückgewinnung sind die frühe Einbeziehung der Idee in die Gebäudeplanung und die getrennte Erfassung von Grauwasser (aus Duschen und Badewannen, eventuell auch aus Waschmaschinen) und sonstigem Abwasser. Beides gelingt am besten bei Neubau und Kernsanierung.

Die Auswertung realisierter Projekte mit den rein biologisch arbeitenden Wirbelbettanlagen ergibt:

  • Im Wohnungsbau besteht großes Einsparpotenzial, bundesweit.
  • Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser deutlich mehr Energie als zum Betrieb der Anlage benötigt wird.
  • Die höchsten Wärmeerträge fallen erfreulicherweise in den Wintermonaten an, in denen das Trinkwasser besonders kalt ist und die Sonne weniger Erträge über Solarthermie und Photovoltaik bringt.
  • Der Platzbedarf für die Aufbereitungsanlage, meist im Untergeschoss eines mehrgeschossigen Gebäudes, beträgt nur ca. 0,1 m² pro Bewohner, also kaum mehr als die Fläche eines DIN-A4-Blatts.
  • Die Investitionskosten liegen je nach Apartmentgröße bei 10 – 20 €/m² Wohnfläche. Sie amortisieren sich in wenigen Jahren, denn die Technik ist besonders wartungsarm. Der rasante Anstieg aktueller Energiepreise verkürzt die Amortisationszeit zusätzlich.
  • Die Betriebskosten bleiben dauerhaft niedrig, denn Fernüberwachung mit einer speziellen App erspart Anfahrten zur Inspektion. Außerdem kann damit ein verändertes Nutzerverhalten jederzeit festgestellt und der Anlagenbetrieb, falls erforderlich, sofort angepasst werden.

Im internationalen Vergleich liegen Deutschland und England bei Wasserrecycling im Wohnungsbau vorne. Wird dabei noch Wärme in einer Dimension wie hier zurückgeholt, nimmt das Projekt weltweit einen Spitzenplatz in der Kategorie „völlig ohne Komfortverlust für die Bewohner“ ein.

4 | Grauwasseraufbereitung mit Wärmerückgewinnung für 399 Studenten-Apartments in Berlin-Pankow. Die Reinigung des Grauwassers geschieht im Wirbelbettverfahren, einem vollautomatischen, mehrstufigen und geschlossenen Recycling-Prozess, ohne chemische oder biologische Zusätze.
GRAFIK: NOLDE

Gut zu wissen
EEWärmeG: Die Nutzung der Abwärme kann zur Erfüllung des EEWärmeG als Ersatzmaßnahme angesetzt werden.

Finanzierung: Für Wasserrecycling mit integrierter Wärmerückgewinnung werden in Berlin Contracting-Modelle angeboten und bereits praktiziert.

Gebäudezertifizierung: Wasserrecycling und Wärmerückgewinnung bringen Credit Points für die Gebäudezertifizierung nach DGNB, BREEAM, LEED etc.

Klimaschutz: Das Verfahren des dezentralen Wasserrecyclings in Kombination mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser deutlich mehr Energie als zum Betrieb der Anlage benötigt wird. Es wirkt durch diesen Energie-Überschuss und die damit verbundene CO²-Einsparung positiv auf das Klima.

Quelle: Nolde – innovative Wasserkonzepte GmbH

Projektbeispiele mit Wirbelbettverfahren
Studentenapartments in 13189 Berlin (seit 2021): 442 Wohnplätze in 399 Apartments, Einsparung: Auswertung nach Normalbelegung voraussichtlich 2. Hj. 2023

Wohneigentümergemeinschaft in 10179 Berlin (seit 2018): 66 WE, Einsparung: 1,4 Mio. l/a Wasser

Mietshaus in 60487 Frankfurt (seit 2016): 27 WE, Städtische Wohnungsbaugesellschaft FAAG, Einsparung: 0,8 Mio. l/a Wasser + 14 MWh/a Wärme

Wohneigentümergemeinschaft in 10405 Berlin (seit 2014): 14 WE, Einsparung: 0,5 Mio. l/a Wasser

Mietshaus in 10439 Berlin (seit 2012): 123 Bewohner, 4 Gewerbeeinheiten, 4.600 m² Wohn- und 600 m² Gewerbefläche, Einsparung: 1,3 Mio. l/a Wasser + 12 MWh/a Wärme

Wohneigentümergemeinschaft in 10963 Berlin (seit 2006): 73 WE, Einsparung: 2,6 Mio. l/a Wasser

Technisches Regelwerk
DIN EN 16941-2 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 2: Anlagen für die Verwendung von behandeltem Grauwasser“, erschienen in der deutschen Fassung im Beuth Verlag, Berlin, im November 2021

Merkblatt DWA-M 277, Hinweise zur Auslegung von Anlagen zur Behandlung und Nutzung von Grauwasser und Grauwasserteilströmen, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef, Oktober 2017

fbr-Hinweisblatt H 202, Grauwasser-Recycling, Planungsgrundlagen und Betriebshinweise, Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V. (fbr), Darmstadt, Oktober 2017

Quellen


[1] Jongebloed, K.: Wärmelecks in der Gebäudetechnik schließen (idw-online.de). Pressestelle DBU, 2022
[2] www.lechner-cube.de
[3] www.youtube.com/watch?v=XmOWOSikr_s (450 Betten studentisches Wohnen mit Wasser- und Wärmerecycling) Video zum Grauwasser-Recycling bei den 399 Apartments der Berlinovo in Berlin-Pankow, 09.05.2022

Der Autor


Dipl.-Ing. Klaus W. König
Klaus W. König war 20 Jahre als Architekt selbstständig und ist heute Fachjournalist und Buchautor, speziell zur wasserorientierten Stadtplanung und zur energiesparenden Bautechnik. Er ist Mitarbeiter im DIN-Ausschuss Wasserrecycling/Regen- und Grauwassernutzung sowie Gründungsmitglied des gemeinnützigen Bundesverbandes für Betriebs- und Regenwasser e. V. (fbr).

www.klauswkoenig.de

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