Im Gespräch mit Ekkehard Vogt: Siedlung aus Holz

Im Gespräch mit Ekkehard Vogt: Siedlung aus Holz

Im Gespräch mit Ekkehard Vogt

Siedlung aus Holz

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © OLAF MAHLSTEDT

Ekkehard Vogt

FOTO: MARCEL DOMEIER

Auf dem Gelände des früheren ÜSTRA-Straßenbahndepots in Hannover-Vahrenwald wurde 2020 mit 139 Mietwohnungen und einer Kindertagesstätte eine Siedlung vorrangig für Betriebsangehörige fertiggestellt. Die Wohnungen werden darüber hinaus auch anderen Interessenten angeboten und sind zu 20 % gefördert. Wir sprechen mit Ekkehard Vogt, Partner bei MOSAIK architekt:innen bda, über den Baustoff Holz bei dieser größten zusammenhängenden Holzbausiedlung in Niedersachsen.

Auszug aus:

Die ÜSTRA Siedlung hat 2020 den Holzbaupreis Niedersachsen erhalten. Die Jury ging in ihrer Begründung neben der ästhetisch anspruchsvollen Architektur besonders auf den Mut der Bauherren ein, die Nachverdichtungsmaßnahme eines innerstädtischen Quartiers in dieser Größe komplett in Holzbauweise umzusetzen. Wie kam es zu Ihrer Beteiligung und war die Holzbauweise von Beginn an vorgesehen?

Die ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe AG hatte uns schon 2007 auf diesem Grundstück zu einem Städtebaulichen Wettbewerb eingeladen. Es sollten für den bestehenden Busbetriebshof, den bereits stillgelegten Straßenbahnbereich und das von Verkehrslärm und heterogenen Nutzungen geprägte Umfeld eine städtebauliche Transformation zum Wohnquartier untersucht werden. Unser Beitrag (zusammen mit GrünPlan Landschaftsarchitekten) erhielt den 1. Preis. Veränderte Rahmenbedingungen und der Verzicht auf die Auslagerung des Busbetriebshofs führten dazu, dass sich die ÜSTRA schließlich 2015 entschied, das Grundstück des Straßenbahndepots selbst zu entwickeln und durch die eigene Versorgungseinrichtung zu bebauen. Von Anfang an war klar, dass die Bauherrschaft für seine Wohnungsneubauten Neuland betreten wollte. Angesichts der Innovations- und Nachhaltigkeitsziele der ÜSTRA sollte die Siedlung für die Mitarbeitenden modernen, bezahlbaren Wohnraum in zentraler Lage anbieten, und dies mit einer ökologischen Bauweise und effizienten Energienutzung umsetzen. Und damit war der von uns vorgeschlagene Holzbau gesetzt.

In welchen Bereichen und auf welche Weise kommt das Material Holz zum Einsatz?

Das Material Holz kommt sowohl in der tragenden Konstruktion und der Fassadenbekleidung als auch in den Innenräumen als sichtbare Brettsperrholzoberfläche zum Einsatz. Lediglich die Treppenhäuser und die Kellergeschosse wurden in Stahlbeton ausgeführt. Alle tragenden Außen- und Innenwände und Decken sind mit Brettsperrholzelementen ausgeführt. Die Fassaden wurden mit einer Verschalung aus horizontalen, vorvergrauten Douglasien-Brettern gestaltet. Auch innerhalb der Wohnungen konnten wir erreichen, dass Holzoberflächen sichtbar und erlebbar sind. Dies wirkt sich zum einen positiv auf die Wohnraum-Atmosphäre aus und schafft zum anderen ein gesundheitsförderndes Raumklima, da die Feuchtigkeit auf natürliche Weise reguliert wird.

Welchen Wert haben Sie auf die Herkunft der Baumaterialien gelegt?

Das Holz stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft und ist PEFC/FSC gekennzeichnet. Es wurden darüber hinaus nur sehr emissionsarme Baustoffe verbaut. Die einwandfreie Raumluftqualität wurde nach Fertigstellung durch VOC-Messungen bestätigt. Sämtliche bei dem Bauvorhaben verwendeten Bauprodukte wurden von uns nach den DGNB Kriterien ENV1.2 „Risiken für die lokale Umwelt“, Qualitätsstufe 4 ausgeschrieben und auch eingebaut. Zur Überprüfung der ausgewählten Bauprodukte hinsichtlich der Wohngesundheit wurden in mehreren Wohnungen von der Gutachterin Raumluftmessungen auf Formaldehyd und VOC durchgeführt. Dabei liegen die Formaldehydkonzentrationen mit ca. 10,0 μg/m³ weit unterhalb des Richtwerts für Formaldehyd. Die Ergebnisse der Raumluftuntersuchungen auf VOC zeigen eine TVOC-Konzentration von ca. 500 μg/m³ und liegen damit auch deutlich unterhalb des DGNB-Zielwerts von 3.000 μg/m³ und dem empfohlenen Zielwert von 1000 μg/m³.

Welche energetischen Zielsetzungen gab es?

Von der Bauherrnschaft wurde eine effiziente Energienutzung durch Niedrigenergie-Standards angestrebt. Die Gebäude erfüllen alle Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2016 und dem KfW-Standard 55. Die Häuser sind hochwärmegedämmt, mit Fernwärme versorgt und verfügen über eine kontrollierte Wohnraumlüftung.

Vor welche besonderen Herausforderungen haben Sie die ökologischen und energetischen Zielsetzungen gestellt?

Zu würdigen ist vor allem das Verantwortungsgefühl und der Mut der Bauherrschaft, sich aus Gründen des Klimaschutzes den Risiken einer mehrgeschossigen Siedlung in Massivholzbauweise zu stellen. Es war klar, dass auch von uns Planenden in vielen Bereichen innovative Lösungen entwickelt werden mussten, da es für viele Themen noch keine Standardlösungen und Berechnungsmöglichkeiten gab – u. a. zum Schall- und Brandschutz. Seither hat es einen immensen Wissenszuwachs beim Bauen mit Holz gegeben. Wir haben damals beispielsweise Fußbodenaufbauten und Wandanschlüsse probeweise erstellen lassen und gemessen, bevor sie flächendeckend gebaut wurden.

Sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit den verschiedenen Holzbauweisen. Welches sind die wichtigsten Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste, damit die Wahl öfter auf Holz als Baustoff fällt?

Zunächst bedarf es erst mal mutigerer Investorinnen und Investoren, die bereit sind, ihre gewohnten Wege zu verlassen. In der Gesetzgebung und bei den Förderungen werden immer noch fast ausschließlich die energetischen Kennwerte von Gebäuden, also deren Betriebszeit, betrachtet. Welche Ressourcen aber für Baustoffe, deren Herstellung, Transport, aber auch Verpackungen, verbraucht werden, ob nachwachsende Rohstoffe genutzt werden und was am Ende der Nutzungsdauer mit den heute in der Regel nicht lösbar verbundenen Baustoffen passiert, bleibt alles zzt. noch außen vor. Hier wünschen wir uns, politische Stellschrauben zu nutzen, um die strukturelle Benachteiligung ressourcenschonender, nachwachsender und kreislauffähiger Baustoffe und Konstruktionen z. B. durch gesetzgeberisch vorgeschriebene Treibhausgasnachweise und Lebenszyklusanalysen zu überwinden. Bei den Landesbauordnungen sind einige beim Holzbau zudem fortschrittlicher und weiter als andere, die einen deutlichen Novellierungsbedarf zeigen. Zu guter Letzt sollte die Holzbaurichtlinie 2023 dringend in Kraft treten, auch um den teilweise nicht praktikablen und den Fachregeln widersprechenden Bestimmungen der alten Richtlinienvorgaben zu entkommen.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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