Serielles und modulares Bauen: Die Typengenehmigung

Serielles und modulares Bauen: Die Typengenehmigung

Recht & Steuern

Serielles und modulares Bauen: Die Typengenehmigung

Text: Dr. Axel Tausendpfund | Foto (Header): © Andreas Ramonat

Seit Jahren ist der Wohnungsmarkt in weiten Teilen Deutschlands angespannt. Die enorme Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum kann vom aktuellen Angebot nicht gedeckt werden. Innovative Lösungen für den Wohnungsbau sind gefragt, damit Bauen einfacher, schneller und günstiger wird. Ein möglicher Lösungsansatz ist dabei die Typengenehmigung für das serielle und modulare Bauen.

Auszug aus:

Wie kann die Typengenehmigung serielles und modulares Bauen vorantreiben? Einmal entworfen, können die Raummodule leicht in Serie produziert werden, was zu Kosteneinsparungen führt. Dank der Vorfertigung können sogar Raummodule, wie beispielsweise Bäder, bereits inklusive Duschkabine und Armaturen ausgeliefert werden. Auf der Baustelle werden die Module aufeinandergestapelt und Leitungen angeschlossen. Diese Methode vereinfacht und beschleunigt den Planungs- und Herstellungsprozess. Vom ersten Raummodul bis zum bezugsfertigen Wohnhaus vergehen bei dieser Bauweise oft nur wenige Wochen. Die deutlich kürzere Baustellenzeit gegenüber dem konventionellen Bauen bedeutet beispielsweise auch für Anwohner weniger Beeinträchtigung durch Baustellenlärm und -dreck. Wird nun zusätzlich eine Typengenehmigung, sprich ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, für den Modulbau beantragt, kann das einmal genehmigte Gebäude an mehreren Orten errichtet werden, ohne dass jedes Mal das gesamte Baugenehmigungsverfahren nochmal durchlaufen werden muss. Für den Bauherrn können sich somit, abhängig von Auftragsgröße und Anzahl der errichteten gleichen Wohnhäuser, enorme Kosteneinsparungen ergeben. Zu nennen ist in diesem Zusammengang auch die frühere Vermietbarkeit gegenüber der herkömmlichen Bauweise.

GdW-Rahmenvereinbarung

Um die Typengenehmigung voranzubringen, initiierte der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gemeinsam mit dem Bundesbauministerium, dem Hauptverband der Bauindustrie und der Bundesarchitektenkammer das erste europaweite Ausschreibungsverfahren für serielles und modulares Bauen. Damit leistete der Verband Pionierarbeit. Von insgesamt 50 Bewerbern schafften es neun Anbieter im Mai 2018 in eine Rahmenvereinbarung, die der GdW mit seinen Kooperationspartnern unterzeichnete. Die Vereinbarung steht allen 3.000 Mitgliedsunternehmen des GdW offen, die sich aus den Konzepten der Anbieter das passende aussuchen können. Das Wohngebäude muss nur noch an das vorhandene Grundstück angepasst werden. Die Rahmenvereinbarung schafft für die Wohnungsunternehmen Planungssicherheit und bedeutet eine erhebliche Zeitersparnis, da Teile der Projektausschreibung und -vergabe sowie der Planung bereits erfolgt sind. Ein wichtiger Aspekt, um in kurzer Zeit mehr Wohnraum zu schaffen. Der Rahmenvertrag für ein Gebäudemodell ist zunächst auf fünf Jahre begrenzt, kann jedoch um weitere fünf Jahre verlängert werden.

Neubau eines seriellen Mehrfamilienhauses der Kreiswohnbaugesellschaft Hildesheim
Foto: KWG

Deutschlandweit erstes Projekt nach GdW-Rahmenvereinbarung ist ein Wohnhaus der kwb Kommunale Wohnungsbau GmbH Rheingau-Taunus in Idstein.
Foto: LECHNER GROUP

Best Practice

Als erstes Wohnungsunternehmen in Deutschland setzte die kwb Kommunale Wohnungsbau GmbH Rheingau-Taunus aus Bad Schwalbach, ein Mitgliedsunternehmen des VdW südwest, ein Projekt aus der Rahmenvereinbarung um und zeigte damit, welches Potenzial im Modulbau steckt. Im Zuge einer Nachverdichtung errichtete sie in einem Wohnquartier im hessischen Idstein (Taunus) neun Wohneinheiten, darunter acht barrierefreie. Bei dem Projekt wurden Stahlbeton-Raum-Module des Bauunternehmens Lechner Group in Massivbauweise gefertigt und auf der Baustelle miteinander verbunden. Fenster, Balkone, teilweise Bäder, Leitungen und Dämmung waren in den Modulen bereits eingebaut. Anhand der Rahmenvereinbarung konnte das Wohnprojekt aus dem Katalog zum Festpreis errichtet werden. So konnte verhindert werden, dass die Kosten für das Projekt angesichts stark ausgelasteter Baukapazitäten und langer Bauzeiten während der Realisierung unerwartet steigen. „Für uns war die Kostensicherheit bei gleichzeitig sehr hoher Qualität des Bauwerks ein entscheidender Vorteil für das Projekt“, erklärte Ditmar Joest, Geschäftsführer der kwb. Ein weiterer Vorteil war die extrem kurze Bauphase. Das Mehrfamilienhaus stand innerhalb von acht Wochen und war nach insgesamt nur vier Monaten bezugsfertig. Das ist im konventionellen Wohnungsbau nicht möglich. Von der kurzen Bauzeit profitierten die Nachbarn und das gesamte Quartier, was zu mehr Akzeptanz des Projekts beitrug. Auch die häufig geäußerte Kritik, das serielle und modulare Bauen sei ein „Plattenbau 2.0“, bestätigt sich in der Praxis nicht. Das fertige Wohngebäude steht dem klassischen Wohnungsbau in seiner Qualität in nichts nach, architektonisch fügt es sich gelungen in das Quartier ein. Nach Fertigstellung ist dem Gebäude die Modulbauweise nicht anzusehen.

Dass diese Bauart auch eine Lösung für die Innenentwicklung ist, zeigt die Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft ABG in der Platensiedlung. Hier wurden dreigeschossige Bestandsgebäude um zwei Stockwerke erweitert. So entstanden bereits 380 neue Wohnungen in Modulbauweise, ohne neue Flächen zu verbrauchen. Die Raummodule für die Wohnungen wurden mit hohem Vorfertigungsgrad in einer Feldfabrik vor Ort produziert und auf der Baustelle in kurzer Zeit errichtet. Auch hier war der Bauprozess deutlich schneller und die Beeinträchtigung für Mieter geringer. Weitere 300 Wohnungen entstehen derzeit in neuen Brückenhäusern und Torbauten, mit denen die Innenhöfe gefasst und neu gestaltet werden. Dieses Projekt stammt jedoch noch nicht aus der GdW-Rahmenvereinbarung.

Im Februar 2019 wurde die Initiative des GdW bei der Rahmenvereinbarung mit dem Immobilienmanager Award in der Kategorie ‚Projektentwicklung Neubau‘ ausgezeichnet. In den nächsten Monaten entstehen 1.225 Wohnungen durch die GdW-Rahmenvereinbarung, weitere rund 2.400 Wohnungen sind in Planung, und für über 2.000 Wohnungen in serieller und modularer Bauweise lieferte die GdW-Rahmenvereinbarung Idee und Anstoß. Es tut sich also etwas.

Doch warum wird das serielle und modulare Bauen noch nicht flächendeckend beim Wohnungsbau genutzt?

Einmal genehmigt, mehrfach gebaut

Trotz bundesweit realisierter Modulbauprojekte bleiben einige Hürden für deren Umsetzung bestehen, wie z. B. die noch nicht flächendeckend eingeführte Typengenehmigung. Um das Bauverfahren zu erleichtern und so den Bau dringend benötigter Wohnungen zu beschleunigen, forderten der GdW und Regionalverbände die Einführung der Typengenehmigung in die Musterbauordnung sowie die Landesbauordnungen. Dies hätte ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Modulbauten und einen geringen bürokratischen Aufwand zur Folge. Dabei gilt: Einmal genehmigt, mehrfach gebaut! Die Bauministerkonferenz nahm die Forderung der Wohnungswirtschaft auf und entschied im Februar 2019, die Typengenehmigung in die Musterbauordnung aufzunehmen.

In der Regel dauert es jedoch etwas, bis die Länder neu aufgenommene Punkte aus der Musterbauordnung übernehmen. Manchmal ist dafür auch interessenspolitische Arbeit notwendig. Rheinland-Pfalz war Vorreiter und nahm die Typengenehmigung bereits im Sommer 2019 in die Landesbauordnung auf. In Hessen setzte sich der VdW südwest in der Allianz für Wohnen weiter für die Typengenehmigung ein, die im Sommer 2020 im Rahmen einer Novellierung in die Hessische Bauordnung übernommen wurde. Wichtig bleibt, dass möglichst alle Bundesländer die Typengenehmigung aufnehmen oder in ihrer Bauordnung auf die Musterbauordnung verweisen. Denn die Formulierung der Typengenehmigung in der Musterbauordnung, die die Grundlage für viele landesrechtliche Regelungen darstellt, enthält einen Passus, der bewirkt, dass Typengenehmigungen eines Landes auch in anderen Ländern anerkannt werden. Ein großer Vorteil gerade für Unternehmen, die in mehreren Bundesländern aktiv sind. Doch noch ist die Typengenehmigung nicht Teil aller Landesbauordnungen. Bisher gibt es sie in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Niedersachen und Bremen sind bereits auch dabei, die Landesbauordnungen entsprechend zu erweitern.

Einige Bundesländer haben die Typengenehmigung bereits in die Landesbauordnung aufgenommen.
Foto: FOTOMEK – stock.adobe.com

Auch mit Holz können serielle und modulare Wohnbauten gefertigt werden.
Foto: Peter Oppenländer

Wie geht es weiter?

Die Typengenehmigung erleichtert das serielle und modulare Bauen. Die Vorteile der Bauweise liegen auf der Hand. Nun geht es darum, die Typengenehmigung auch flächendeckend in der Praxis umzusetzen. Je stärker der Modulbau genutzt wird, desto preislich attraktiver wird er aufgrund von Skaleneffekten. Ein deutlicherer Preisvorteil wiederum führt zu einem stärkeren Einsatz – ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Es muss jedoch klar sein, dass der Modulbau nicht das Allheilmittel zur Lösung der Herausforderungen auf angespannten Wohnungsmärkten sein kann. Er leistet aber im Neubau wie auch in der Innenentwicklung und der Aufstockung von Bestandsgebäuden einen wichtigen Beitrag für bezahlbares Wohnen. Auch bei der großen Herausforderung des Klimaschutzes kann serielles und modulares Bauen bei der energetischen Sanierung von Gebäuden in der Zukunft ein wichtiger Baustein sein. Hierfür muss jedoch an weiteren Stellschrauben gedreht werden, um die Rahmenbedingungen für den Modulbau weiter zu verbessern. Zu nennen sind beispielsweise Erleichterungen bei Stellplatzverordnungen oder der Einsatz von Holz als Baustoff bei Aufstockungen bestehender Gebäude.

Auch im Bereich der Genehmigungsverfahren sind noch Verbesserungen nötig. Nordrhein-Westfalen hat kürzlich die referenzielle Baugenehmigung eingeführt, mit der zusätzlich die Zahl der benötigten Baugenehmigungen bei gleichen Gebäuden in einem Bebauungsplangebiet signifikant reduziert werden kann. Die Wohnungswirtschaft wird sich weiter dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für das serielle und modulare Bauen zu verbessern, damit schneller bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.

Der Autor


Dr. Axel Tausendpfund
Vorstand und Verbandsdirektor des VdW südwest
Der VdW südwest vertritt die Interessen von rund 200 privaten und öffentlichen Unternehmen der Wohnungswirtschaft in Hessen und dem südlichen Rheinland-Pfalz mit einem Wohnungsbestand von rund 400.000 Wohnungen. Als selbstständiger Regionalverband mit Sitz in Frankfurt am Main gehört der VdW südwest dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., Berlin an, der insgesamt 3.000 Unternehmen mit Wohnungen für 13 Millionen Menschen in Deutschland vertritt.

www.vdwsuedwest.de

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