Sichtbeton: Zusammensetzung, Farbe und Textur

Sichtbeton: Zusammensetzung, Farbe und Textur

Energie, Technik & Baustoffe

Sichtbeton: Zusammensetzung, Farbe und Textur

Text: Martin Möllmann | Foto (Header): © X ARCHITEKTEN ZT GMBH

Moderne Materialien wie selbstverdichtender und ultrahochfester Beton (UHPC) sowie Textil‑, Struktur‑, Foto‑, Licht- oder Glasfaserbeton bieten bei Sichtbeton in Verbindung mit der riesigen Palette an Betonzusammensetzungen und Bearbeitungstechniken immer neue gestalterische Möglichkeiten. Dazu gilt es jedoch, die grundlegenden Zusammenhänge bei der Erstellung von Sichtbetonflächen zu kennen und zu beachten.

Auszug aus:

Beton ist zweifellos der klassische Konstruktionswerkstoff des 20. und 21. Jahrhunderts und steht – so auch der Slogan einer neuen Imagekampagne – für „große Ideen“ wie etwa Hochhäuser oder Brücken. Dort, wo Beton nicht nur als reines Konstruktionsmaterial fungiert, sondern darüber hinaus auch die Optik eines Bauwerks prägt, spricht man von  Sichtbeton“. Gemeint ist damit der nach Fertigstellung sichtbare, also weder verputzte noch überstrichene Teil des Betons. Da er die Merkmale der Gestaltung und der Herstellung des Betons erkennen lässt, bestimmt er auch maßgebend die architektonische Wirkung eines Bauteils oder Bauwerks. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass hierbei besondere Anforderungen an die Qualität des Ergebnisses (keine groben Risse, wenig Poren) und damit auch besondere Anforderungen an Mensch und Material gestellt werden, zumal auch die Ansprüche an die Optik (Farbe, Feinkorn) der Sichtbetonflächen immer weiter gestiegen sind.

Herstellung als Ortbeton oder in Fertigteil-Bauweise

Beim Einsatz von Ortbeton werden die Bauteile direkt auf der Baustelle geschalt, mit Beton gefüllt und mittels Rütteln oder Vibration verdichtet. Der Beton wird dabei in der Regel aus einer Transportbetonanlage mit entsprechenden Fahrmischern angeliefert. Zu den vor Ort hergestellten Betonen gehört auch der Stampfbeton, ein unbewehrter Beton auf Basis von Natursteinen und Zement, der durch Druckstöße verdichtet wird. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Ära des Stahlbetons begann, geriet Stampfbeton in Vergessenheit. Seit einigen Jahren aber erlebt er eine Art Renaissance, weil das schichtweise Betonieren und Verdichten eine besondere Ästhetik ermöglicht. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Terrazzo, einem sehr hochwertigen Gemisch auf Zementbasis mit farbiger Körnung und Pigmenten. Früher wurde er mit viel handwerklichem Geschick vor Ort auf der Baustelle hergestellt, eingebaut und geschliffen. Heute lassen sich auch Böden analog der Terrazzotechnologie in moderner Sichtbeton-Architektur herstellen und mithilfe rationeller Transportbetontechnik ebenso auf großen Flächen schnell und wirtschaftlich einbauen.

Die Vorteile einer Vorfertigung im Fertigteilwerk liegen darin, dass hier sowohl großformatige, bewehrte als auch kleinformatige, unbewehrte Sichtbetonteile produziert werden können. Dabei ist zu bedenken, dass Fertigteile von der Größe her limitiert sind. Dies ist vor allem dem Transport geschuldet, da ohne Sondertransport die Breite von Betonfertigteilen nur bis zu 4 m betragen darf.

Der Zement bestimmt die Farbe

Sichtbetonflächen werden durch den sogenannten Zementstein bestimmt. Er entsteht, weil im Laufe des Verdichtungsprozesses des Betons – z. B. durch Energiezuführung mittels Rütteln – die Feinbestandteile im Beton nach außen wandern, also an den Schalungs- oder Formrand. Dieser Zementstein bestimmt ganz maßgeblich die Farbe der Oberfläche und auch die Festigkeit des Betons. Prinzipiell gibt es bezüglich der Farbigkeit zwei Kategorien von Zementen: graue und weiße. Legt man eine Skala der Helligkeitswerte von 0 bis 100 zugrunde, dann liegt Grauzement bei einem Wert von ca. 45. Weißzemente dagegen liegen deutlich über 80. Den höchsten Wert erreicht Dyckerhoff Weiss mit ca. 85. Dies ist auch der Grund, warum zur Herstellung von Sichtbeton in der Regel Weißzement zum Einsatz kommt. Der Weißzement übernimmt hierbei praktisch die Rolle einer weißen Farbe, welche mit bunten Farben abgetönt bzw. eingefärbt wird. In der Betonbranche werden zu diesem Einfärben Pigmente benutzt, wobei das Einfärben des Zementsteins bereits während der Herstellung des Betons erfolgt. Wichtig ist dabei, dass diese Pigmente sowohl lichtecht, als auch alkalibeständig und wetterfest sind. Als Pigmente werden überwiegend synthetische, anorganische Eisenoxide sowie Kobaltblau, Chromoxidgrün und Titandioxid verwendet. Die Pigmentmenge sollte sich am Sättigungswert von ca. 5 – 8 Gew-% (auf den Zement bezogen) orientieren, um eine möglichst hohe Farbkonstanz zu erhalten.

NS-Dokumentationszentrum, München: Kombination aus Fertigteilen und Ortbeton mit schalungsglatter Oberfläche.
FOTO: STEFAN MÜLLER

Gesteinskörnungen als entscheidender Faktor

Beton besteht immer aus Wasser, Zement und Gesteinskörnung, welche mit rund drei Viertel den Hauptbestandteil des Betons bildet. Die Komponente „Gestein“ ist daher für den farbigen Beton ein ganz entscheidender Faktor. Die meisten Gesteinskörnungen liefert die Natur in Form von Kalkstein, Quarz, Basalt, Granit oder Porphyr. Die Farbe der Gesteinskörnung kommt erst durch eine Bearbeitung der Betonoberflächen zur Geltung. Dabei zeigt jedoch auch die Gesteinskörnung, in Abhängigkeit von der Bearbeitungsart, unterschiedliche Farbintensitäten. Durch die gerade beschriebene Zugabe von Pigmenten in die Betonmischung kann der gewünschte Farbton des Zementsteins zusätzlich ausgesteuert werden.

Textur und Oberfläche

Neben der Farbe bestimmt auch die Textur der Oberfläche die Wirkung von Sichtbetonflächen. Dabei kann man zwischen glatten, strukturierten und bearbeiteten Oberflächen unterscheiden. Glatte Oberflächen erreicht man durch entsprechende Schalungen. Beton zeigt nach dem Entschalen auf seinen Sichtbetonflächen eine aus Zementstein und dem Feinstsandanteil der Gesteinskörnung gebildete Mörtelschicht, deren Textur im Wesentlichen mit dem Abbild der verwendeten Schalung übereinstimmt. Bei der Auswahl der geeigneten Schalungshaut sind besonders die Unterschiede hinsichtlich des Saugverhaltens zu beachten. Eine saugende Schalungshaut ermöglicht den Entzug von Luft und/oder Überschusswasser aus der Betonrandzone und fördert so die Herstellung von Oberflächen mit wenig Poren sowie einem relativ gleichmäßigen Farbton (z. B. bei Brettschalungen). Eine nicht saugende Schalungshaut dagegen ermöglicht die Herstellung nahezu glatter Oberflächen. Sie begünstigt aber auch die Entstehung von Poren, Lunkern, Marmorierungen, Wolkenbildungen und Farbtonunterschieden.

Um Sichtbetonoberflächen in ihrer Wirkung zu strukturieren, können Matrizen – etwa aus Silikonkautschuk – verwendet werden. Dadurch ist man bspw. auch in der Lage, historische Fassaden abzuformen und damit diese Textur auf neue Betonoberflächen zu übertragen, so wie das bereits über Jahre bei der Sagrada Familia in Barcelona gemacht wird. Bekannteste Muster sind putzähnliche Strukturen oder die sogenannten Schilfrohrmuster. Daneben können natürlich auch Formkörper eingesetzt werden, dies ist aber eher die Seltenheit.

Beim Bearbeiten wird dagegen die erhärtete Oberfläche mechanisch aufgeraut. Die verschiedenen Möglichkeiten, Betonoberflächen zu bearbeiten, reichen von Schleifen und Polieren über Feinwaschen, Strahlen und Säuern bis hin zum Spitzen, Stocken oder Scharrieren. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass dabei das entsprechende Korn freigelegt wird, sodass die Farbe der Gesteinskörnung zur Geltung kommt. Zudem strukturieren die verbleibenden Spuren der Bearbeitung die Oberfläche und verleihen ihr eine individuelle Note.

Meisterhaus, Dessau: Leichtbeton LC 12/13 in Sichtbetonklasse SB4.
FOTO: DYCKERHOFF

Pumpwerk, Mainz: schwarz pigmentierter und gespitzter Ortbeton.
FOTO: DYCKERHOFF

Im Trend: Betone mit Mehrwert

Die Zeiten, als Beton noch ein einfaches Drei-Stoff-Gemisch war, sind längst vorbei. Durch intelligentes Variieren und Modifizieren der Bestandteile kann Beton ganz neue Verarbeitungs- und Nutzungseigenschaften gewinnen. Konnte man früher Zementsorten noch an einer Hand abzählen, so gibt es heute eine Vielzahl an Bindemitteln, oftmals außerhalb der Norm. Dazu kommen der Einsatz von Fasern verschiedenster Art sowie unterschiedlichster Zusatzstoffe. Materialien wie selbstverdichtender Beton, ultrahochfester Beton (UHPC), Architektur‑, Textil‑, Struktur‑, Foto‑, Licht‑, Glasfaser‑, Carbonbeton oder photokatalytischer Beton bieten daher heute auch bei Sichtbetonen ganz neue gestalterische Möglichkeiten. Sie alle ermöglichen es, Bauteilen eine eigenständige Ästhetik zu geben und eine Symbiose zwischen konstruktivem Nutzen und gestalterischer
Qualität zu erzeugen.

Mit diesen Entwicklungen wurde die Leistungsfähigkeit des Werkstoffs Beton nochmals signifikant erhöht. Dies gilt für die Formgebung und Strukturierung ebenso wie für die höhere Dauerhaftigkeit bei gleichzeitig reduzierten Elementdicken und damit verbunden immer schlankeren Querschnitten. So sind heute vor allem leichte und filigrane Betonkonstruktionen möglich, die lange Zeit nicht als realisierbar galten. Und dies ist sicherlich noch nicht das Ende der Entwicklung; denn der seitens der Industrie angestrebte kontinuierliche Verbesserungsprozess wird zweifellos weitergehen. Ein Ziel besteht dabei auch darin, die Produktionsprozesse gleichmäßiger und insbesondere reproduzierbarer zu gestalten, sodass die Ideen der Architekten und Planer noch perfekter umgesetzt werden können: Sichtbeton für große Ideen!

Der Autor


Martin Möllmann
Martin Möllmann ist seit 1991 für Dyckerhoff in verschiedenen Positionen tätig. Heute ist er als Direktor verantwortlich für die Bereiche Produktmarketing und den Vertrieb von Dyckerhoff Weiss Zement im Geschäftsbereich Deutschland/Westeuropa der Dyckerhoff GmbH, Wiesbaden. Der diplomierte Bau- und Wirtschaftsingenieur engagiert sich zudem ehrenamtlich für die Berufsausbildung in der Betonwerksteinbranche und ist Vorstandsmitglied der Informationsgemeinschaft Betonwerkstein e. V.

www.dyckerhoff.com

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