Universale Bäder: Heute für morgen bauen

Universale Bäder: Heute für morgen bauen

Energie, Technik & Baustoffe

Universale Bäder: Heute für morgen bauen

Text: Peter H. Spitaler | Foto (Header): © ARTWEGER.COM

Steigende Hygienestandards, moderner Lifestyle, verschiedenste Lebensabschnitte, höhere Lebenserwartungen, geringe Kosten und Nachhaltigkeit – in diesem Spannungsfeld liegen die Anforderungen an zeitgemäße Bäder. Damit Menschen möglichst lange und selbstbestimmt in ihrer Wohnung bleiben können, bedarf es universeller Sanitärkonzepte, die leicht an die Lebenssituationen anpassbar sind. Alternative Betreuungseinrichtungen sind teuer und gehen oft mit einem Verlust an Lebensqualität einher.

Auszug aus:

Ein Bad muss heute viel können, viel mehr als noch vor wenigen Jahren – sowohl im Wohnbereich, als auch in der Hotellerie. Beispielsweise wird in der Hotelbranche gerne viel in sanitäre Einrichtungen investiert. Neben der üblichen Saunalandschaft gibt es oft Wasserbecken, Erlebnisduschen, Entspannungsliegen, Musik und vieles mehr. Natürlich im zeitgemäßen Design mit einer Materialien- und Produktauswahl vom Feinsten. Das Bad im Hotelzimmer steht dem um nichts nach. Großzügig in der Fläche und top gestaltet. Denn das Designbad definiert dabei wesentlich die Zimmerqualität und somit auch den Preis. Kommt der Urlauber wieder zu Hause an, wird das eigene Bad plötzlich kritischer betrachtet, und es reift oft der Wunsch, etwas Vergleichbares in der eigenen Wohnung zu haben. Es wird damit begonnen, bunte Bäderkataloge zu wälzen und Schauräume zu besuchen. Das Angebot an Waschtischen, Armaturen, Duschen, Badewannen und Schränken ist grenzenlos. Zurück in der Realität wird jedoch festgestellt, dass das vorhandene Bad in der eigenen Wohnung nicht einmal 6 m² Fläche hat und das angrenzende WC ebenfalls gerade einmal die funktionellen Basisanforderungen erfüllt.

Laut einer aktuellen Studie des forsa-Instituts mit rund 3.000 befragten Personen im Rahmen einer Online-Erhebung, gab es spannende Einblicke in die badbezogenen Erwartungen. Es wurden nicht nur Raumgrößen abgefragt, sondern auch Wünsche und Meinungen der Verbraucher. Die Studie ergab, dass 21 % aller Badezimmer inklusive WC nicht größer als 6 m² sind. Die Durchschnittsgröße des deutschen Bads liegt aktuell bei rund 9 m². Dabei ist es egal, ob sich der Sanitärraum im Einfamilien- oder im Mehrfamilienhaus befindet. Auch Neubauten bieten oft nicht mehr Platz. Es wird offensichtlich überall dem Bad zu wenig Raum gewährt. Die Einrichtung wird von 94 % der Befragten als zweckmäßig und funktional beschrieben. Bei der Frage, ob der Sanitärbereich auch altersgerecht sei, sahen die Zahlen schon anders aus. Nur die Hälfte der Probanden sagte aus, dass sie sich vorstellen können, mit dem vorhandenen Badezimmer auch im Alter zurechtzukommen.

Der Planer steht nun vor der Aufgabe, Bäder zu entwickeln, die sowohl Wellnessbedürfnisse erfüllen als auch für alle Generationen geeignet sind. Die Vorgaben dazu sind meist denkbar schlecht. Bedingt durch den großen Kostendruck im bezahlbaren Wohnungsbau sind die Immobilienentwickler bestrebt, Flächen zu minimieren. Denn jeder Quadratmeter kostet Geld. Einer der Schlussfolgerungen ist daher, wenig Fläche zu bauen, um im Kostenrahmen zu bleiben. Flächenoptimierten Wohnungsgrundrissen wird daher der Vorzug gegeben. Zusätzlich werden auch Verkehrsflächen und Allgemeinflächen im Neubau reduziert. Ganz nach der Devise: Nur zu vermietende und zu verkaufende Flächen sind gute Flächen. Möglichkeiten, Grundrisse zu verändern, werden wesentlich eingeschränkt, wenn die statische Konstruktion ausgereizt ist und Flächen auf die erste Gebäudenutzung optimiert sind. Der Nachhaltigkeitsgedanke, wonach ein Gebäude über viele Jahrzehnte in Betrieb bleiben sollte, geht dabei jedoch sehr schnell verloren. Das ideale Objekt muss mit neuen Anforderungen mitwachsen und zukünftige Veränderungen ermöglichen können. Möglichkeiten, Grundrisse zu verändern, werden wesentlich eingeschränkt, wenn die statische Konstruktion ausgereizt ist und Flächen auf die erste Gebäudenutzung optimiert sind.

Nur 17 % aller Deutschen sind mit der derzeitigen Qualität ihres Bads zufrieden.
GRAFIK: BÜRO TEAM SPITALER

Änderung der Wohnkonzepte

Es werden Wohnbauten errichtet, die einem bestimmten Klientel entsprechen: Smarte Wohnungen für Studenten, Wohnungen für junge Familien, Wohnungen für Singlehaushalte und altersgerechte Wohnungen. Die Liste kann endlos weitergeführt werden. Als Vergleich kann von einer Art „Maßanzug“ gesprochen werden. Dieser passt hoffentlich perfekt zu der augenblicklichen Lebenssituation, durch verschiedene Umstände kann sich das jedoch schnell ändern. Und plötzlich passt der Maßanzug nicht mehr. Dann sind Veränderungen notwendig – Veränderungen am Wohnkonzept.

Sesshaftigkeit als Grundbedürfnis

Bei vielen Menschen ist es ein Grundbedürfnis, den angestammten und lieb gewordenen Lebensraum über einen langen Zeitraum und bis ins hohe Alter zu bewohnen. Wir sind stationär geworden. Es werden viele Jahre am selben Ort und natürlich auch oft in derselben Wohnung verbracht. Das Zuhause muss also mit geänderten Anforderungen mitwachsen können, denn eine Änderung der Lebensumstände wird es immer geben. Menschen ziehen zusammen, Kinder werden geboren, man zieht sich plötzlich eine Sportverletzung zu, erkrankt und natürlich altert man auch. Aus dem Gästezimmer wird ein Kinderzimmer, im Wohnzimmer gibt es einen kleinen EDV-Arbeitsplatz, der Essplatz wandert vom Wohnzimmer in die Küche. Das alles ist mit einer Veränderung der Möblierung erreichbar. Bauliche Veränderungen sind dabei nicht notwendig. Das Bad bleibt jedoch meist unverändert und fristet viele Jahre im Originalzustand vor sich hin.

Das Durchschnittsalter eines Badezimmers liegt in Mitteleuropa bei 25 Jahren. In den restlichen Räumlichkeiten finden dagegen wesentlich früher Veränderungen statt. Das ist umso verwunderlicher, da die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Bad 40 Minuten täglich beträgt, das ist oft länger, als die Zeit, die in der Küche verbracht wird. Bei einer Familie mit einem Kind sind das mindestens 90 Minuten täglich. Das Bad kommt also in der Nutzungsdauer gleich nach dem Wohnzimmer und in den meisten Fällen noch vor der Küche. Doch was sind die Gründe für dieses hohe Durchschnittsalter trotz der intensiven Nutzung?

Lösungsansätze

In vielen Fachmagazinen taucht immer wieder das Schlagwort universelle Anpassbarkeit auf. Klingt gut, aber wie kann das in der Praxis funktionieren und was steckt hinter diesem Schlagwort? Bei Recherchen stößt man schnell auf universelles Design oder auch Design for all. Es handelt sich dabei um eine Strategie bzw. um einen Designansatz für die Nutzungsqualität in gebauten Umgebungen, Produkten, Systemen und Dienstleistungen. Es sollen zukunftsfähige Konzepte und innovative Gestaltungen entstehen, die unsere Lebenswelt positiv und nachhaltig verändern. Der Mensch mit seiner gesamten Diversität rutscht in den Mittelpunkt der Designüberlegungen des Planers. Bevor damit begonnen wird, bunte Kataloge zu durchforsten, muss der Planer sich mit dem Nutzungsverhalten der zukünftigen Badnutzer auseinandersetzen. Der fünfjährige Sohn hat andere Vorstellungen vom Familienbad als seine Mutter. Der Vater möchte eine größere Dusche und nicht vergessen, manchmal kommt auch an den Wochenenden die Großmutter zu Besuch, die vielleicht auch über Nacht bleibt. Es muss ein Bad für alle werden. Die zur Verfügung stehende Fläche wird sicherlich manche Wünsche nicht ermöglichen, aber die Bäderindustrie hat auf viele Probleme reagiert und bietet eine große Anzahl von Produkten, die helfen, individuelle Wünsche zu erfüllen. Um eine zukünftige Anpassbarkeit sicherzustellen, sind aber ein paar wesentliche Qualitäten in der Planung zu berücksichtigen. Installationen bei Waschbecken, Badewanne, Dusche und WCs sind meist starr. Einmal gebaut, sind sie immer vorhanden und nur mit großem finanziellen und baulichen Aufwand wieder veränderbar. Es muss also schon in der Planungsphase überlegt werden, welche Zukunftsszenarien, wie z. B. unvorhergesehene Verletzungen und körperliche Einschränkungen oder auch das Altern abgedeckt werden sollen. Wenn das Badezimmer in verschiedenen Lebenslagen nutzbar sein soll, wird man sich diesen Gedanken stellen müssen. Maße, Informationen und wichtige Angaben über notwendige Bewegungsflächen finden sich in Regelwerken wie der aktuellen DIN 18040, der Schweizer SIA 500 oder der Önorm B 1600. In Zukunft gibt auch die EN 17210 auf europäischer Ebene Auskunft über funktionale Anforderungen.

Eine zukunftsorientierte Basisplanung ermöglicht bei Bedarf
eine einfache und leichte Anpassbarkeit des Badezimmers.
Ausganssituation

ZEICHNUNG: BÜRO TEAM SPITALER

Nach der Sanierung
ZEICHNUNG: BÜRO TEAM SPITALER

Herangehensweisen

Zuerst sollten die Nutzergruppen betrachtet und ihre Gemeinsamkeiten erkannt werden. Als Beispiel kann dafür ein Kind sowie dessen Großeltern dienen. Auf den ersten Blick gibt es vielleicht nicht viele Gemeinsamkeiten. Beim erneuten Hinsehen wird man aber doch einiges finden. Das Kind muss sich strecken, um beim Händewaschen die Armatur bedienen zu können, manchmal benutzt es auch einen Hocker, um den Hebel zu erreichen. Beim Klettern möchte es sich festhalten, vorzugsweise am Waschbeckenrad. Es kämpft oft mit der Temperatureinstellung und erreicht auch nicht das Handtuch zum Abtrocknen. Hat das Kind eigentlich nicht dieselben Nutzungsanforderungen wie die betagte Dame? Bei genauer Betrachtung können Parallelen erkannt werden. Beide möchten sich festhalten, die Wasserarmatur leicht erreichen können und benötigen das Handtuch in einem erreichbaren Greifbereich. Der Hocker, der als Aufstiegshilfe benötigt wurde, könnte auch eine Sitzgelegenheit sein. Wenn man sich nun auf diese Art und Weise durch den Aufgabenkatalog durcharbeitet, können noch weitere kompatible Anforderungen erkannt werden, wie z. B. gute Lichtverhältnisse, rutschsicherer Boden, Ablageflächen, bodenniveaugleiche Duschen, Heizung und Lüftung etc. Farben und Materialen können das Konzept bestens unterstützen, bei der richtigen Anwendung Wellnessatmosphäre erzeugen und zusätzliche Sicherheit geben.

Zukunftsorientierte Planung

Menschen möchten in ihrem gewohnten Umfeld alt werden. Sie haben sich eingerichtet, kennen sich in der Umgebung aus und pflegen nachbarschaftliche Kontakte. Altersbedingte Erkrankungen und zusätzliche motorische Einschränkungen machen es oft notwendig, die Wohnung, die jahrzehntelang bestens funktioniert hat, nochmals in Teilbereichen neu zu gestalten. Davon ist im Besonderen auch das Badezimmer betroffen. Dabei ist es wichtig, dass das Haus nachhaltig und zukunftsorientiert gebaut wurde, sodass im Nachhinein bauliche Veränderungen möglich sind. Die Art der Behinderung ist die Vorgabe für die Umgestaltung. Es ist glücklicherweise nicht immer ein rollstuhlgerechtes Bad notwendig, aber ausreichend dimensionierte Bewegungsbereiche wird man schaffen müssen. Allein die Demontage des Unterschranks kann einen Designerwaschtisch bei einer nachhaltigen Planung zu einem barrierefreien Waschtisch machen. War bis eben noch eine Badewanne vorhanden, kann es nun Zeit sein, sich davon zu trennen. Der Einbau einer schwellenlosen Dusche kann z.B. die Lösung sein. Beim WC wird es schon schwieriger. Wenn es nicht ausreicht, Haltegriffe zu montieren, kommt man nicht umhin, in die bauliche Struktur einzugreifen. Im Idealfall liegen Bad und WC nebeneinander, und die Zwischenwand kann entfernt und eine wesentlich geänderte Raumgeometrie erreicht werden. Notwendige Bewegungsflächen, die für die Nutzung des WCs benötigt werden, helfen auch beim Duschen und Waschen. Wird das schon rechtzeitig in der Planung des Gebäudes berücksichtigt, fällt der Umbau später leichter. Durch den Abbruch einer einzigen Zwischenwand ist es beispielsweise möglich, aus einem bestehendem Bad und einem angrenzenden WC eine barrierearme Lösung zu erreichen. Das ist kostengünstig, und der Bewohner kann daher noch viele Jahre in seiner gewohnten Umgebung verbleiben.

Ein notwendiger Umzug in eine Betreuungseinrichtung entwurzelt Menschen oftmals und kostet die Gesellschaft Geld. Geld, das besser in die Nachhaltigkeit von Gebäuden, insbesondere Wohnhäuser, investiert werden könnte. Daher ist es unabdingbar, Wohnhäuser und Wohnungen zu entwickeln, die die Möglichkeit bieten, den Menschen durch alle Lebenslagen zu begleiten. Das kann die Errichtungskosten bei Neubauten geringfügig anheben, aber über einen gesamten Lebenszyklus gerechnet sind die Kosten für die Gesellschaft niedriger. Die Terragon und DStGB-Studie „Barrierefreies Bauen im Kostenvergleich“ setzte sich intensiv mit den Mehrkosten für barrierefreies Bauen auseinander und kam zum Ergebnis, dass bei einer durchschnittlichen Neubauwohnungsgröße von 75 m² die Mehrkosten nur rund 1.600 Euro ausmachen.

Die Handtuchablage kann auch als Haltegriff genutzt werden
FOTO: BURGBAD.DE

Farbige Bedienhebel sind für ältere Personen kontrastreicher und daher leichter zu erkennen.
FOTO: HEWI.COM

Der Autor


Peter H. Spitaler
Peter Spitaler ist Bautechniker, Akustiker, Interior Designer und zertifizierter Experte für barrierefreies Bauen. Er beschäftigt sich seit fast drei Jahrzehnten mit nutzerzentrierten Designlösungen und barrierefreien Nutzungskonzepten. Der Geschäftsführer von Team Spitaler entwickelt, betreut und begleitet Bauprojekte. Seit 2015 ist er Vorstandsmitglied von Design for all – Zentrum für Universal-Design. Er ist Vortragender an Universitäten und Bildungseinrichtungen und publiziert in Fachzeitschriften. Seit 2018 ist er Lehrgangsleiter des Lehrgangs „zertifizierter Experte für barrierefreies Bauen und Umgebungen“ in Österreich. Seine Schwerpunkte sind Lösungen im Gesundheitsbereich, Tourismus und Bildung.

www.teamspitaler.at

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