Im Gespräch mit den ACMS Architekten: Energieeffizienz und Recycling

Im Gespräch mit den ACMS Architekten: Energieeffizienz und Recycling

Im Gespräch mit den ACMS Architekten

Energieeffizienz und Recycling

Foto (Header): © SIGURD STEINPRINZ, DÜSSELDORF

FOTO: BEHRENDT & RAUSCH FOTOGRAFIE, CHRIS RAUSCH, WUPPERTAL

Vorfertigung bietet Chancen, birgt aber auch Risiken. Gute und im besten Sinn nachhaltige Architektur ist mit ihr, aber natürlich auch ohne sie möglich. Welche Rolle die Energie- und Ressourceneffizienz und das Recycling bei vorgefertigten Elementen spielt, erklären Prof. Christian Schlüter, Olaf Scheinpflug und Michael Müller (v. l. n. r.), Geschäftsführer von ACMS Architekten.

Auszug aus:

Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit vorgefertigten Modulen und Fassadenelementen. Welche Chancen bietet diese Bauweise?

Michael Müller: Entgegen seinem Ruf bietet der Modulbau architektonische Gestaltungsfreiheit, wenn man ihn als Konstruktionsprinzip und nicht als reine Katalogauswahl nutzt. Die Vorteile liegen in der Qualitätssicherung und Bauzeitverkürzung. Finanzielle Vorteile sind möglich, aber keinesfalls selbstverständlich. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Überlegungen beschäftigen wir uns nicht mit Modulen im Sinne der Vorfertigung ganzer Räume, sondern setzen auf einen Komponentenansatz. In der Regel entwerfen wir den Rohbau als vorgefertigtes Skelettsystem. Für die Gebäudehülle verwenden wir Holztafelelemente. Durch die Montage von Fenstern, Gebäudetechnik und meist auch der Fassade im Werk entstehen ökonomisch und ökologisch optimierte Bauteile mit unbegrenzter Gestaltungsvielfalt. Außerdem nutzen wir vorgefertigte Bäder. Sie ermöglichen eine Entzerrung der Gewerke im Innenausbau, die v. a. im Abdichtungs- und Schallschutz mit hoher Präzision arbeiten müssen.

Welche Potenziale bietet speziell der Holzbau?

Prof. Christian Schlüter: Holz speichert CO², und es ist sinnvoll, ein Maximum an CO² langfristig in Gebäuden einzulagern. Natürlich setzt dies eine nachhaltige Forstwirtschaft voraus. Neben den großen Chancen für den Klimaschutz ist Holz bezüglich seiner positiven emotionalen Ausstrahlung ein wichtiges Gestaltungsmaterial. Die vielfältigen konstruktiven Fügetechniken ermöglichen einen Verzicht auf hinsichtlich des Schadstoffgehalts problematische Verklebungen und sind im Sinne eines Cradle-to-Cradle-Ansatzes voll recyklierbar.

Gibt es Aspekte, die in Bezug auf den Klimaschutz zu wenig berücksichtigt werden?

MM: Die über 19 Millionen Bestandsgebäude in Deutschland, bei denen eine Reduktion des Energieverbrauchs von 75 % und mehr möglich ist, bieten ein großes Einsparpotenzial. Die Dämmung der Gebäudehülle spielt dabei eine zentrale Rolle. Es ergibt Sinn, zunächst den Energiebedarf durch solche Maßnahmen zu reduzieren und im zweiten Schritt die verbleibenden Bedarfe durch umweltschonende Energieerzeugung zu decken. Auch beim Thema Recycling steht die Baubranche noch am Anfang. Nicht nur der erste Nutzen darf im Mittelpunkt stehen, sondern auch die spätere Verwendung der Rohstoffe. Wir planen unsere Gebäude daher nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Je einfacher ein Gebäude wieder in seine Bestandteile zerlegt werden kann, desto besser. Neben diesen Effizienz- und Konsistenzstrategien werden wir nicht umhin kommen, auch über die Frage der Suffizienz nachzudenken. Jedes gebaute Gebäude belastet die Umwelt. Daher ist es notwendig, Flächen einzusparen, denn Wohnqualität bemisst sich nicht in Quadratmetern.

Das Studentenwohnheim Klaus Bahlsen in Hannover ist auf den ersten Blick nicht als Holzbau erkennbar.
FOTO: SIGURD STEINPRINZ, DÜSSELDORF

Sie erhielten mit dem Studentenwohnhaus Klaus Bahlsen in Hannover beim Holzbaupreis Niedersachsen 2018 eine Anerkennung. Welche Bauweise kam dort zum Einsatz?

Olaf Scheinpflug: Über die Anerkennung beim Holzbaupreis Niedersachsen haben wir uns sehr gefreut, vor allem deshalb, weil gar kein Holz zu sehen ist. Die benachbarte Bebauung stammt überwiegend aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende und steht unter Denkmalschutz. Es war wichtig, den Charakter des Straßenzugs zu erhalten. Die nicht tragenden Außenwände des Neubaus bestehen aus vorgefertigten Holztafelelementen. Allerdings ist davon nichts mehr zu sehen. Eine vorgehängte hinterlüftete Fassade mit hellem Ziegel-Verblendmauerwerk reagiert hier auf die Nachbarbebauung. Das Projekt zeigt, dass Holz im Verbund mit anderen Baustoffen auch in hochverdichteten, innerstädtischen Lagen sinnvoll zum Einsatz kommen kann.

Wie verhält es sich bei diesem Projekt mit der Energieeffizienz und Rezyklierbarkeit?

OS: Die beiden Neubauten erfüllen den Standard KfW-Effizienzhaus 40. Der Dämmstandard ist fast doppelt so gut wie gesetzlich gefordert. Aufgrund der schlechteren CO²-Bilanz von Beton setzen wir ihn nur dort ein, wo es wegen seiner Vorteile wie z. B. Brandschutz, Schallschutz oder Speicherfähigkeit tatsächlich Sinn ergibt, in diesem Fall für die Geschossdecken und wenige tragende Schotten. Die für den Energieverbrauch der Nutzungsphase maßgebliche Gebäudehülle besteht aus großformatig vorgefertigten Holztafelelementen. Durch die meist mechanischen und somit lösbaren Verbindungstechniken haben diese auch beim Recycling große Vorteile.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Modulbauweise?

CS: Von der Politik wünschen wir uns für den Holzbau, der oftmals die Grundlage vorgefertigter Bauteile ist, klarere Vorgaben von zugelassenen Lösungen. Die reine Beschreibung von Schutzzielen erzeugt eine große Unsicherheit. Die Schweiz ist ein gutes Vorbild: Hier wird die Ausführung von Holzfassaden bis zur Hochhausgrenze hinsichtlich der einzuhaltenden Schutzziele klar beschrieben, z. B. zur Vermeidung der Brandweiterleitung, es werden aber zusätzlich bis ins letzte Detail definierte beispielhafte Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Das gibt planerische Sicherheit, ohne eine Variantenvielfalt zu verhindern. Von der Industrie wünschen wir uns abgestimmte Systeme, für die die Hersteller auch entsprechende Eigenschaften zusichern. Hier wird die Entwicklungsarbeit noch zu sehr den einzelnen Planungsbüros überlassen. Auch ist der Planungsaufwand für vorgefertigte Systeme zu hoch. Ein vorgefertigtes Bad für den Wohnungsbau bedarf noch eines Planungsvorlaufs von etlichen Monaten, obwohl sich diese Bäder sehr gleichen. Ein einfaches Konfigurationstool könnte vermutlich zu deutlichen Kosten- und Zeiteinsparungen führen.

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