Im Gespräch mit Lukas Schiffer: Individuell seriell

Im Gespräch mit Lukas Schiffer: Individuell seriell

Im Gespräch mit Lukas Schiffer

Individuell seriell

Foto (Header): © eyetronic – stock.adobe.com

„Mass Customization“ oder auch individualisierte Massenfertigung bezeichnet die Verknüpfung einer Massenproduktion mit individuellen Produkten, die nach den Anforderungen des Kunden hergestellt werden. Wie das im Bereich von vorgefertigten Sanitärräumen umgesetzt werden kann, besprechen wir mit Lukas Schiffer, Geschäftsführer des Rosenheimer Unternehmens Tjiko.

Auszug aus:

Herr Schiffer, welche Vorteile bieten Sanitärräume in vorgefertigter Bauweise?

In einem Badmodul wird proportional sehr viel Wertschöpfung vorgefertigt. Dies führt dazu, dass sich die Transportkosten schnell durch die Vorteile der Vorfertigung amortisieren. Durch die perfekt organisierte Arbeitsumgebung in der Halle ist außerdem klar, dass wir deutlich bessere Qualität liefern können. Hohe Qualität ist ein berechtigtes Anliegen, das die Praxis auf der Baustelle oft verfehlt. Gerade bei Gebäuden mit hohem Vorfertigungsgrad, beispielsweise bei Holzbauten, wird der Effekt von schnellen Bauzeiten mit Badmodulen zusätzlich katalysiert. Der gesamte Leistungsumfang kommt zudem aus einer Hand und von einem Ansprechpartner. Am Ende geht es um Kosten: Diese werden aus meiner Sicht zu 100 % planbar. Wenn wir die potenziellen Kosteneinsparungen bei der Vorplanung, bei der Ausschreibung, der Bauleitung und bei der Mängelbeseitigung berücksichtigen, steht einer positiven Entscheidung für Module nichts entgegen.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht neben der Wiederholbarkeit der Produkte auch die Möglichkeit eines individuellen Zuschnitts?

Mir persönlich wäre das Individuelle sehr wichtig. Leider ist der Markt hier noch sehr verhalten und verbindet mit Badmodulen große Stückzahlen, die äquivalent gefertigt sind. Das liegt aus meiner Sicht an dem immensen Nachfrageüberhang für Wohnraum. Die Käufer und Mieter sind froh eine Wohnung zu bekommen und gehen im Zweifel Kompromisse bei der Individualität ein. Der Investor spart sich das Änderungsmanagement. Für einen ganzheitlichen und zeitgemäßen Ansatz sollten wir uns aber nicht mit Seriellem Bauen im Sinne der Plattenbauten zufriedengeben. Ich finde, dieser individuelle Denkansatz sollte sich auch in kommunalen und sozialen Wohnbauten wiederfinden.

Wie wirkt sich das auf Ihre Produktentwicklung aus?

Um eine effiziente Individualisierung bieten zu können, muss das gesamte Produktangebot in einem System erfasst und abgebildet werden. Durch die Systematik werden die vorausgehenden Prozesse, wie die Gestaltung und Produktentwicklung sehr wichtig. Schließlich wird die Architektur sich nur dann mit unserem Angebot anfreunden, wenn das Design der Badmodule den Ansprüchen der Architektur genügt. Für Tjiko ist ein Produkt immer ein Modul in seiner Gesamtheit und mit verschiedenen Konfigurationsvarianten. Stets mit einem konkreten Kundenversprechen. Wir binden dabei möglichst alle Stakeholder bei der Konzeption ein. Neben dem kundenorientierten und zielgerichteten Gestaltungsprozess gibt es dafür bei Tjiko klare Richtlinien: beispielsweise sind hochwertige Materialien und eine lange Lebensdauer im Sinne der Nachhaltigkeit sehr wichtig.

Welches Potenzial bietet die Digitalisierung in diesem Zusammenhang?

„Die Digitalisierung“ finde ich als Begrifflichkeit sehr schwammig und verwirrend. Es geht vielmehr um eine digitale Transformation. Es werden also manuelle Arbeitsschritte digital abgebildet, sodass die Kosten für Prozesse sinken. Beispielsweise im Änderungsprozess ändert sich das gesamte Vertragswerk automatisch mit, sobald die Fliesen abgeändert werden. Zudem haben wir die Möglichkeit Maschinen unmittelbar digital anzusteuern. Ein echter Mehrwert! Es gibt Stimmen, denen ich in der Theorie Recht gebe, die von einem Kosteneinsparpotential von über 50 % für die Baubranche sprechen. In der Praxis ist es aber nicht oder nur teilweise möglich kreative und kommunikative Zusammenarbeit zu digitalisieren. Ich finde daraus entsteht ein sehr schönes Potential: Wir können die chronisch überlastete Baubranche in den Prozessen effizienter werden lassen und mit der gewonnenen Zeit gestalterischen und gesellschaftlichen Mehrwert zu stiften.

Blicken wir gemeinsam in die Zukunft. Wie wird sich das serielle Bauen in den nächsten 20 Jahren entwickeln?

Es freut mich, dass Sie das Fragen. Meistens geht es bei modularer Vorfertigung nur um Effizienzsteigerung, nicht jedoch um die technologischen Potentiale. Ich rede von cradle-to-cradle, was besonders wichtig ist, da die Baubranche für einen Großteil unserer Müllproduktion verantwortlich ist. Ich rede von flexibel umbaubaren Gebäude-Annexen, wodurch wir über die Lebensdauer die Nutzungsart eines Gebäudes anpassen können. Es ist außerdem vorstellbar neue Finanzierungsmodelle mit einzubinden, um Wohneigentum einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Und ich behaupte Tjiko kann in 20 Jahren ein Bad in 20 Minuten komplett sanieren. Selbstverständlich findet das alles unter einem hohen Individualitäts- und Qualitätsanspruch statt. Bei Tjiko widmen wir uns nun aber erst einmal den Basisprozessen, um ein solides Fundament für diese weitreichenden Visionen zu schaffen.

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