Ergebnisse der BPD-Wohnwunschbefragung: Sehnsucht nach Grün

Ergebnisse der BPD-Wohnwunschbefragung: Sehnsucht nach Grün

Städtebau & Quartiersentwicklung

Ergebnisse der BPD-Wohnwunschbefragung: Sehnsucht nach Grün

Text: Dr. Christian von Malottki & Robert Sabelfeld | Foto (Header): © BPD

Der Wunsch nach einem grünen Wohnumfeld ist bei fast allen Menschen ausgeprägt. Der eigene Garten stellt eine der wichtigsten Begründungen dafür dar, dass sich selbst die immer zahlreicheren kleinen Haushalte ein Eigenheim wünschen. Diese Tatsache hat deshalb einen elementaren Einfluss auf die Gestaltung von neuem Wohnraum – auch im urbanen Kontext. Die BPD Immobilienentwicklung GmbH hat dazu eine Befragung durchgeführt.

Auszug aus:

Gärten und Grünflächen leisten einen wichtigen Beitrag für die Wohn- und Lebensqualität in Städten. Doch was können Städte und Immobilienentwickler bei der Planung nachhaltiger Quartiersentwicklungen daraus ableiten und welche Bedeutung hat der Trend zur Suburbanisierung, der durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde? Diesen Fragen ist BPD zwischen 2019 und 2021 im Rahmen mehrerer Befragungen von insgesamt 25.000 Haushalten zum Thema „Grün als Wohnwunsch“ deutschlandweit nachgegangen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die Bedeutung von öffentlichen Grünflächen und privaten Gärten so hoch ist, dass auch die gesamte Diskussion um Wohnungsmangel, Flächensparen, Innenentwicklung vor Außenentwicklung sowie städtebauliche Dichte nicht ohne die Berücksichtigung der Grünbedürfnisse der Wohnungsnachfrager geführt werden sollte.

Die „Biophilie“ des Menschen

Für viele Menschen versinnbildlicht das Haus im Grünen die Idealvorstellung einer lebenswerten Wohnsituation. Beim Wunsch nach einem Eigenheim spielt gemäß den Befragungen von BPD der Wunsch nach einer Terrasse und einem privaten Garten sogar eine größere Rolle als das Thema Privatsphäre und Entscheidungsautonomie. Die Wohnfläche ist in Zeiten kleiner werdender Haushalte ein zunehmend unwichtigerer Faktor.

Der Wunsch nach Grün kommt nicht von ungefähr. Gemäß der von Edward O. Wilson im Jahr 1984 formulierten „Biophilie-Hypothese“ haben Menschen ein evolutionär bedingtes Verbundenheitsbedürfnis mit der Natur und eine hohe Affinität zu Lebensräumen, die sich für menschliches Leben als besonders vorteilhaft erweisen. Die Biophilie-Hypothese wird von zahlreichen empirischen Untersuchungen gestützt, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen wohnortnahen Grünstrukturen, menschlichem Wohlbefinden und Lebensqualität aufzeigen.

Der Mehrwert, den Grünstrukturen für die Wohn- und Lebensqualität in Städten bieten, hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Kauf- und Mietpreise von Wohnimmobilien. Nationale und internationale Studien zeigen eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für Wohnlagen mit qualitativ hochwertigen und großzügigen sowie gut zugänglichen Grünflächen. Gleichzeitig steht Grün oft im Gegensatz zu Zentralität und Erreichbarkeit. In den Wohnlagenkarten deutscher Städte sind die besten und teuersten Lagen deshalb meist diejenigen, die sowohl grün und ruhig als auch relativ zentral sind.

Grün als „Ökosystemdienstleister“

Grünstrukturen wie Stadtwälder, Parks, private Gärten, aber auch Abstandsgrün, Fassaden‑, Straßen- und Dachbegrünungen sind mehr als ein Qualitätsmerkmal für Wohnungsnachfrager. Der Nutzen für die Allgemeinheit wird unter dem Begriff der Ökosystemdienstleistungen zusammengefasst. So leisten urbane Grünstrukturen einen wichtigen Beitrag für das Stadtklima. Sie spenden Schatten, erhöhen den Verdunstungsgrad und reduzieren zugleich die Oberflächenstrahlung und -temperatur. Bäume und Grünflächen mindern zudem die Konzentration von Luftschadstoffen, indem sie die Luft mit Sauerstoff anreichern. Damit haben urbane Grünflächen auch einen positiven Einfluss auf das menschliche Wohlbefinden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich Grünflächen in der Nähe des Wohnorts befinden, die für die Bewohner leicht zugänglich sind. Öffentliche Parks und private Gärten dienen darüber hinaus als Rückzugsräume für Stadtbewohner, insbesondere dann, wenn sich diese einem stressigen und hektischen Alltagentziehen möchten. Sie fördern die individuelle Erholung, ermöglichen Naturerfahrungen und helfen so, Stress, Aggressivität und geistige Müdigkeit zu reduzieren.

Neben dieser wichtigen Erholungsfunktion bieten private und öffentliche Grünflächen ein breites Spektrum sozialer Funktionen. Als Begegnungsräume ermöglichen sie soziales Miteinander, fördern sozialen Zusammenhalt innerhalb des Quartiers und stärken die Identifikation mit der Wohnumgebung. Grünstrukturen leisten zudem einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität, fördern die Umweltbildung und können einen ästhetischen Wert haben.

Die Grafik zeigt die Gründe für die Einfamilienhaus-Präferenz. Insbesondere die Terrasse und der Garten spielen für 91 % der Befragten eine sehr wichtige Rolle im Zuge der EFH-Präferenz.
ABBILDUNG: BPD

Die Grafik zeigt die Wohnpräferenzen nach Alter (Linien) und die demografische Stärke der Jahrgänge (Säulen). Aktuell befinden sich zwei demografisch stärkere Generationen in der Phase der Landpräferenz.
ABBILDUNG: BPD

Die Präferenzen eines jeden Einzelnen

Der individuelle Nutzen verschiedenartiger Grünflächen ist unterschiedlich. So spielen persönliche Eigenschaften der Nutzer wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Haushaltsgröße oder kultureller Hintergrund genauso eine Rolle wie spezifische Anforderungen in Hinblick auf Erholung, körperliche Aktivitäten und Ruhe. Derselbe Garten oder Stadtpark wird auf individueller Ebene sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Zugleich können sich Präferenzen für verschiedene Grünstrukturen im Laufe eines Lebens verändern. Für die Schaffung attraktiver, nachhaltiger und lebenswerter Wohnquartiere ist es daher umso wichtiger, sich tiefergehend mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Einfluss Grünstrukturen auf Wohnstandortpräferenzen haben und wie sich die zugrunde liegenden Anforderungen und Präferenzen für wohnortnahe Grünstrukturen auf Ebene der einzelnen Zielgruppen unterscheiden.

Aus den BPD-Wohnwunschbefragungen geht so die überraschende Erkenntnis hervor, dass junge und alte Menschen eher Stadt, Zentralität und damit öffentliches Grün suchen und  Menschen in der Mitte des Lebens eher Land, Ruhe und privates Grün. Die Mitte des Lebens ist erstaunlich lang: Sie beginnt unter 30 Jahren und reicht bis über 70 Jahre. Anders als vielfach in der planerischen Diskussion zu hören, scheiden die 60-Jährigen als Träger einer Reurbanisierung damit weitgehend aus. Die Phase der Reurbanisierung war bereits mit dem Übergang der geburtenstarken Jahrgänge um 1990 von der Ausbildungs- und Berufseinstiegsphase in die Familiengründungphase weitgehend vorbei. So zieht es wieder vermehrt Haushalte aus den Großstädten in das angrenzende Umland. Durch die Pandemie erhielt diese Umkehr der Wanderungsrichtung einen zusätzlichen Schub. Auch ist der Wunsch nach einem Garten, Balkon und einer Terrasse bei den Befragten stärker ausgeprägt als der Wunsch nach mehr Wohnfläche oder einem Arbeitszimmer.

Das „Wohnen im Grünen“ wird von Menschen dabei eben nicht mit „der Stadt“ assoziiert, sondern mit eigenem privaten Grün und der Zugänglichkeit von Landschaft. Zusammen mit den Erfordernissen der Menschen nach Zentralität und Erreichbarkeit resultiert dies oft in einem Wohnwunsch bzw. einer tatsächlichen Wohnungswahl in Suburbia oder der „Zwischenstadt“. Dort befindet sich allerdings noch die demografisch starke Generation der BabyBoomer. Hierbei handelt es sich um die Generation bzw. Altersklasse mit den höchsten Vermögen, der höchsten Eigenheimquote und keinem erkennbaren Wunsch, an der aktuellen Wohnsituation viel zu ändern.

Die Landschaftsstadt – Wohnform der Zukunft?

Suburbia ist bei Planern ein ungeliebter Ort. Die klare Präferenz vieler Menschen für das Einfamilienhaus im Grünen steht im Konflikt mit dem politisch und planerisch erwünschten Konzept der kompakten Stadt und der Devise „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. Wie sich die Zukunft des Wohnens gestalten wird und mit welchen Lösungen sich den wachsenden Herausforderungen durch den Klimawandel begegnen lässt, wird sich auch in Suburbia entscheiden. Hierauf muss die Immobilienbranche eine Antwort finden.

Im Ideal wäre Suburbia eine Landschaftsstadt, d. h. eine zukunftsweisende Siedlungsform, die Wohnen, Freizeit und Versorgung zusammenbringt, von Natur und Landschaft durchzogen ist und gleichzeitig den ökologischen Anspruch an das Wohnen in Bezug auf Ressourcenverbrauch, Biodiversität und Klimaanpassung erfüllt. Dabei gilt es, Wohnbedürfnisse und gestalterische Ansprüche mit den Anforderungen an Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen.

Die Schwarz-Weiß-Sicht auf (suburbanes) Haus versus (urbane) Wohnung erweist sich an dieser Stelle als wenig hilfreich. Aufgrund von Alterung und Singularisierung sorgt eine wachsende Anzahl kleinerer Haushalte auch in Zukunft weiterhin für einen steigenden Wohnungsbedarf. Viele dieser Haushalte wünschen sich Haus und Grün, ohne dabei die Wohnflächenansprüche des durchschnittlichen 1980er-Jahre-Einfamilienhauses zu haben, aber auch ohne dabei in dichte Geschosswohnungsbauten ziehen zu wollen.

Grüne Geschosswohnungsbauten können die Sehnsucht nach Grün stillen und gleichzeitig durch passende Dichte ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen.
FOTO: BPD

Grüner Geschosswohnungsbau und urbanes Haus

Die Aufgabe von (Stadt-)Planung und (Immobilien-)Entwicklung besteht deshalb an erster Stelle darin, die Lücke zwischen Haus und Wohnung zu schließen. Das heißt einerseits, die Vorteile des Hauses in Bezug auf privates Grün auch in urbanen Strukturen zu realisieren, sowie anderseits, auch Wohnungen mit Privatsphäre und Zugang zur Landschaft anzubieten. Beliebte Dichten liegen dabei im Bereich des Siedlungsbaus zwischen den dichten und kleineren Reihenhäusern – die aber nicht eintönig werden dürfen – und niedrigeren, wenig dichten und grünen Geschosswohnungsbauten. Eine besondere Herausforderung bietet dabei die Generation, die im „jungen Alter“ ist, Ansprüche an Ruhe und private Grünfläche hat und mit zunehmendem Alter ihre Präferenzskala weg von der großen (Haus- und Grundstücks-)Fläche hin zu öffentlichem Grün und sozialen Kontakten verschieben dürfte. Dies könnte in den nächsten Jahren zu mehr Umzügen in dieser Altersgruppe führen als es unsere Gesellschaft von der Generation davor gewohnt war. Denn sie sind zahlungskräftig und anspruchsvoll. Damit Menschen dieser Generation ihre Häuser für die jüngere Generation freimachen, braucht es auf der Angebotsseite Produkte, welche die schwere Entscheidung zur (freiwilligen!) Aufgabe des langjährigen Familienheims erleichtern. Um den unterschiedlichen Ansprüchen verschiedener Zielgruppen an private und öffentliche Grünflächen gerecht zu werden, gilt an zweiter Stelle bei der Entwicklung neuer Wohngebiete das Motto „von allem ein bisschen“. Private Gärten gelten als Orte des Rückzugs, der Sicherheit und der persönlichen Entfaltung. Halböffentliche Grünflächen hingegen fördern in erster Linie zwischenmenschliche Begegnungen, öffentliche Grünflächen und der Zugang zur freien Landschaft darüber hinaus körperliche Aktivität und Naturerfahrung. In Wohngebieten gilt es daher, verschiedene Grünstrukturen entsprechend den Bedürfnissen der Anwohner geschickt miteinander zu kombinieren – dabei sind bei entsprechender Qualität durchaus Abstriche bei der Größe der einzelnen Areale möglich. Somit gilt es, bei der Planung weniger auf quantitative Aspekte wie Anzahl und Größe von Grünflächen zu achten, sondern auf die geeignete Kombination öffentlicher und privater Grünflächen – und nicht zuletzt natürlich auch auf qualitative Aspekte wie Ästhetik, Ausstattung, Funktionalität und Zugänglichkeit.

Die Autoren


Dr. Christian von Malottki
Senior Researcher Gebietsentwicklung & Marktforschung

Robert Sabelfeld
Researcher Gebietsentwicklung & Marktforschung

Dr. Christian von Malottki und Robert Sabelfeld arbeiten als Wohnungsmarktforscher bei der BPD Immobilienentwicklung GmbH. In dieser Funktion bearbeiten der promovierte Stadtplaner und der studierte Geograph ein breites Spektrum an Fragestellungen aus dem Bereich der Wohn- und Stadtforschung.

www.bpd.de

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