Holz-Beton-Hybridbauweise: Viergeschosser im neuen Quartier

Holz-Beton-Hybridbauweise: Viergeschosser im neuen Quartier

Realisierte Objekte

Holz-Beton-Hybridbauweise: Viergeschosser im neuen Quartier

Text: Marc Wilhelm Lennartz | Foto (Header): © Stefan Josef Müller

In Niedersachsen wurden auf altem Baugrund drei Mehrparteienhäuser errichtet, die mit flexiblen Wohnungszuschnitten für unterschiedliche Nutzer aufwarten. Sie verbinden dabei das Soziale mit dem Ökologischen und setzen in ihrer Bauweise auf Holz und Beton.

Auszug aus:

In Braunschweig ist die zentral gelegene Wilhelm-Bracke-Gesamtschule migriert und an anderer Stätte neu gebaut worden. Auf dem dadurch frei gewordenen Baugrund in bester Lage in der Weststadt ist das Quartier am Alsterplatz entstanden. Das über 3 ha große Areal wurde von der kommunalen Nibelungen Wohnungsbaugesellschaft als neues Stadtviertel beplant und entwickelt. Aufgrund der stadtbekannten Lage mit hohen Wohnumfeldqualitäten – die Weststadt wird von ausgedehnten Grünflächen wie Parks, Kleingartenanlagen und Wäldern umsäumt – und einer siedlungsstrukturell gesicherten Stabilität, konnten die Neubewohner problemlos gewonnen werden. Der Vorteil für sämtliche Planungsbeteiligten lag in der vorhandenen, langjährig gewachsenen Infrastruktur: darunter eine fußläufige Straßenbahn-Haltestelle, unmittelbare Einkaufsmöglichkeiten des täglichen und mittelfristigen Bedarfs, ärztliche Versorgung, diverse Schulen und Freizeitmöglichkeiten für Kinder sowie der nahegelegene Anschluss an die Autobahn 391. Aus dieser nahezu idealen Ausgangslage resultierte die Bauhauptaufgabe, die Neubauten architektonisch, sozial und öko­nomisch in das Bestandsgefüge zu integrieren.

Single-, Pärchen- und Familienwohnungen In dem neuen Quartier am Alsterplatz leben rund 500 Menschen aus sämtlichen Einkommens- und Altersklassen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen – inklusive einer Kita und einer Wohnpflegegemeinschaft für betreutes Wohnen. Dabei reicht das Wohnraumspektrum von Single- über Pärchen- bis zu Familienwohnungen mit fünf Zimmern, darunter 36 Eigentumswohnungen, 118 Mietwohnungen mit einer Grundkaltmiete von 10 Euro/m², und 64 öffentlich geförderten Einheiten. Von den insgesamt 218 Wohnungen sind 36 barrierefrei, sodass auch Menschen mit Handi­cap hier einziehen können. Ferner gehören Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Kinderwagen und Rollatoren zum Standardrepertoire. Die Durch­mischung folgt dem erklärten Ziel, eine soziale Nachbarbarschaft zu fördern, die nicht zuletzt in halböffentlichen Grünräumen mit Aufenthaltsqualität gelebt werden kann. Dem Baufeld wurde an der Nordseite des Alsterplatzes ein mehrgeschossiger Mischnutzungs-Gebäuderiegel mit zusätzlichen Gewerbeeinheiten vorangestellt, darunter eine Gastronomie, eine Bäckerei, eine Bank und mehrere Arztpraxen, ergänzt von gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen.

1 | Grundriss EG, Gebäude D
Abbildung: CKRS Architekten

Drei Holz-Beton-Hybridbauten

Die Berliner CKRS Architekten haben im Zuge des städtebaulichen Wettbewerbs drei viergeschossige Gebäude mit 80 Wohneinheiten in hybrider Bauweise vornehmlich aus Holz und Beton geplant: zwei Zeilenbauten und einen Riegel als Mehrparteienhaus mit hauptsächlich Maisonette-Wohn­ungen in den Einzelmaßen (L) 55 × (B) 12,50 m, deren Fußbodenhöhe der obersten Wohngeschosse ca. 9,30 m beträgt. Damit tragen sie zum einen einer umweltfreundlichen Bauweise Rechnung, und zum anderen vermochten sie die Baukosten im Rahmen zu halten, was den sozialen Faktor berücksichtigt hat. Den Einsatz der Baustoffe je Gewerk leiteten die Fachplaner von den architektonischen, konstruktiven und bauphysikalischen Qualitäten ab, wie auch von den zeitlichen Verfügbarkeiten und deren Preis. Daraus resultierte ein konstruktiver Verbund, bei dem die verschiedenen Materialien mit ihren Stärken vorteilhaft zusammengefügt wurden. Beim Holz standen z. B. dessen hohe Zugfestigkeit bei vergleichsweise geringem Eigengewicht sowie eine schnelle und trockene Montage im Vordergrund. Beton hingegen verfügt z. B. bei Decken über bessere Werte im Schwingungsverhalten und beim Lärmschutz als das Holz, zugleich sind Betondecken gegenüber Flammen sehr resistent. Demzufolge bestehen die tragenden Bauteile wie z. B. Wände, Decken, Aufzugsschächte und Treppenhäuser aus Stahlbeton, während die Außenwände in hochgedämmter Holzrahmenbauweise mit Lärchenholzbekleidung als Vorhangfassade ausgeführt wurden.

2 | Konstruktionsprinzip
Abbildung: CKRS Architekten

3 | Die Laubengangerschließung fördert nachbarschaftliche Begegnungen.
Foto: Stefan Josef Müller

Stahlbeton-Skelett mit holzbaulicher Gebäudehülle

Die Gründung der drei versetzt zueinander errichteten, unterkellerten Viergeschosser erfolgte auf Stahlbeton-Bodenplatten. Die Hybridbauten basieren auf einem Stahlbeton-Skelett als innen liegendem Primärtragwerk mit einer holzbaulichen Gebäudehülle. Die 24 cm dicken Innenwände, die für den vertikalen Lastabtrag verantwortlich zeichnen, führte man als Schotten aus, die je nach statischer Anforderung hauptsächlich aus Kalksandstein-Mauerwerk und in Teilen aus Ortbeton bestehen. Die quer zur Gebäudelängsachse parallel errichteten Schotten wurden wie auch die massiven Deckenverbünde als statisch wirksame Wand- bzw. Deckenscheiben angesetzt. Letztere spannen vor allem einachsig, sind 24 cm dick und wurden aus Ortbeton gegossen. Die Schottenbauweise gewährt den Wohnräumen einen hohen Lichteinfall, da die Außenwände ohne die Übernahme von Traglasten, z. B. bei der Platzierung der Fensterflächen, frei gestaltbar sind. So reichen die Wohnräume der größeren Wohnungen von der Nord- bis zur Südseite durch, die von jeweils bodentiefen Fenstern großzügig mit Tageslicht versorgt werden. Während die Erdgeschoss-Wohnungen über Terrassen mit kleinen Gärten verfügen, stattete man die Obergeschosse mit loggienartigen Balkonen aus, deren Fensterbereiche man mit beschichteten Dreischichtplatten aus Fichtenholz bekleidete. Ferner konnten die Wohnungen weitestgehend mit fließenden Übergängen nutzungsneutral angelegt werden, was der gewünschten Vielfalt an Bewohnern im neuen Kiez Rechnung trägt. Die Erschließung erfolgt über witterungsgeschützte Laubengänge, die von außenseitigen Stützen getragen werden. In den Giebelwänden wurden parallel zu den Schottwänden nur einzelne Stützen gestellt, um auch diese Außenwände in Holzrahmenbauweise errichten zu können. Dabei lockern Vor- und Rücksprünge in der Fassade die Laubengänge ein Stück weit auf, generieren private Eingangsbereiche und ermöglichen zugleich Nischen nachbarschaftlicher Kontakte. Die Dämmung der Stahlbetonwände der Treppenhäuser erfolgte mittels eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS), das final einen mineralischen Putz erhalten hat. Hingegen besteht die Achse der Laubengänge seitlich der Treppenhäuser aus beidseitig beplankten und vorelementierten Holzrahmenbauelementen.

4 | Die Obergeschosse sind mit loggienartigen Balkonen ausgestattet, deren Fensterbereiche mit beschichteten Dreischichtplatten aus Fichtenholz bekleidet wurden.
Foto: Stefan Josef Müller

5 | Die Erschließung erfolgt über witterungs­geschützte Laubengänge, die von außenseitigen Stützen getragen werden.
Foto: Stefan Josef Müller

Umlaufende Brandriegel aus verzinkten Stahlblechen

Die werkseitig von den Zimmerern vorgefertigten Außenwandelemente basieren auf einem bis zu 28 cm tiefen KVH-Rahmen, der brandschutzbedingt mit Steinwolle in ebendieser Stärke gedämmt wurde. Das Ständerwerk wird beidseitig von Gipsfaserplatten eingefasst. Nach außen folgen eine Konter- und Traglattung als hinterlüftete Unterkonstruktion für die abschließende Fassadenbekleidung. Diese besteht aus 22 mm dicken, mit einer alu-pigmentierten Lasur behandelten Lärchenholzbrettern mit Wechselfalz, die sichtbar mit Edelstahl-Linsenkopfschrauben befestigt wurden. Die sich innenseitig anfügende, ebenfalls mineralisch gedämmte Installationsebene in einem 70 mm starken Ständerwerk wurde auf der Baustelle von den Trockenbauern montiert. Damit konnten die bis zu 6,40 m langen und 2,70 m hohen Wandelemente ungestört, d. h. ohne Leitungsführungen durch die Wandebene, die Gebäudekörper unter Ausschluss der Entstehung von Wärmebrücken finalisieren. Dabei schließen die nichttragenden Außenwandelemente die Konstruktion geschossweise bis zu den Stahlbetondecken ab. Deren Ausführung als „feuerhemmend“ induzierte je Etage den Einbau umlaufender Brandriegel aus 1,50 mm dünnen, verzinkten Stahlblechen, die 5,00 cm über die Fassadenbretter auskragend im Brandfall das geschossweise Überschlagen der Flammen verhindern und aus der hinterlüfteten Fassade eine belüftete kreieren. In diesem Kontext fungieren die Stahlbeton-Balkonplatten der Südseite als Brandsperren.

6 | Je Etage verhindern umlaufende Brandriegel aus 1,50 mm dünnen, verzinkten Stahlblechen im Brandfall das geschossweise Über-
schlagen der Flammen.

Foto: Stefan Josef Müller

Quartieranschluss an BHKW-Fernwärme

Vom EG bis zum 2. OG haben die Wohnungen der drei Viergeschosser, die der Gebäudeklasse IV zugeordnet sind, Betondecken erhalten. Das 3. OG hingegen ziert eine sichtbare Balkendecke, die an Leimholzbindern angeschlossen wurde. Die Gefache zwischen den Balken wurden unterseitig mit Gipskartonplatten bekleidet, während oberseitig eine Lage OSB-Platten die Balkenkonstruktion abschließt. Darauf folgt eine EPS-Gefälledämmung mit 2° Neigung. Den wetterfesten Abschluss bilden an den Nähten miteinander luftdicht verklebte, zweilagige Bitumendachbahnen, auf die ein extensives Gründach aufgebracht wurde. Die Versorgung mit Heizenergie stellt der Quartieranschluss an BHKW-Fernwärme sicher, deren Verteilung entweder über Heizkörper oder via Fußbodenheizungen erfolgt. Die Warmwassererzeugung wird zum einen über Durchlauferhitzer sichergestellt und zum anderen über indirekt beheizte Speicher mit Zirkulationsleitungen. Die hybride Bauweise zeigt sich auch für die Zukunft gerüstet, da durch die Trennung der Fassade von der Tragstruktur das Design der Wohnräume bei Bedarf weitestgehend frei verändert werden kann, was unterschiedliche Nachnutzungen für diverse Haushaltsgrößen ermöglicht.

Projektdetails


Bauweise
Holz-Beton-Hybrid
Stahlbetonbau
HTI Hoch-, Tief- und Industriebau GmbH, Greußen (www.hti-greussen.de)
Bauherrschaft
Nibelungen-Wohnbau-GmbH, Braunschweig (www.nibelungen-wohnbau.de)
TGA-Planung
Ingenieurbüro Zammit GmbH, Salzgitter (www.ib-zammit.de)
Architektur
CKRS – Architektengesellschaft mbH, Berlin (www.ckrs-architekten.de)
Wärmeschutznachweis
Werner Genest und Partner Ingenieur­gesellschaft mbH, Berlin (www.genest.de)
Holzbau, Vorhangfassade:
Gebäude B1+B2
Fritz Kathe & Sohn GmbH, Vechta (www.kathe-holzbau.de)
Gebäude D
Haveloh GmbH, Ahaus-Alstätte (www.haveloh.de)
Brandschutzplanung
Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG, Gifhorn (www.kd-brandschutz.de)
Tragwerksplanung
Mathes Beratende Ingenieure GmbH, Leipzig (www.ming.de)

Kennzahlen


Bruttobauland Gesamtquartier
22.000 m²

Brutto-Grundfläche (BGF)
10.360 m²

Jahres-Primärenergiebedarf
63,43 kWh/m²

Jahres-Endenergiebedarf
67,58 kWh/m²

Baukosten (Kostengruppe 300 + 400)
11,89 Mio. Euro (brutto)

Der Autor


Marc Wilhelm Lennartz
Der Fachjournalist & Autor Marc Wilhelm Lennartz, Diplom-Geograph mit Schwerpunkt Städtebau & Siedlungswesen, lebt in der Eifel und publiziert seit über zwei Dekaden u. a. in den Fachbereichen Architektur, Holzbau, Gebäudetechnik, Wohnungswirtschaft, Baubiologie und Denkmalpflege.

www.mwl-sapere-aude.com

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