Abstellanlagen: Pro und Kontra von Stellplatzpflicht

Abstellanlagen: Pro und Kontra von Stellplatzpflicht

Recht & Steuern

Abstellanlagen: Pro und Kontra von Stellplatzpflicht

Text: Manfred Wacker | Foto (Header): © TL6781 – stock.adobe.com

Wie wirkt sich das zukünftige Mobilitätsverhalten auf die Anzahl der geforderten Stellplätze für Fahrzeuge aus? Und wie wird dies in den verschiedenen Bundesländern gehandhabt, was hat sich bewährt? Ein Überblick.

Auszug aus:

Energie‑, Agrar- und Umweltwende sind in vollem Gange und auch beim Thema Parken und Verkehr sind innovative Lösungen gefragt. Wann werden wir autonome Fahrzeuge haben? Wie werden diese betrieben werden und stehen sie weiterhin im Privatbesitz oder als Flottenangebote, für die dann kein privater Parkraum vorzuhalten wäre? Welche Rolle werden in Zukunft der öffentliche Verkehr, der Radverkehr oder gar Elektrokleinstfahrzeuge spielen?

Der Trend spricht immer noch für ein Verkehrsverhalten, wie wir es über viele Jahrzehnte gewohnt sind. Teilweise wurde die Nutzung des individuellen Pkws in den letzten Jahren sogar noch intensiviert. Alle diese Entwicklungen haben natürlich Auswirkungen auf die Notwendigkeit, Abstellanlagen für die einzelnen Verkehrsmittel vorzuhalten. Einige der angesprochenen Trends, wie der öffentliche Verkehr, Radverkehr und Elektrokleinstfahrzeuge, reduzieren die Notwendigkeit, Pkw-Stellplätze vorzuhalten. Andere, wie im Fall der Elektromobilität, definieren zusätzliche besondere Anforderungen an die Pkw-Stellplätze.

Vor diesem unsicheren Hintergrund ist es schwierig, bei langlebigen Immobilien- und Bauentscheidungen die richtige Wahl über die notwendigen Abstellanlagen für die Mobilitätsbedürfnisse der künftigen Nutzer zu treffen. Dies gilt auch für den Wohnungsbau. Teilweise wird diese Entscheidung den Bauherren allerdings abgenommen: durch die in den Landesbauordnungen definierte Pflicht, notwendige Stellplätze für die Mobilitätsbedürfnisse der künftigen Bewohner in ausreichendem Umfang bereitzustellen.

Die Stellplatzpflicht

Bereits sehr frühzeitig erkannte der Gesetzgeber, dass es mit zunehmender Anzahl an Fahrzeugen notwendig ist, bei Neu- oder Umbau bzw. Umnutzung eines Gebäudes der dadurch ausgelösten Nachfrage nach Abstellmöglichkeiten für Pkw durch ein Angebot im privaten Bereich, also außerhalb des öffentlichen Straßenraums, auf dem Baugrundstück, nachzukommen. Bereits die Reichsgaragenordnung aus dem Jahr 1939 griff diesen Gedanken auf. Im Grundsatz besteht diese Regelung heute noch, in einigen Bundesländern erweitert um analoge Forderungen für den Radverkehr. Im Wohnungsbau orientiert sich diese Forderung üblicherweise an der Anzahl der Wohnungen, unabhängig von der Größe der Wohnung und der zu erwartenden Anzahl von Bewohnern. Die Mindestforderung beläuft sich üblicherweise auf ein bis zwei Pkw-Stellplätze je Wohneinheit. Hamburg forderte schon seit Jahren im sozialen Wohnungsbau nur 0,8 Stellplätze pro Wohneinheit. Die Stadt hat damit zwar gute Erfahrungen gemacht, hat nun aber, wie auch zuvor Berlin, die Stellplatzforderung für Wohnen komplett abgeschafft.

Wie notwendig die Stellplatzpflicht ist, zeigt sich in innenstadtnahen Wohngebieten, wie z. B. Gründerzeitvierteln. In diesen wurden die Wohngebäude gebaut, bevor der Pkw überhaupt erfunden wurde, und daher wird bei diesen Gebäuden kein privater Parkraum angeboten. Das hält aber die Bewohner nicht davon ab, in diese attraktiven Wohngebiete zu ziehen, auch wenn sie einen oder mehrere Pkw besitzen. Diese können ja mehr oder weniger kostenlos im öffentlichen Straßenraum abgestellt werden. Das Resultat sind mit Pkw überzogene Straßenräume, der Entzug wertvoller öffentlicher Verkehrsfläche, das illegale Parken auf Gehwegen, in Feuerwehrzufahrten, in Knotenpunkten oder beidseitig an zu engen Straßen mit entsprechenden Behinderungen für Rettungsfahrzeuge, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Theorie, dass das Nicht-Anbieten eines Stellplatzes die Bewohner vom Pkw-Besitz abhält, scheint also nicht zu greifen.

Auf der anderen Seite klagen Bauherren oft über die mit der Stellplatzpflicht verbundenen Kosten für die Herstellung der Stellplätze. Diese Klagen sind insofern verwunderlich, da auf der anderen Seite gerne mit Stellplätzen geworben wird, insbesondere bei hochpreisigen Objekten. Hier werden dann sogar zwei Stellplätze je Wohneinheit angeboten oder es wird mit XXL-Stellplätzen, also besonders breiten und bequem zu nutzenden Stellplätzen, geworben. Die Klagen kommen überwiegend aus dem Bereich des geförderten Wohnungsbaus. Aber auch der Kleinwagen benötigt seine Abstellmöglichkeit, nicht nur die Luxuskarosse.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Stellplatzpflicht nach den Landesbauordnungen zunächst eine Untergrenze an zu erstellenden Stellplätzen definiert, die, bis auf genau definierte Ausnahmen, erfüllt werden muss. Es steht dem Bauherren aber frei, mehr Stellplätze zu bauen, so er möchte bzw. soweit er es als wirtschaftlich erachtet. Hier können die Kommunen durch Bebauungspläne eine Obergrenze definieren, die die maximal erlaubte Anzahl von Stellplätzen je Wohneinheit definiert. Zum einen gibt es, je nach Blickwinkel, sehr unterschiedliche Bewertungen der Stellplatzpflicht, zum anderen aus Sicht der Nutzer sehr unterschiedliche Ansprüche an die Ausstattung einer Wohnung mit Stellplätzen.

Beispiele für überparkte Straßenräume im Stuttgarter Westen
FOTO: MANFRED WACKER

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Überblick Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland gibt es sehr verschiedene länderspezifische Regelungen zur Stellplatzpflicht im Wohnungsbau. Die Tabelle zeigt einen kurzgefassten Überblick über die bestehenden Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Dabei kann selbstverständlich nicht die gesamte Regelungsbreite dargelegt werden. Vielmehr wird der Tenor der baurechtlichen Regelungen zur Festlegung der Anzahl der notwendigen Stellplätze für Wohnungen wiedergegeben. Bei konkreten Bauvorhaben sind die entsprechenden landesrechtlichen (Landesbauordnung und ggf. zusätzliche Verordnungen, Erlasse o. Ä.) und örtlichen (z. B. Stellplatzsatzung, Bebauungsplan) Vorschriften zu beachten.

Die frühere feste Verpflichtung zum Bau notwendiger Stellplätze im Wohnungsbau findet sich nur noch in Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Dabei verlangt Baden-Württemberg generell nur einen Stellplatz je Wohneinheit. Das mag im Einzelfall im geförderten Wohnungsbau in Lagen mit sehr gutem Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr zu viel sein, in anderen Lagen aber zu wenig. So werden in Baden-Württemberg aus einigen peripher gelegenen Neubau-Wohngebieten der letzten Jahre Überlastungen des öffentlichen Parkraums in der Nacht durch Anwohnerfahrzeuge gemeldet, da viele Familien offensichtlich mehr als einen Pkw besitzen.

Niedersachsen und Rheinland-Pfalz geben eine flexible Mindestforderung vor und differenzieren dabei nach Ein- und Mehrfamilienhäusern, fordern aber beide mindestens einen Stellplatz je Wohneinheit. Hier wird also berücksichtigt, dass ggf. mehr Parkraum auf privatem Grund benötigt wird. Die genaue Ausgestaltung wird in diesen Bundesländern dann den Kommunen durch örtliche Bauvorschriften überlassen.

In Bremen findet sich eine sehr detaillierte Regelung, die nach der Wohnungsgröße differenziert. Dabei wird bei Wohngebäuden mit mehreren kleineren Wohnungen (< 90 m²) auch die magische Grenze von einem Stellplatz je Wohneinheit unterschritten.

Schleswig-Holstein gibt Mindestwerte vor, die nach der Art des Gebäudes differenzieren (Einfamilienhäuser: 1 Stellplatz, Mehrfamilienhäuser: 0,7 – 1 Stellplatz/Wohneinheit). Damit kann von den Kommunen bei Mehrfamilienhäusern deutlich weniger als ein Stellplatz je Wohneinheit verlangt werden. Zusätzlich können die Kommunen örtliche Bauvorschriften erlassen, die in ihren Forderungen von den genannten Mindestwerten abweichen.

Auch Bayern (1 Stellplatz je Wohneinheit) und Sachsen (1 – 2 Stellplätze je Wohneinheit) geben einen Mindestwert vor, überlassen es aber den Kommunen, situationsbedingt durch örtliche Bauvorschriften andere Mindestwerte zu definieren.

Das Saarland kennt die Stellplatzpflicht nur für Mehrfamilienhäuser, während für Wohngebäude mit einer oder zwei Wohneinheiten keine notwendigen Stellplätze zu errichten sind.

Thüringen benennt nur Orientierungswerte, die nach Ein- (1 – 2 Stellplätze) und Mehrfamilienhäusern (1 – 1,5 Stellplätze) differenzieren. Die konkrete Festlegung der Mindestforderung erfolgt dann durch die örtlichen Bauaufsichtsbehörden.

Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt definieren in ihren Landesbauordnungen keine Stellplatzflicht für Wohngebäude. Sie ermächtigen allerdings die Kommunen, durch örtliche Bauvorschriften eine Forderung nach notwendigen Stellplätzen einführen zu können.

Hamburg und Berlin verzichten gänzlich auf die Stellplatzpflicht für Wohnungen. Hier ist es also, sofern durch Bebauungsplan erlaubt, den Bauherren überlassen, ob und wie viele private Stellplätze sie bauen möchten. Berlin verlangt allerdings die ausreichende Bereitstellung notwendiger Stellplätze für Menschen mit Behinderungen. Aus Berlin sind allerdings erste Erfahrungsberichte zu hören, nach denen der Verzicht auf die Forderung, notwendige Stellplätze zu errichten, zu einer Unterversorgung mit Stellplätzen führt, wodurch sukzessive Parkraumprobleme im öffentlichen Straßenraum entstehen.

Schlussfolgerungen

Offensichtlich erlaubt das deutsche Baurecht den einzelnen Bundesländern, sehr unterschiedliche Regelungen zur privaten Stellplatzversorgung im Wohnungsbau zu treffen. Dabei ist eine Tendenz zu immer geringeren Forderungen festzustellen. Dies hat offensichtlich in einzelnen Beispielen bereits zu einer Unterversorgung mit Stellplätzen im privaten Bereich mit entsprechenden Parkraumproblemen im öffentlichen Straßenraum geführt, zum anderen aber auch nicht die These unterstützt, dass allein durch das Anbieten von weniger Parkraum der Pkw-Besitz zurückgeht.

Manche Bundesländer überlassen die Ausgestaltung der Stellplatzpflicht den Kommunen. Damit liegt die Entscheidung über diese Frage vor Ort bei den entsprechenden Kompetenzträgern. Daraus resultieren variable Regelungen mit Forderungen nach weniger als einem, aber auch nach mehr als einem Stellplatz pro Wohneinheit in Verbindung mit einer Differenzierung nach der Art des Wohngebäudes (Ein‑, Zwei‑, Mehrfamilienhaus) und nach der Wohnungsgröße.

Insgesamt ist festzuhalten, dass – auch im Wohnungsbau – an der Stellplatzpflicht festgehalten werden muss. Nach wie vor bedeutet der Besitz eines eigenen Pkw der Bevölkerung in Deutschland sehr viel. Aber die private Nutzung Wohnen und der private Besitz des Pkw verlangen auch nach einer privaten Lösung des Problems, nämlich dem Stellplatz auf privatem Grund. Moderne Verkehrsplanung sollte immer darauf ausgerichtet sein, das Parkraumangebot im öffentlichen Straßenraum so weit wie möglich zu minimieren. Der Straßenraum ohne Parkstand ist der beste Straßenraum! Die Stellplatzpflicht sollte allerdings variabel, den  örtlichen Gegebenheiten angepasst und von den örtlichen Baubehörden festgelegt werden können. Insofern können die Regelungen in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt durchaus als beispielgebend  definiert werden.

Es wäre wünschenswert, wenn es trotz der hohen Bedeutung des Föderalismus in Deutschland wieder zu einer bundeseinheitlichen Regelung der Stellplatzpflicht in Deutschland kommen könnte. Die angesprochene Flexibilisierung der Stellplatzpflicht könnte dabei helfen, da sie es erlauben würde, lokale oder regionale Besonderheiten abzubilden.

Bundesland Stellplatz je Wohneinheit (nach Landesbauordnung o. Ä.)
Baden-Württemberg 1
Bayern 1, Abweichung durch örtliche Bauvorschrift möglich
Berlin 0, nur Stellplätze für Menschen mit Behinderung
Brandenburg 0, Festlegung durch örtliche Bauvorschrift
Bremen 1 (Wohnungsgröße bis 160 m²) / 2 (Wohnungsgröße ab 160 m²) / 0,8 (Bauvorhaben mit mehr als 4 Wohnungen bis zu je 90 m²)
Hamburg 0
Hessen 0, Festlegung durch örtliche Bauvorschrift
Mecklenburg-Vorpommern 0, Festlegung durch örtliche Bauvorschrift
Niedersachsen 1 – 1,5 (Mehrfamilienhäuser) / 1 – 2 (Einfamilienhäuser)
Nordrhein-Westfalen 0, Festlegung durch örtliche Bauvorschrift
Rheinland-Pfalz 1 – 1,5 (Mehrfamilienhäuser) / 1 – 2 (Einfamilienhäuser)
Saarland 0 (Ein-/Zweifamilienhäuser) / Stellplatzpflicht nur für Mehrfamilienhäuser
Sachsen 1 – 2, Abweichung durch örtliche Bauvorschrift möglich
Sachsen-Anhalt 0, Festlegung durch örtliche Bauvorschrift
Schleswig-Holstein 0,7 – 1 (Mehrfamilienhäuser) / 1 (Einfamilienhäuser), Abweichung durch örtliche Bauvorschrift möglich
Thüringen 1 – 1,5 (Mehrfamilienhäuser) / 1 – 2 (Einfamilienhäuser) (Orientierungswerte), Festlegung im Einzelfall durch die Bauaufsichtsbehörde

Übersicht Stellplatzverordnungen der Länder

Der Autor


AOR Dipl.-Ing. Manfred Wacker
Manfred Wacker arbeitet seit 1985 am Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart, mittlerweile als Akademischer Oberrat und stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik. Während dieser Zeit hat er sich weltweit mit unterschiedlichsten Fragestellungen des ruhenden Verkehrs – des Parkens – beschäftigt, u. a. mit Regelungen zur Festlegung der Anzahl notwendiger Stellplätze im privaten Bereich, mit Wirkungsuntersuchungen unterschiedlichster Modelle der Parkraumbewirtschaftung im öffentlichen Straßenraum oder mit der Aufstellung umfassender Parkraumkonzepte.

manfred.wacker@isv.uni-stuttgart.de

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