Im Gespräch mit Regina Gaigl: Altersgerechtes Wohnen

Im Gespräch mit Regina Gaigl: Altersgerechtes Wohnen

Im Gespräch mit Regina Gaigl

Altersgerechtes Wohnen

Foto (Header): © REGINA GAIGL

FOTO: REGINA GAIGL

In Hohenlinden östlich von München hat sich die Gemeinde aufgrund der zu erwartenden demografischen Entwicklung dazu entschieden, ein Wohngebäude zu errichten, in dem sich auch ältere Menschen gut zurechtfinden können. Wir sprechen mit Architektin Regina Gaigl über das Gebäude und die Leitidee, die es den Menschen erlaubt, so lange wie möglich selbstständig in ihrem Umfeld wohnen zu bleiben.

Auszug aus:

Frau Gaigl, welche besonderen Anforderungen gab es bei der Planung und Gestaltung des seniorengerechten Gebäudes?

Auf eine der wesentlichsten Voraussetzungen für das Gelingen eines Wohngebäudes für Senioren haben wir als Architekten oftmals keinen Einfluss: die Lage des Baugrundstücks. In Hohenlinden hat die Gemeinde ein Grundstück  mit optimalen Rahmenbedingungen für die Nutzung durch ältere Menschen bereitgestellt. Dieses liegt zentrumsnah und zugleich am Ortsrand; Einrichtungen des täglichen Bedarfs sind fußläufig erreichbar, die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist gegeben. Außerdem bietet der Standort Möglichkeiten zur Naherholung mit Fuß- und Radwegen sowie dem Bachlauf gleich „hinter dem Haus“. Auf die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen haben wir bei der Gestaltung des seniorengerechten Gebäudes reagiert. Angestrebt wurde eine Architektur, die Kontakt fördert und eine lebendige Hausgemeinschaft unterstützt und somit der Vereinsamung im Alter entgegenwirkt. Die Erschließung der Wohnungen in Form von Laubengängen begünstigt die zwanglose Begegnung der Bewohner, ebenso Gemeinschaftsloggien, die an die Laubengänge angegliedert sind, sowie gemeinschaftlich genutzte Freibereiche.

Welche Parameter waren entscheidend, um ein Gebäude zu konzipieren, in denen Menschen möglichst lange selbstständig wohnen können?

Zunächst einmal war es wichtig, den körperlichen Veränderungen im Alter gerecht zu werden. Die Barrierefreiheit im gesamten Gebäude ist Grundvoraussetzung für das selbständige Wohnen. Dazu gehören außerhalb der Wohnungen automatische Türen, ausreichend dimensionierte Aufzüge, bequeme, rutschsichere Treppen mit optischen Kontrasten sowie für Rollstühle erforderliche Bewegungsflächen. Auch innerhalb der Wohnung sind ausreichend dimensionierte Bewegungsflächen erforderlich, außerdem ein barrierefreies Bad, Fenster mit niedrigen Brüstungen für den Ausblick auch im Sitzen oder Liegen sowie zusätzlichen Komfort durch einfache Steuerung der Haustechnik und die elektrische Bedienung von Rollläden. Für Unterstützung in Alltagsfragen, der Organisation von ambulanten Dienstleistungen, wie z. B. 24-h-Notruf, Essen auf Rädern, Pflege- und Betreuungsdiensten oder Wäscheservice, und auch bei technischen Problemen betreut ein Ansprechpartner vor Ort die Bewohner. Zudem bieten die Wohnungen oder Gästeapartments die Möglichkeit zur Unterbringung von Pflegekräften zur häuslichen Pflege bzw. Haushaltshilfen. Somit sind bereits die statistisch am häufigsten benötigten Zusatzmaßnahmen für ältere Menschen abgedeckt. Da ältere Menschen oft viel Zeit zu Hause verbringen, war uns aber vor allem ein angenehmes Wohnumfeld mit viel Licht und warmen freundlichen Materialien ein Anliegen, um dem erhöhten Bedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit im Alter gerecht zu werden.

Wie haben Sie die Gestaltung im Inneren vorgenommen?

Die klare Gestaltung der Grundrisse zur mühelosen Orientierung im Gebäude stand im Vordergrund. Überschaubare Einheiten mit 4 bis 5 Wohnungen je Laubengang schaffen Identifikation und unterstützen den Gedanken der Hausgemeinschaft. Alle 24 Wohnungen sind hell und nach Südosten ausgerichtet. Die Grundrisse sind möglichst offen konzipiert mit Schiebetüren für Blickbeziehungen zwischen den Aufenthaltsräumen. Fast alle Wohnungen verfügen über eine besonnte Loggia oder überdachte Terrasse als privaten, vor Zugluft geschützten Freibereich. Warme und zeitlose Materialien wie Holzböden, Holzfenster- und Türen sorgen für Behaglichkeit. Möbel und Küchen bringen die Bewohner selbst mit.

Ist auch die Unterbringung von Pflegepersonal vorgesehen?

Grundsätzlich handelt es sich bei dem Projekt in Hohenlinden nicht um ein Pflegeheim, sodass nicht mit dem dauerhaften Einsatz von Pflegepersonal gerechnet wird. Für den temporären Bedarf sind die offenen Wohnungsgrundrisse so konzipiert, dass in den meisten Wohnungen ohne oder nur durch geringe Umbaumaßnahmen ein Zimmer für eine Pflegekraft abgeteilt werden kann. Außerdem stehen vier Gästeapartments zur Unterbringung einer Pflegekraft zur Verfügung. So besteht die Möglichkeit, dass sich beispielsweise zwei Parteien eine Pflegekraft teilen.

Gibt es gemeinschaftlich genutzte Bereiche?

Gemeinschaftlich genutzte Bereiche waren für das Gebäudekonzept besonders wichtig. Ein Mehrzweckraum für ca. 70 Sitzplätze mit Küche und Nebenräumen ergänzt die Wohnnutzung. Für diesen Raum sind vielfältige Nutzungen möglich, wie beispielsweise Familienfeiern und selbst organisierte Treffen der Bewohner. Der Mehrzweckraum ist auch Schnittstelle zum Gemeindeleben und bietet Raum für Vereinsveranstaltungen, Lesungen, Sitzungen, Chorproben u. Ä. Neben dem Mehrzweckraum sind vor allem die Freiflächen für gemeinschaftliche Nutzungen mit unterschiedlichem Charakter gestaltet. Die gemeinschaftlichen Loggien wurden ja bereits erwähnt. Eine den Bewohnern vorbehaltene Dachterrasse sowie ein Grillplatz im Garten und Hochbeete zum gemeinsamen Gärtnern werden durch verschiedene überdachte und offene Sitzgelegenheiten in den Freianlagen ergänzt. Die beiden Wohnhäuser verbindet außerdem ein großzügiger öffentlicher Platz, der teilweise vom Verbindungsbau überdacht wird und sich gut für Sommerfeste eignet. Veranstaltungen im Mehrzweckraum können die Freifläche ebenfalls mit nutzen.

Wie hat die Umgebung die Gestaltung des Gebäudes beeinflusst? Ein besonderes Anliegen war für uns die harmonische Eingliederung in die ländliche Umgebung. Dies wird vor allem durch die differenzierte Gestaltung der Baukörper und Fassaden erreicht. Die Verwendung von regionalen Materialien wie Holz und handwerklich bearbeiteten Putzoberflächen trägt gleichermaßen dazu bei, dass sich das Gebäude gut in die Umgebung einfügt. Als Gestaltungselement sind Holzschiebeläden an den Fassadenaußenflächen angebracht, sie gliedern so die Fassade und sorgen für eine lebendiges Erscheinungsbild. Insgesamt erhielten wir für die architektonische Gestaltung der Wohngebäude viel positive Resonanz von Bewohnern und Gemeinde.

Mehr aus dieser Ausgabe

Alle Inhalte. Mehr Antworten.

Mit Q+ erhalten Sie sofort Zugriff auf:

✔ alle Inhalte aller vergangenen Ausgaben
✔ alle Inhalte zukünftiger Ausgaben

Jetzt 3 Monate testen!

nur 8€ 3 /Monat
(zzgl. MwSt.)

Jetzt testen

Sie haben bereits einen Zugang?

Icon