Im Gespräch mit Boris E. Biskamp: Studentisches Wohnen in Bielefeld

Im Gespräch mit Boris E. Biskamp: Studentisches Wohnen in Bielefeld

Im Gespräch mit Boris E. Biskamp

Studentisches Wohnen in Bielefeld

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © EdLantis – stock.adobe.com

Foto: Markus Luigs, Düsseldorf

Ausreichend zeitgemäßer Wohnraum für Studierende ist ein wesentlicher Faktor für die Qualität und Positionierung der Universitätsstadt Bielefeld, zu dem das Studierendenwerk Bielefeld mit rund 2.600 Wohnungen beiträgt. Rübsamen Partner entwickelten dafür zusammen mit dem Partnerbüro Ingenieurgesellschaft Laskowski ein Wohnquartier mit Apartments für 235 Studierende. Wir sprechen mit Boris E. Biskamp, geschäftsführender Gesellschafter bei Rübsamen Partner Architekten BDA, über die Besonderheiten und Herausforderungen des Projekts.

Auszug aus:

Herr Biskamp, auf dem Areal der Neubauten stand früher ein sanierungsbedürftiges und mit Schadstoffen kontaminiertes Wohn-Hochhaus. Durch welche neuen Qualitäten wertet die Anlage das Wohnumfeld auf?

Wohnen ist Teil der Stadt, Teil der Gemeinschaft. Für die Architektur bedeutet dies, diese Gemeinschaft, die Verantwortung wie die Offenheit ihr gegenüber, mitzudenken. Architektur für das Wohnen endet daher nicht an der Kubatur des einzelnen Gebäudes, sondern umfasst die umsichtige Planung des öffentlichen Raums. Sie erschafft und ordnet bestenfalls Nachbarschaften, steht in wohlgesetzter Relation zu anderen städtischen Funktionen und bindet, je nach Aufgabe, diese mit ein. Den Entwurf für das studentische Wohnprojekt in Bielefeld haben wir auf der Basis eines bereits vorentwickelten städtebaulichen Konzepts weiterentwickelt und die sehr kompakte Baukörperstruktur durch Fassadenrhythmik, Material und Farbe weiter konzentriert, verdichtet und zu einer Homogenität entwickelt. Aus der Qualität von Dichte und Fassaden entstehen einfache, Identifikation schaffende Binnenräume mit Aufenthaltsqualität.

Welche besonderen Herausforderungen bringt die Planung für studentisches Wohnen mit sich?

Zunächst die Antwort auf die Frage: „Wie wollen wir wohnen?“ Diese Frage berührt grundlegend das Selbstverständnis jedes Einzelnen. Sie betrifft Funktionalität ebenso wie Sinnlichkeit und emotionale Bindung, Intimität ebenso wie Offenheit gegenüber den Mitbewohnern, Schutz ebenso wie das Verhältnis zum, vom Wohnen selbst maßgeblich mitgeprägten, Stadtumfeld. Wohnen ist der Archetyp der Architekturaufgabe. Keine andere Nutzungsart erfordert die Organisation komplexerer Funktions‑, Raum- und Atmosphäreanforderungen auf kleinstem Raum. Bei studentischem Wohnen kommt hinzu, dass die – der Effizienz und Wirtschaftlichkeit geschuldete – serielle Addition nicht in Monotonie und Anonymität abgleiten darf, sondern aus sich heraus eine eigene Qualität und einen individuellen Mehrwert erzeugt.

Der Anspruch war es, hochwertige Gestaltung sicherzustellen und zugleich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie konnten Sie diesen Ansprüchen gerecht werden?

Ausgehend von unserem Anspruch, Architektur  nicht als kurzlebige Mode, sondern als dauerhaften Wert und damit als Ort im umfassenden und verlässlichen Sinne zu schaffen, begreifen wir Bauten für das Wohnen als eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben. Die Fragen von Anspruch, Qualität und Bezahlbarkeit erfordern ein stetiges Abwägen im Kontext von Funktion, Konstruktion, Struktur und Detail vor dem Hintergrund von Wiederholung, Vereinfachung, Präzision und Stellenwert. Wo kann ich vereinfachen und wiederholen, ohne nennenswert an Gestaltqualität zu verlieren, und wo muss ich den Fokus auf Präzision und  Sorgfalt setzen, um hochwertige Gestaltung zu erreichen und nicht in Banalität und Verlust von Wertigkeit abzugleiten.

Welchen Stellenwert nimmt die Fassadengestaltung ein?
Wie nahmen Sie die Materialwahl vor?

Neben dem Raum sind es vor allem die Fassaden der Häuser, deren Ordnung, Rhythmik, Materialität, Textur und Farbe den wesentlichen Aspekt eines Gebäudes zum öffentlichen Raum der Gemeinschaft beitragen. Auf den Fassaden liegt für uns daher immer ein Fokus, so auch bei der Entwicklung des studentischen Wohnquartiers in Bielefeld. Erst aus dem Zusammenspiel aus verdichtetem Raum, der wohl balancierten Fassadenordnung und Proportionierung von offenen zu geschlossenen zu ornamentierten Flächen, der Material-Textur- Farbwirkung des weiß geschlämmten blass-roten Wasserstrichziegels, entsteht die helle und freundliche Atmosphäre in den grünen Freiräumen des Quartiers. Bei der Materialwahl ist es unsere Aufgabe zu ergründen, welches Material letztendlich trägt und wie sich seine Oberfläche, Struktur und Farbe vor dem Hintergrund von Licht, Fuge und Verarbeitung entwickelt. Neben Erfahrung und einer umfassenden Materialrecherche setzt dies einen intensiven Prozess der Bemusterung, Abstimmung und Moderation im Austausch mit dem Bauherrn voraus.

Die Gebäude wurden 2019 fertiggestellt. Gibt es schon Resonanz von den Betreibern oder Bewohnern zur Bewirtschaftung und Wohnqualität?

Die neuen Bewohner haben das Quartier und den Wohnraum sehr gut angenommen – auch die Rückmeldungen des Bauherrn und Betreibers stimmen uns zufrieden. Letztlich ist der Projekterfolg immer auch der Erfolg eines funktionierenden Kräftepaars aus Bauherr und Architekt/Planer. Mit dem Studierendenwerk Bielefeld hatten wir einen Bauherrn, der qua seiner Erfahrung und Professionalität die Anforderungen und Zielvorgaben für studentische Wohnbauprojekte so zu präzisieren und zu steuern versteht, dass sowohl der Erfolg der Vermietung, als auch der von Betrieb und Bewirtschaftung gesichert sind.

Beim studentischen Wohnquartier in Bielefeld entstanden aus der Qualität von Dichte und Fassaden einfache, Identifikation schaffende Binnenräume mit Aufenthaltsqualität.
Foto: Jens Kirchner, Düsseldorf

Als Material für die Fassade kam weiß geschlämmter, blass-roter Wasserstrichziegel zum Einsatz.
Foto: Jens Kirchner, Düsseldorf

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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