Energieausweis bei Umwidmung und Mischnutzung: Wohnen und Gewerbe

Energieausweis bei Umwidmung und Mischnutzung: Wohnen und Gewerbe

Energie, Technik & Baustoffe

Energieausweis bei Umwidmung und Mischnutzung: Wohnen und Gewerbe

Text: Peter Becker | Foto (Header): © ARTO – stock.adobe.com

Im Zuge der derzeitigen Bemühungen, Wohnraum zu schaffen, rückt die Mischnutzung verstärkt in den Fokus. Doch was ist bei Energieausweisen zu beachten, wenn es sich um eine derartige Nutzung handelt, d. h. wenn in einem Gebäude sowohl eine gewerbliche Nutzung als auch eine Wohnnutzung vorliegt? Und was passiert, wenn ein Nichtwohngebäude zu einem Wohngebäude umgewandelt wird? Ein Überblick.

Auszug aus:

Bedingt durch den hohen Bedarf an Wohnraum bietet es sich an, dass ungenutzte Nichtwohngebäude zu Wohngebäuden umgewandelt oder zumindest freie und ungenutzte Räume in Nichtwohngebäuden zu Wohnungen umgebaut werden. Doch welche Auswirkungen hat eine Umnutzung auf den Energieausweis und gibt es bei der Umwidmung eines Nichtwohngebäudes zu einem Wohngebäude eine Verpflichtung einen neuen Energieausweis auszustellen?

Die gesetzlichen Vorgaben für die Energieausweise werden in der Energieeinsparverordnung geregelt. Da die Gesetzestexte der Energieeinsparverordnung zum Teil Interpretationen zulassen bzw. nicht eindeutig definiert sind, hat die Fachkommission „Bautechnik“ der Bauministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Auslegungsfragen zur Energieeinsparverordnung bearbeitet. Die Auslegungsfragen  erden beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlicht, von denen inzwischen 24 Staffeln vorliegen. Mit den Auslegungen soll eine möglichst einheitliche Anwendung im Vollzug der Energieeinsparverordnung ermöglicht werden, sie sind jedoch nicht rechtsverbindlich. Für inhaltliche Fragen ist nicht das DIBt, sondern sind u. a. die Deutsche Energie-Agentur (dena) oder das Bundesinstitut für Bau‑, Stadt und Raumforschung (BBSR) Ansprechpartner.

Gesetzliche Vorgaben nach EnEV

Der Abschnitt 5 der Energieeinsparverordnung 2014/2016 (EnEV 2014/2016) regelt die gesetzlichen Vorgaben des Energieausweises mit den  §§ 16 bis 21. Im § 16 werden Ausstellung und Verwendung von Energieausweisen geregelt – wann ein Ausweis auszustellen und wem der Ausweis vorzulegen ist. Es wird festgelegt, dass für kleine Gebäude und für Baudenkmäler kein Energieausweis zur erstellen ist. Ferner wird in diesem Paragrafen geregelt, dass für Gebäude mit mehr als 250 m² Nutzfläche ein Energieausweis ausgehängt werden muss, wenn die Nutzflächen einen starken Publikumsverkehr haben, der auf behördlicher Nutzung beruht.

Im § 16 a erfolgen die gesetzlichen Vorgaben zu den Pflichtangaben in Immobilienanzeigen, die in kommerziellen Medien aufgegeben werden. Der § 17 beinhaltet die Grundsätze, welcher Ausweis – ob Energiebedarfsausweis oder Energieverbrauchsausweis – zulässig ist und wie die Daten erhoben werden können. Zur Unterstützung bei der Ausstellung von Energieausweisen wurde von den Bundesministerien Wirtschaft und Energie sowie Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Bekanntmachung zu den Regeln der Datenaufnahme und Datenverwendung bekannt gegeben. Die Bekanntmachungen regeln die Datenaufnahme und -verwendung für Wohngebäude und Nichtwohngebäude sowie für die Ausstellung von Verbrauchs- und Bedarfsausweisen. Ferner erfolgen im § 17 Hinweise zu Modernisierungsempfehlungen, der Gültigkeitsdauer von Energieausweisen und vor allem erfolgt der Hinweis, dass Energieausweise für ein Gebäude zu erstellen sind, mit dem Verweis auf den § 22 für gemischt genutzte Gebäude. Der § 18 regelt die Ausstellung auf der Grundlage des Energiebedarfs, der § 19 regelt die Ausstellung auf der Grundlage des Energieverbrauchs.

Kombination von Wohnen und Gewerbe

Der § 22 regelt die Ausstellung von Energieausweisen im Falle einer Mischnutzung von Gebäuden, d. h. wenn sowohl eine gewerbliche Nutzung als auch eine Wohnnutzung vorliegt:

„(1) Teile eines Wohngebäudes, die sich hinsichtlich der Art ihrer Nutzung und der gebäudetechnischen Ausstattung wesentlich von der Wohnnutzung unterscheiden und die einen nicht unerheblichen Teil der Gebäudenutzfläche umfassen, sind getrennt als Nichtwohngebäude zu behandeln.

(2) Teile eines Nichtwohngebäudes, die dem Wohnen dienen und einen nicht unerheblichen Teil der Nettogrundfläche umfassen, sind getrennt als Wohngebäude zu behandeln.

(3) Für die Berechnung von Trennwänden und Trenndecken zwischen Gebäudeteilen gilt in Fällen der Absätze 1 und 2 Anlage 1 Nummer 2.6 Satz 1 entsprechend.“

Aus der Lesart des Gesetzestextes ergeben sich einige Fragen: Was bedeutet, dass sich die gebäudetechnische Ausstattung nicht wesentlich von einer Wohnnutzung unterscheidet? Und was bedeutet „ein nicht unerheblicher Teil der Gebäudenutzfläche“? Um diese Fragen zu klären, erfolgte von der Fachkommission Bautechnik eine Auslegung zum § 22 EnEV 2009 mit der 11. Staffel, die auch für die EnEV 2014 ihre Gültigkeit hat, da sich der Paragraf inhaltlich nicht geändert hat.

Nach § 22 Abs. 1 EnEV wird ein gemischt genutztes Gebäude grundsätzlich als Wohngebäude behandelt. Nicht dem Wohnen dienende Teile eines Wohngebäudes müssen jedoch getrennt als Nichtwohngebäude behandelt werden, soweit sie sich hinsichtlich der Art ihrer Nutzung und der gebäudetechnischen Ausstattung wesentlich von der Wohnnutzung unterscheiden und einen nicht unerheblichen Teil der Gebäudenutzfläche umfassen. Das hat zur Folge, dass z. B. freiberufliche und freiberufsähnliche gewerbliche sowie sonstige Nutzungen, die üblicherweise in Wohnungen stattfinden können, dem Wohngebäude zugeordnet werden, obwohl es sich um keine Wohnnutzung handelt. Typische Wohnnutzungen wären somit Büros für Architektur, Arztpraxen, Rechtsanwaltskanzleien und dergleichen. Sollten also in einem Gebäude, das nach dem Grundsatz des § 22 vorerst als Wohngebäude zu betrachten ist, derartige gewerbliche Nutzungen vorliegen, dann ist für das Gebäude ein Energieausweis für Wohngebäude zu erstellen.

Wohnnutzung

Es wird definiert, dass die gebäudetechnische Ausstattung sich nicht wesentlich von der Wohnnutzung unterscheiden darf. Ist z. B. eine Arztpraxis mit einer Klimaanlage ausgestattet, läge die Klimatisierung noch im Bereich einer wohnüblichen Ausstattung. Ebenso verhält es sich mit den büroüblichen Ausstattungen, wie etwa einem Kopierer. Handelt es sich aber z. B. um einen Einzelhandel mit Kühlräumen, würde dies keiner wohnüblichen Ausstattung entsprechen, und somit würde das Gebäude aus einem Gebäudeteil Wohngebäude und Nichtwohngebäude bestehen – mit der Konsequenz, dass für das Gebäude ein Energieausweis Wohngebäude und ein Ausweis Nichtwohngebäude erstellt werden muss. Hierbei wären Kombinationen von z. B. Verbrauchsausweis Nichtwohngebäude und Bedarfsausweis Wohngebäude möglich. Es wäre je nach Einzelfall und Auftraggeber zu entscheiden, welche Ausweise für die einzelnen Gebäudeteile zu erstellen sind.

Gebäudenutzfläche

Ein weiterer Punkt, der zu klären ist, ist die Formulierung: „… einen nicht unerheblichen Teil der Gebäudenutzfläche …“. Hier gibt die 11. Staffel folgenden Hinweis: „Mit dem Flächenkriterium soll eine gesonderte Behandlung kleinerer Flächen vermieden werden. Ein bestimmter Prozentsatz der Fläche ist bewusst nicht vorgegeben worden, um den Anwendern genügend Flexibilität im Einzelfall zu geben. Die Untergrenze für die Anwendung des § 22 Absatz 1 EnEV ist also im Einzelfall zu konkretisieren. Als grobe Orientierung und Faustregel kann gelten, dass im Allgemeinen Flächenanteile bis zu 10 % der Gebäudenutzfläche (bei § 22 Absatz 2 der Nettogrundfläche) des Gebäudes noch unerheblich sind“ (so die Bundesregierung in der amtlichen Begründung der EnEV 2007). Keine Bedeutung kommt den baulichen Gegebenheiten wie dem Fensterflächenanteil zu. Diese Parameter führen zu keiner Differenzierung bei der Trennung der Gebäudeteile.

Gemischt genutztes Nichtwohngebäude

Im Gegensatz zu einem gemischt genutzten Wohngebäude, wird ein gemischt genutztes Nichtwohngebäude grundsätzlich als Nichtwohngebäude behandelt. Für Gebäudeteile, die dem Wohnen dienen, ist nur dann ein separater Energieausweis Wohngebäude auszustellen, wenn sie einen nicht unerheblichen Teil der Nettogrundfläche umfassen. Auch werden keine genauen Flächenanteile genannt, damit der Aussteller je nach Gegebenheit einen Interpretationspielraum hat, als Orientierung kann auch hier ein Flächenanteil von 10 % angenommen werden.

Umwidmung

Gemäß der EnEV und den Bekanntmachungen der Regeln zur Datenaufnahme und -verwendung gibt es keine direkten Hinweise zu einer Energieausweispflicht im Falle einer Umnutzung eines Nichtwohngebäudes zu einem Wohngebäude. Die EnEV 2014 geht zwar mit dem § 9 Abs. 3 auf Änderungen von Gebäuden ein, dabei geht es aber im Wesentlichen um Bauteiländerungen und nicht um eine sogenannte Umnutzung bzw. Umwidmung von Gebäuden.

Die Projektgruppe EnEV der Fachkommission „Bautechnik“ der Bauministerkonferenz ging mit Staffel 14 und 20 auf die Auslegung zu § 9 i. V. m. Anlage 3 EnEV 2013 (Nutzungsänderung und Umbau von Gebäuden) genauer ein und hat dabei die Frage beantwortet, welche Anforderungen die EnEV an Gebäude stellt, deren Nutzung geändert wird, ohne dass damit bauliche Änderungen verbunden sind.

Die Fachkommission legt diesbezüglich fest, dass in der Energieeinsparverordnung die bauliche Änderung an der Gebäudehülle und die Nutzungsänderung ohne bauliche Maßnahmen zu unterscheiden sind. An eine reine Nutzungsänderung, also eine Umnutzung eines Gebäudes ohne Erweiterung oder Aus- bzw. Neubau zusätzlicher beheizter oder gekühlter Räume und ohne Veränderung von Außenbauteilen, stellt die EnEV keine (neuen) Anforderungen. Dies gilt auch für Nutzungsänderungen, bei denen bislang niedrig beheizte Räume für die neue Nutzung auf ein normales Beheizungsniveau (d. h. von Innentemperaturen 12 bis < 19 °C zu Innentemperaturen ≥ 19 °C) gebracht werden.

Gäbe es eine Umnutzung des Gebäudes, bei der Teile der thermischen Gebäudehülle nach der EnEV Anlage 3 geändert wurden und keine Berechnung der Energiebilanz erfolgte, wäre auch in diesem Fall kein Energieausweis zu erstellen

Ausstellung neuer Energieausweise

Auf den ersten Blick bestände somit bei einer Umwidmung eines Nichtwohngebäudes zu einem Wohngebäude keine Pflicht, einen neuen Energieausweis Wohngebäude auszustellen. Es ist aber zu bedenken, dass nach Abschnitt 5 der EnEV 2014 den potenziellen Käufern und Mietern sehr wohl ein Energieausweis vorzulegen ist. Spätesten zu diesem Zeitpunkt ist es wohl kaum vertretbar, einen alten Energieausweis Nichtwohngebäude, der noch vor der Umwidmung ausgestellt wurden, den Käufern bzw. Mietern vorzulegen. Im Zuge der Umwidmung und spätestens zur Fertigstellung der Umwidmung zum Wohngebäude sollte daher ein Energieausweis Wohngebäude ausgestellt werden.

In der Regel werden mit der Umnutzung eines Nichtwohngebäudes zu einem Wohngebäude Außenbauteile bearbeitet und eventuell auch die vorhandene Anlagentechnik erneuert. In diesen Fällen wäre u. a. der § 9 EnEV 2014 und die Staffel 20 zu beachten, nach denen die Außenbauteile nach der EnEV erneuert werden müssen. Werden diese nicht nach Anlage 3 erneuert, würde eine Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs erfolgen – mit der Konsequenz, dass ein Energieausweis berechnet werden muss. Im Falle einer Erweiterung mit der Erneuerung der Heizungsanlage würde ebenfalls eine Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs erforderlich.

Förderung

Eine Umwidmung von einem Nichtwohngebäude zu einem Wohngebäude kann über die KfW gefördert werden. Wird eine bestehende, beheizte Nichtwohnfläche, wie z. B. Gewerbeflächen, zu Wohnraum umgebaut, kann ein Kredit 151/152 „Energieeffizient Sanieren“ oder ein Zuschuss 430 „Energieeffizient Sanieren“ beantragt werden. Sobald ein Effizienzhaus-Standard nachgewiesen werden muss, würde wieder eine Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs erfolgen. Handelt es sich bei der Umwidmung von einem unbeheizten Nichtwohngebäude, wie z. B. einer Scheune, zu Wohnraum, kann eine KfW-Förderung über den Kredit „Energieeffizient Bauen“ (153) erfolgen. Auch hier würde eine Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs erfolgen.

Der Autor


Dipl.-Ing. (FH) Peter Becker
Peter Becker ist Ingenieur für Architektur und Energieberatung. Weitere Qualifikationen folgten als Ausstellungsberechtigter für Bilanzierungen NWG nach DIN 18599 und als Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator nach RAB/Baustellenverordnung. Sein Büro für Architektur + Energieberatung ist spezialisiert auf Energieberatung, energetische Modernisierung und Instandsetzungen.

ww.architektur-energieberatung-becker.de

Alle Inhalte. Mehr Antworten.

Mit Q+ erhalten Sie sofort Zugriff auf:

✔ alle Inhalte aller vergangenen Ausgaben
✔ alle Inhalte zukünftiger Ausgaben

Jetzt 3 Monate testen!

nur 8€ 3 /Monat
(zzgl. MwSt.)

Jetzt testen

Sie haben bereits einen Zugang?

Icon