Im Gespräch mit Thorsten Blatter: Gemeinschaftlich und ressourcenoptimiert

Im Gespräch mit Thorsten Blatter: Gemeinschaftlich und ressourcenoptimiert

Im Gespräch mit Thorsten Blatter

Gemeinschaftlich und ressourcenoptimiert

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © DAVID FRANCK, OSTFILDERN

IM GESPRÄCH MIT THORSTEN BLATTER – Gemeinschaftlich und ressourcenoptimiert

FOTO: ANDOFFICE

Das Baugemeinschaftsprojekt „NeighborWood“, das im Rahmen der BUGA 23 am Rande des Spinelli-Parks in Mannheim entstanden ist, zeichnet sich durch eine gemeinschaftliche und vielfältige Nachbarschaft, flexible Raumnutzung und ressourcenschonende Bauweise aus. Der Sonnenschutz wird u. a. durch Holzlamellen sichergestellt. Wir sprechen mit Thorsten Blatter, Partner bei andOFFICE, über die Besonderheiten und Herausforderungen des Projekts.

Auszug aus:

Sie haben einschlägige Erfahrung mit Holz als Baustoff für Mehrfamilienhäuser, u. a. durch die „Hoffnungshäuser“, die Sie für die Hoffnungsträger Stiftung geplant und umgesetzt haben. Auch „NeighborWood“ ist in Holzbauweise errichtet. Welche Vorgaben und Wünsche gab es in Bezug auf die Bauweise und Energieeffizienz?

Eine ökologisch nachhaltige Bauweise und Energieversorgung waren ein zentraler Aspekt der Leistungsanforderung durch die Baugemeinschaft. Dabei konnten wir noch einige Schritte weiter gehen als im klassischen investorengetriebenen Wohnungsbau, denn die intrinsische Motivation ist bei Baugemeinschaften und bei Selbstnutzern naturgemäß deutlich höher. Das Projekt wurde vom HIP Holz Innovativ Programm des MLR BW gefördert. Aber auch bei diesem Projekt gab es limitierende Faktoren wie ein überschaubares Budget sowie einen straffen Terminplan mit Fertigstellung des Projekts zur Eröffnung der BUGA 23. Durch unsere umfangreiche Erfahrung im Holzbau konnten wir neben gestalterischen Qualitäten ein hohes Maß an Vertrauen in der Projektanbahnung bilden.

1 | Das Wohnprojekt „NeighborWood“ ist im Rahmen der BUGA 23 am Rande des Spinelli-Parks in Mannheim entstanden.
FOTO: DAVID FRANCK, OSTFILDERN

3 | Die Fassadeneinteilung war frei, entwickelt sich von innen heraus und bildet die Individualität der Bewohner ab.
FOTO: DAVID FRANCK, OSTFILDERN

Welchen Einfluss hatte die prominente Lage an der Promenade am Rand des Spinelli-Parks auf die Planung?

Die direkte Position an der öffentlichen Promenade bedingt einen verantwortungsvollen städtebaulichen Umgang. Ein direkter Gebäudezugang sowie Gemeinschaftsfunktionen im EG mit subtilen Übergängen und Zwischenzonen von öffentlich zu privat führen zu einer engen Verknüpfung mit dem direkten Umfeld und einer starken Adressbildung. Weiter sind in allen großen Wohnungen die Loggien zur Promenade und nach Süden hin orientiert und genießen somit einen fantastischen Ausblick über das BUGA Gelände.

4 | Feststehende und verschiebbare Lamellen lassen an der Südfassade ein unterschiedliches Maß der Abgrenzung oder Öffnung zum öffentlichen Raum hin zu.
FOTO: DAVID FRANCK, OSTFILDERN

Gemeinschaftlich genutzte Flächen werden bei „NeighborWood“ großgeschrieben. Wie sind Sie an dieses Thema herangegangen und welche Auswirkungen hat dies in der Praxis?

Gemeinschaftliche Flächen entlasten den Einzelnen und stärken den Zusammenhalt einer gemeinschaftlichen Wohnform. Dennoch müssen auch sie am Ende des Tages bezahlt werden und reduzieren bei heute fast schon notwendiger Vollausnutzung eines Grundstücks die mögliche Gesamtwohnfläche. Unser Angebot für gemeinschaftliche Nutzungen verfolgt daher einen multifunktionalen Ansatz: Der Gemeinschaftsraum mit vollwertigem Bad kann für unterschiedlichste Situationen wie Gästezimmer, Geburtstagsfeier, Workshop/Werkstatt oder Versammlungen in Abstimmung mit den übrigen Bewohnern genutzt werden. So entsteht mit überschaubarem wirtschaftlichen Aufwand dennoch ein bunter Blumenstrauß der Möglichkeiten für jeden Einzelnen.

Auch im sozialen Bereich war eine nachhaltige Herangehensweise gewünscht. Welche Aspekte betraf dies und wie stellten Sie z. B. sicher, dass die Wohnungen dauerhaft unterschiedliche Haushaltsgrößen und Wohnansprüche abdecken können?

Damit sich jeder bestmöglich in seiner eigenen Wohnung austoben kann, haben wir von Anfang an die fixen Parameter des Gebäudes minimiert: Lediglich der Treppenkern und drei vertikale Steigschächte bilden die Leitplanken für sehr freie und unterschiedliche Wohnungsaufteilungen und Grundrisse. Sogar die Fassadeneinteilung war frei, entwickelt sich von innen heraus und erzeugt somit ein freies Spiel und ein direktes Abbild der Individualität der Bewohner.

Auf der Südseite prägen Holzlamellen den gestalterischen Eindruck des Gebäudes. Weshalb haben Sie sich für diese Art des konstruktiven Sonnenschutzes entschieden und welche weiteren Funktionen erfüllen die Lamellen?

Die Lamellen sind teilweise feststehend, die meisten Elemente der Südfassade aber verschiebbar. Somit lässt sich ein unterschiedliches Maß der Abgrenzung oder Öffnung zum öffentlichen Raum hin erzeugen, und das Gestaltungselement der scheinbar zufällig positionierten Fensteröffnungen wird fortgeführt: Es entsteht eine variable und lebendige Fassade und ein direktes Abbild der Hausgemeinschaft.

Gibt es weitere Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz?

Als weiteres Verschattungselement sind Raffstores verbaut. Grünelemente und ein Gründach erzeugen positive Effekte.

Welche Aufgabenfelder haben Sie bei „NeighborWood“ übernommen? Welche Tipps geben Sie für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Baugemeinschaften?

Wir haben die komplette Architekturleistung mit allen Leistungsphasen erbracht, mit Abschluss des Bauantrags darüber hinaus auch die Projektsteuerung der Baugemeinschaft. In den frühen Leistungsphasen konnten wir unser Idealbild der Zusammenarbeit im Bauteam etablieren und erproben: Ein Agieren auf Augenhöhe, geprägt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen sowie dem gemeinsamen Ziel eines erfolgreichen und gleichzeitig außergewöhnlichen Gebäudes. Darüber hinaus war die Baugemeinschaft mit zehn Parteien überschaubar groß, in sich sehr gut organisiert und vor allem entscheidungsstark. Letzteres ist ein wichtiger Aspekt bei einer sehr straffen Timeline.

Welche Bedeutung werden partizipative Wohnkonzepte in Zukunft in der Quartiersentwicklung haben?

Gemeinschaftliche Wohnformen beleben ein Quartier ungemein. Die Bewohner sind in der Regel überdurchschnittlich an ökologischen und sozialen Themen interessiert und übernehmen aus eigenem Antrieb heraus ein hohes Maß an gesellschaftlicher Verantwortung. Einzelne Projekte können dabei sehr unterschiedliche Schwerpunkte setzen und sind in ihrer Umsetzung viel freier als Wohnungsbaugesellschaften oder kommerzielle Investoren. Somit sind sie in der Quartiersentwicklung ein spannender Erzeuger von Urbanität im Sinne von Vielfalt und Kreativität.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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