Im Gespräch mit Bernd Petraus: Intelligente Energiesystemplanung mit KI

Im Gespräch mit Bernd Petraus: Intelligente Energiesystemplanung mit KI

Im Gespräch mit Bernd Petraus

Intelligente Energiesystemplanung mit KI

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © EdLantis – stock.adobe.com

Bernd Petraus

Foto: HIPP | Art and Design

Energiekonzepte helfen dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, um Projekte energieeffizient, wirtschaftlich und nachhaltig zu gestalten. Wir sprechen mit Bernd Petraus, Gründer der KI-gestützten Software berta & rudi, über die aktuellen Herausforderungen für die Branche und wie Softwarelösungen dabei unterstützen können.

Auszug aus:

Herr Petraus, die Erstellung von Energiekonzepten ist sehr komplex, aber auch essenzieller Bestandteil fast jeder Gebäude- oder Quartiersplanung. Wie unterstützt berta & rudi dabei?

berta & rudi helfen dabei, genau dort Zeit und Ressourcen zu sparen, wo klassischerweise die größten Reibungsverluste in der Planung entstehen: bei wiederholten Anpassungen, der Prognoseerstellung und der Variantenbildung. berta nutzt KI, um auf Basis weniger Parameter extrem schnell präzise Lastgänge zu erstellen. rudi optimiert dann auf dieser Basis die Versorgungskonzepte – exakt, belastbar und jederzeit nachvollziehbar. Ich sehe darin vor allem eins: Endlich wird das Planen iterativ, ohne Frust. Wir können dadurch in weniger als einem Tag Konzepte entwerfen, bewerten, anpassen – und das alles gemeinsam mit anderen Projektbeteiligten bzw. dem Kunden in Echtzeit. Das ist ein echter Gamechanger für unsere Branche.

Für welche Funktionen sind die Bestandteile berta und rudi zuständig?

Man kann sagen: berta denkt vor, rudi rechnet nach. berta ist die KI-gestützte Komponente, die auf Basis von Millionen Gebäudedatensätzen stundengenaue Bedarfsprognosen je Gebäude erstellt. Das ist nicht nur schnell, sondern auch erstaunlich realitätsnah. rudi hingegen ist der analytische Part: Er nutzt mathematische Optimierung, um aus diesen Prognosen konkrete Versorgungslösungen zu entwickeln – etwa für PV, Wärmepumpen, Speicher, Kessel. Und das flexibel nach Zielvorgabe: ob Investitionskosten, CO2-Ausstoß oder Betriebskosten – rudi findet die beste Variante im gegebenen Rahmen. Und für die Infrastruktur dazwischen, also die Netze, haben wir fiona entwickelt, eine automatisierte Wärmenetzplanung. fiona integrieren wir gerade in berta & rudi. Somit können wir zukünftig nicht nur Vorschläge zur Netzplanung machen, sondern in Kombination mit berta & rudi auch Vergleiche zwischen zentralen und dezentralen Energieversorgungslösungen machen. Denn Netze lohnen sich häufig nur unter bestimmten Bedingungen.

Wie haben Sie die KI gezielt trainiert?

Die KI von berta wurde mit einem umfassenden Datensatz trainiert – über eine Million Gebäude, bestehend aus Messund Simulationsdaten. Dadurch erkennt berta Muster und Zusammenhänge, etwa zwischen Gebäudeparametern, Nutzerverhalten und Energiebedarf. Besonders spannend finde ich: Selbst mit wenigen Eingangsdaten kann berta erstaunlich valide Ergebnisse liefern, die sich später präzisieren lassen. Das schafft eine extrem niedrige Einstiegshürde und erlaubt es, schnell erste Aussagen zu treffen – ohne wochenlange Datensammlung.

1 | Ansicht Software berta & rudi. Liegenschaft: Hier wird durch Eingaben wie Standort und Projektbezeichnung sowie weitere benutzerdefinierte Attribute die Grundlage für die präzise Energieprognose geschaffen. Durch die Eingabe des Standorts fließen lokale Einflüsse wie Wetter- und Klimadaten direkt in die Berechnungen ein.
Bild: DBI AG

Nachhaltigkeitsaspekte nehmen in der Planung einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und wie können Softwareanwendungen dabei unterstützen?

Die Herausforderung liegt darin, Nachhaltigkeit konkret und wirtschaftlich zu machen. Viele Entscheidungen in der frühen Planungsphase basieren noch auf Annahmen oder unvollständigen Informationen. Tools wie berta & rudi schaffen hier Transparenz. Wir können etwa sehen, ob eine Wärmepumpe wirklich Sinn ergibt – oder wann ein Biomassekessel eventuell sinnvoller ist. Außerdem ermöglichen sie die Betrachtung ganzer Lebenszyklen und CO2-Szenarien – auf Knopfdruck. Das hilft nicht nur bei der Entscheidungsfindung, sondern auch beim Dialog mit Stakeholdern.

2 | Varianten: Durch das hochdynamische Blockschaltbild wird die Konfiguration des Energiesystems klar und transparent. Jede Änderung an Erzeugern oder Energiekreisläufen wird unmittelbar visualisiert.
Bild: DBI AG

Welche Potenziale sehen Sie für den Bestand?

Technik wird alle 15 bis 25 Jahre erneuert. Gebäude stehen viel länger – und das ist gut so, weil durch die Erstellung bereits viel CO2 emittiert wurde. Berücksichtigt man weiterhin, dass nachträgliche Sanierungen der Hülle meist sehr kostspielig sind, wie beispielsweise Dachsanierung, Fassadendämmung oder Fenstertausch, liegt der folgende Schluss meist nahe: Wenn wir beim Tausch der Heiztechnik präzise planen, erreichen wir viel mehr für CO2 und Wirtschaftlichkeit. Und das stimmt in der Einzelbetrachtung häufig auch. Das soll trotzdem kein Plädoyer dafür sein, die Gebäudehülle zu vernachlässigen. Vermeiden ist i. d. R. besser als Optimieren. Außerdem wäre zumindest aktuell eine vollständige Elektrifizierung der Wärme ohne Bedarfsreduktion nicht sinnvoll möglich, zumindest nicht im Sinne der Nachhaltigkeit. Sie merken aber in jedem Fall, im Bestand liegt das größte Potenzial – und leider oft auch die größte Komplexität. Hier stoßen klassische Tools oft an ihre Grenzen. berta kann aus wenigen historischen Daten – z. B. einem Gasjahresverbrauch – stundengenaue Bedarfe ableiten. Das erlaubt es uns, auch für Altbauten fundierte Konzepte zu entwickeln, ohne alles vollständig erfassen zu müssen.

Sie sehen berta & rudi nicht nur als Planungs-, sondern als Kommunikationswerkzeug. Wie ändert sich der Ablauf von Prozessen dadurch?

Früher waren Energiekonzepte PDFs, die irgendwo im Projektverlauf einfroren. Heute sind sie lebendige Modelle, die wir im Dialog weiterentwickeln. Wir können in Workshops mit Bauherren und Projektbeteiligten direkt Szenarien durchrechnen, Varianten vergleichen und gemeinsam Änderungen vornehmen und Entscheidungen treffen. Das beschleunigt nicht nur die Planung, sondern erhöht auch die Akzeptanz. Plötzlich ist Planung kein isolierter Expertenprozess mehr, sondern ein gemeinsames Arbeiten – und das verändert den ganzen Charakter der Projektentwicklung.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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