Stadtmonitoring: Digitale Planungs- und Entscheidungsunterstützung für die Stadtentwicklung

Stadtmonitoring: Digitale Planungs- und Entscheidungsunterstützung für die Stadtentwicklung

Städtebau & Quartiersentwicklung

Stadtmonitoring: Digitale Planungs- und Entscheidungsunterstützung für die Stadtentwicklung

Text: Dr.-Ing. Alexandra Lindner | Foto (Header): © Robert Kneschke – stock.adobe.com

Die vielfältigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse – darunter vor allem der demografische Wandel – erfordern innovative Ansätze auf kommunaler Ebene, um diese Prozesse mit einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Stadt- und Regionalentwicklung in Deutschland überein zu bringen. Mit KomMonitor steht dafür ein GIS-gestütztes Monitoringsystem als Tool der praxisnahen Entscheidungsunterstützung zur Verfügung.

Auszug aus:

Als kleinräumige Untersuchungs- und Handlungsebene der relevanten Akteure in Forschung und Planungspraxis hat sich in den vergangen Jahren zunehmend die Quartiersebene etabliert (vgl. [1] [2]). Die fortschreitende Digitalisierung und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten im Zusammenhang mit E-Government stellen viele Kommunen neben den vielfältigen gesellschaftlichen Transformationsprozessen vor weitere Herausforderungen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der im Jahr 2016 ausgelobten Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ innerhalb des Rahmenprogramms „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA) Kommunen in Deutschland als Forschungspartner explizit adressiert, um deren Rolle als Initiatoren, Partner und Adressaten von Forschung, Entwicklung und Innovation für eine nachhaltige, demografiefeste Entwicklung der Städte und Regionen in Deutschland zu stärken. Für die Forschungsverbünde war eine aktive Beteiligung von kommunalen Verbundpartnern verpflichtend. Ziel war es, im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Land- und Flächenressourcen innovative Wege zu bestreiten, neue Instrumente und Methoden zur Stadtentwicklungsplanung zu erproben und dabei immer die Umsetzbarkeit in der kommunalen Praxis zu fokussieren.

FOTO: ROBERT KNESCHKE – STOCK.ADOBE.COM

Struktur und Themenfelder im Indikatorenframework KomMonitor
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Zielsetzung KomMonitor

Im Rahmen von „Kommunen innovativ“ wird das Verbundvorhaben „KomMonitor – Kommunales Monitoring zur Raumentwicklung: Demografie, Sozialstruktur, Wohnen und Umwelt in der Stadt“ (Laufzeit 2017–2020) gefördert. Gemeinsam entwickeln die Forschungspartner Hochschule Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Stadt Essen und Stadt Mülheim an der Ruhr ein GIS-gestütztes Monitoringsystem als Tool der praxisnahen Entscheidungsunterstützung. Es dient auf der einen Seite dazu, anhand aussagekräftiger Daten Möglichkeiten zur Raumentwicklung zu erkennen und – im Sinne eines Frühwarnsystems – auf der anderen Seite soziale und städtebauliche Problemlagen zu identifizieren. Das Monitoringsystem kann damit als ressortübergreifende Planungsgrundlage zur Steuerung und Koordinierung städtischer Maßnahmen und Ressourcenverteilung dienen und soll generisch angelegt sein, sodass die Übertragbarkeit auch auf andere relevante kommunale Handlungsfelder problemlos möglich ist. Durch das Verbundvorhaben „KomMonitor“ sollen neue Impulse gesetzt und darüber hinaus Lösungen entwickelt werden, die den aktuellen und ganz praktischen Anwendungsbedarfen der Kommunen entsprechen. Genau an dieser Stelle setzt das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben KomMonitor an, das das Ziel verfolgt, ein integriertes kommunales raumzeitliches Monitoringsystem zu entwickeln, das ämterübergreifend nutzbar ist.

Entsprechend den Schwerpunkten der Fördermaßnahme und anhand der Bedarfe der kommunalen Verbundpartner hat das Projekt vier zentrale Themenfelder identifiziert, die zunächst vorrangig in KomMonitor betrachtet werden sollten: Wohnen, Demografie, Sozialstruktur und Umwelt. Daneben sollen im weiteren Verlauf zusätzliche Themen und v. a. auch Querschnittsbetrachtungen ermöglicht werden. Für die abzubildenden Themenfelder galt es, ein integriertes Indikatorenset zu konzipieren und für die beteiligten kommunalen Partner modellhaft umzusetzen. Das entwickelte Indikatorenframework strukturiert die im KomMonitor-System vorgehaltenen Indikatoren auf drei hierarchischen Ebenen. Rohdaten bilden auf der untersten Ebene Sachinformationen ab und sind die Basis für die darauf aufbauende Zusammensetzung von Indikatoren. Zu solchen Rohdaten zählen grundlegende Datensätze, wie beispielsweise Einwohnerdaten oder sog. Points of Interest.

Auf Ebene der Indikatoren wurden die Rohdaten weiterverarbeitet und mit einer bewertenden Aussage versehen, etwa durch Klassifizierungen oder das Bilden von Verhältniszahlen. Auf diese Weise erhalten die Daten eine inhaltliche Aussage und geben Handlungsorientierung. Die übergeordneten, sog. Leitindikatoren setzen sich aus mehreren Indikatoren zusammen, bilden Sachverhalte auf aggregierter Ebene ab und zeigen somit Handlungsbedarfe in den vorgenannten Themenfeldern überblicksartig auf. Darüber hinaus gibt es querliegend themenübergreifende Entscheidungstools, wie z. B. Erreichbarkeitsanalysen.

Best Practice-Analyse raumbezogener Monitoringsysteme

Als Basis für die Entwicklung des Monitoringsystems diente eine Best Practice-Analyse existierender und frei zugänglicher überwiegend kommunaler Raumbeobachtungsportale. In der Analyse wurden u. a. die 100 größten Städte Deutschlands hinsichtlich öffentlich zugänglicher Geo‑, Statistik‑, und Monitoringportalen untersucht. Auf diesem Wege wurden bestehende und erfolgreiche Ansätze gescreent und Anforderungen an das zu erstellende System identifiziert. Die Mehrzahl der betrachteten Kommunen hielt kein öffentlich zugängliches Portal vor, jedoch konnten insgesamt 39 Portale einer systematischen Bewertung anhand eines Analyserasters unterzogen werden. Das Analyseraster enthielt insgesamt mehr als 50 Kriterien, die sich in die sechs Analysekategorien Informationsumfang, Querschnittsdenken, Raumvariabilität, Multitemporalität, Usability sowie Interpretations- und Entscheidungsunterstützung untergliederten. Mittels gewichteter Aggregation oder Summenbildung der Kriterien wurden Indizes für jedes übergeordnete Analysekriterium bestimmt. Ein Beispiel ist die Analysekategorie Raumvariabilität, bei der die Verfügbarkeit unterschiedlicher Raumebenen in insgesamt zehn Unterkriterien von der Gesamtstadt über den Baublock bis hin zur Rasterzelle überprüft wurde. Da kleinräumige Analysen einen erhöhten Mehrwert für strategische Prozesse der kommunalen Raumplanung bieten, wurde das Vorhandensein kleinräumiger Raumebenen stärker gewichtet. Diese sechs Analysekategorien definierten gleichzeitig die Zielrichtung für die konzeptionelle Entwicklung von KomMonitor als kommunales Monitoringsystem. Die Ergebnisse der Best Practice-Analyse sind in der Abbildung oben in Form eines Netzdiagramms (inkl. Minima, Maxima und Mittelwerten) dargestellt. Hierbei deutet der Wert 1 auf ein besonders gutes Ergebnis in der jeweiligen Analysekategorie hin, während 0 ein schlechtes Ergebnis kennzeichnet (ausführlich vgl. [3]).

Besonders schlecht schnitten die untersuchten Portale in folgenden drei Bereichen ab:

Informationsumfang: Einige Portale enthalten ausschließlich grundlegende Geodaten, während andere ein breites Indikatorensystem und folglich ein breites Spektrum an Informationen anbieten. In der Gesamtschau verfügen die untersuchten Portale überwiegend über zu wenige Inhalte, um als geeignete Grundlage integrierter Stadtentwicklungsprozesse zu fungieren.

Raumvariabilität: Diese Analysekategorie wurde mit Abstand am schlechtesten bewertet. Dies begründet sich in der Tatsache, dass Daten nur sehr selten in einem kleinräumigen Maßstab oder gar in einem hochauflösenden Raster eingebunden sind, sodass kleinräumige Besonderheiten oder Entwicklungen zumeist nicht abgebildet werden. Gerade kleinräumige Dynamiken und Disparitäten, beispielsweise innerhalb eines Stadtteils, sind jedoch von Interesse, um Entwicklungstrends frühzeitig zu erkennen und gezielt auf spezifische Bedarfe und Herausforderungen reagieren zu können.

Interpretations- und Entscheidungsunterstützung: In vielen der untersuchten Portale werden kartografische Darstellungen mit Diagrammen und Tabellen kombiniert. Nur wenige Portale verfügen allerdings über komplexere Analysefunktionalitäten, wie beispielsweise Regressions- oder Faktorenanalysen. Ebenfalls selten und zumeist nur für einzelne Zeitpunkte verfügbar sind zusammengesetzte Indikatoren, welche in Hinblick auf eine zielgerichtete Beantwortung kommunaler Fragestellungen entwickelt wurden. Beispielsweise erhöht die kombinierte lagebezogene Betrachtung von Grünflächen und bewohntem Gebiet in Form eines aggregierten Indikators „Erreichbarkeit städtischer Grünflächen“ gegenüber der einfachen Betrachtung eines Indikators zum Anteil städtischer Grünflächen die Aussagekraft erheblich.

Die im Projekte beteiligten Kommunen nutzen derzeit zwei in Deutschland weit verbreitete Portallösungen. Die Kommunalstatistik der Stadt Essen arbeitet mit dem Produkt InstantAtlas, Mülheim an der Ruhr nutzt den Keck-Atlas. Die Mehrheit der in der Best Practice-Analyse untersuchten Portale weist einen ähnlichen Funktionsumfang und eine vergleichbare Art der Präsentation auf. Diese Portale basieren im Wesentlichen auf InstantAtlas und sind vergleichsweise übersichtlich gestaltet sowie nutzerfreundlich und intuitiv bedienbar. Die Beschränkungen dieser Lösung spiegeln sich aber eben auch in genau den o. g. Bereichen wider, die als relativ schlecht bewertet wurden.

Ergebnisse der Best Practice-Analyse existierender öffentlicher Monitoringsysteme und Geoportale
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Fokus Quartiersebene

Eine zentrale Anforderung der kommunalen Partner an das Monitoringsystem war es, die Daten möglichst kleinräumig vorzuhalten und somit Entwicklungen auch auf Ebenen von Stadtquartieren identifizieren und abbilden zu können. Diese Raumvariabilität hatte sich in der Best Practice-Analyse als einer der Schwachpunkte existierender Portale herausgestellt. Wenn bei den Anwenderkommunen bereits etablierte Quartierabgrenzungen bestehen, die idealerweise mit den sonstigen administrativen Grenzen kohärent sind, kann KomMonitor auf dieser Grundlage Indikatoren für alle anderen Raumebenen automatisch berechnen. Die Betrachtung der Quartiersebene besitzt zudem den Vorteil, dass viele datenschutzrechtliche Anforderungen in der Regel von vornherein gewahrt bleiben. Wichtig ist, dass das Quartier als neue Raumeinheit regelmäßig in der laufenden statistischen Erhebung berücksichtigt wird und die Daten auf dieser Ebene in das System eingepflegt werden.

Visualisierung und Berichtswesen

Wesentliche Voraussetzung für ein effizientes digitales Monitoring und einen entsprechenden Mehrwert für den Einsatz im kommunalen Arbeitsalltag ist ein flexibles und leistungsfähiges Berichtswesen. Um Entscheidern einen niederschwelligen Zugang zur Nutzung des Systems bzw. der darin enthaltenen Informationen an die Hand zu geben, ist es notwendig, standardisierte Ausgaben möglichst medienbruchfrei in gewohnten Applikationen zu ermöglichen. Konkret bedeutet dies für KomMonitor, dass Berichte (sog. Reports) über die Benutzeroberfläche in vielerlei Hinsicht frei konfiguriert werden können und anschließend in wählbarer Periodizität an definierten Orten durch das System bereitgestellt werden. So ist es möglich, für ein definiertes Quartier eine bestimmte Auswahl an Indikatoren in Form von Karten, Diagrammen und Tabellen als PDF quartalsweise zu beziehen. Dies versorgt die entsprechenden Entscheidungsträger einerseits regelmäßig mit aktuellen Informationen, erspart anderseits jedoch den stetigen Umgang mit dem Gesamtsystem, sodass hier zunächst keine weitere Einarbeitung der zuständigen Akteure erforderlich wird. Die Ergebnisse können zudem im Kreise der Beteiligten digital zirkuliert werden.

Screenshot des aktuellen Prototyps KomMonitor, Indikatorenauswahl
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Screenshot des aktuellen Prototyps KomMonitor, Diagrammdarstellungen
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Screenshot des aktuellen Prototyps KomMonitor, Dynamische Schwellenwertklassifizierung
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Screenshot des aktuellen Prototyps KomMonitor, Erreichbarkeitsanalyse
ABBILDUNG: ALEXANDRA LINDNER

Fazit und Ausblick

Das KomMonitor-System befindet sich derzeit im Status eines Prototypen. Die technische Implementierung bei der Stadt Essen als Referenzkommune ist bereits erfolgt, und auch in Mülheim an der Ruhr ist die Pilotanwendung aufgesetzt. Aufgrund des großen Interesses einzelner Fachämter der Stadt Essen geht der integrierte Themenumfang in einigen Bereichen bereits über die ursprüngliche Planung hinaus. Die Abbildungen links zeigen aktuelle Screenshots aus dem Prototypen.

KomMonitor ist ein leistungsfähiges Open Source-Softwarepaket, das im Laufe des Jahres 2020 interessierten Kommunen und anderen zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt werden wird. Zum Zwecke eines indikatorengestützten Monitorings auf Quartiersebene ist es bestens geeignet und bietet vielfältige Darstellungs‑, Analyse- und Reportingfunktionalitäten. Die entwickelten Funktionalitäten sind innovativ und überwinden die bislang bestehenden Schwachstellen vieler kommunaler Monitoringlösungen. Kommunen werden in ihrem alltäglichen Verwaltungshandeln und der politischen Entscheidungsfindung unterstützt.

Ein solches indikatorengestütztes Monitoringsystem, welches anwendungsbezogene Indikatoren mit erweiterten Darstellungs- und Auswertemöglichkeiten verknüpft, kann einen wesentlichen Beitrag zur Raumbeobachtung und nachhaltigen Stadtentwicklung leisten. Gleichzeitig kann KomMonitor durch eine zentrale Datenhaltung und -bereitstellung die Vernetzung der verschiedenen Fachämter fördern und so effizienteres Verwaltungshandeln unterstützen.

Neben den beteiligten kommunalen Verbundpartnern haben inzwischen weitere Kommunen und regionale Akteure ihr Interesse an der Nutzung von KomMonitor signalisiert. Eine zentrale Aufgabe in der verbleibenden Projektlaufzeit und darüber hinaus wird es folglich sein, den Transfer der Projektergebnisse zu bewerkstelligen und eine nachhaltige Verstetigung sicherzustellen. Zum Abschluss des Projekts ist geplant, KomMonitor als Open Source-Anwendung verfügbar zu machen.

Literatur


[1] Svenja Grzesiok, Alexandra Hill (2014): Handlungsraum Quartier. In: RaumPlanung, Fachzeitschrift für räumliche Planung und Forschung, Heft 174; 3/4-2014. Informationskreis für Raumplanung (IfR). S. 6 – 7

[2] Daniel Dangel, Alexandra Lindner, Sigrid Schaefer, Heike Schröder (2018): Quartiersentwicklung im Kontext der großen gesellschaftlichen Herausforderungen – Analyse aktueller Forschungsfragen aus der Perspektive der Wohnungswirtschaft. In: Sigrid Schaefer, Alexandra Lindner, Heike Schröder, Daniel Dangel: Quartiersforschung im Fokus der Wohnungswirtschaft: Trends und Entwicklungsperspektiven, S. 13 – 27, Verlag Dorothea Rohn, Lemgo

[3] Marcel Schonlau, Christian Danowski-Buhren, Marvin Guth, Ulrike Klein, Alexandra Lindner (2019): Integriertes Monitoring als Werkzeug einer nachhaltigen Stadtentwicklung. In: Manfred Schrenk, Vasily V. Popovich, Peter Zeile, Pietro Elisei, Clemens Beyer (Hrsg.): Proceedings 24th International Conference on Urban Planning and Regional Development and Information Society: Is this the real World? S. 453 – 462

Der Autor


Dr.-Ing. Alexandra Lindner
Dezernentin für Forschungsförderung an der Hochschule Bochum

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