Soziale Wohnungs- und Schulbauten: Chancen und Herausforderungen von Holz

Soziale Wohnungs- und Schulbauten: Chancen und Herausforderungen von Holz

Titelthema

Soziale Wohnungs- und Schulbauten: Chancen und Herausforderungen von Holz

Text: Christian Hunziker | Foto (Header): © S&P Sahlmann Planungsgesellschaft

Dass Gebäude eine entscheidende Rolle im Klimawandel spielen, ist auch in politischen Kreisen längst erkannt worden. Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit im Wohnungsbau durch den verstärkten Einsatz von Holz als Baustoff liegt da nahe. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE setzt bei Neubauprojekten und Dachaufstockungen bereits heute immer öfter Holz ein. Dabei zeigt sich: Der Baustoff Holz kann zwar einen wichtigen Beitrag zu ökologischer Nachhaltigkeit im sozialen Wohnungsbau leisten, birgt aber auch erhebliche Herausforderungen.

Auszug aus:

Für die Berliner Politik steht fest: Holz ist ein Baustoff mit Zukunft. „Holz soll bei Neubau und Erweiterung von Gebäuden des Landes Berlin und seiner nachgeordneten Einrichtungen und Beteiligungsunternehmen in verstärktem Maße eingesetzt werden“, heißt es in einem Antrag, den das Abgeordnetenhaus 2019 angenommen hat. Auf dem Areal des vor Kurzem stillgelegten Flughafens Tegel will die Tegel Projekt GmbH, eine Gesellschaft des Landes Berlin, das 5.000 Wohnungen umfassende Schumacher-Quartier komplett in Holzbauweise realisieren. Doch nicht nur im Wohnungsbau spielt Holz eine zunehmende Rolle. Auch die in Berlin dringend benötigte soziale Infrastruktur, wie beispielsweise Schulen, soll vermehrt in Holzbauweise errichtet werden. Nicht nur aufgrund der geringeren Planungs- und Bauzeit, sondern auch aus ökologischer Sicht. „Wenn wir bis 2050 Klimaneutralität im Bestand vorweisen wollen, müssen wir Alternativen zum konventionellen Bauen finden und umsetzen. Dazu gehört neben intelligenter Energietechnik und Mieterstrom aus erneuerbarer Energie auch der Einsatz alternativer und nachhaltiger Baustoffe – wie z. B. Infraleichtbeton oder eben Holz“, sagt HOWOGE-Geschäftsführer Ulrich Schiller. „Nachhaltig bauen heißt aber auch, wirtschaftliche und soziale Aspekte mit den ökologischen Zielen in Einklang zu bringen. Das ist eine Herausforderung – aber nicht unlösbar, wenn man Quartiere ganzheitlich betrachtet.“

Holz-Hybridbau als wirtschaftlicher Kompromiss

Eine besondere Herausforderung liegt dabei darin, dass die HOWOGE als landeseigenes Unternehmen den Auftrag hat, Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Bei Neubauvorhaben werden laut der Kooperationsvereinbarung mit dem Senat 50 % der entstehenden Wohnungen öffentlich gefördert und für eine Miete von 6,50 Euro pro m² auf den Markt gebracht. Die übrigen Wohnungen kosten im Schnitt unter 10 Euro pro m².

Das gilt auch für die Johannisgärten, die im April 2021 fertiggestellt sein werden. In der Straße am Flugplatz, am Rand des Forschungs- und Technologieparks Adlershof, entstehen in 20 Gebäuden 314 Wohnungen, außerdem eine Tagespflege für Kinder und eine Quartiersgarage. 13 Gebäude werden in Massivbauweise errichtet, sechs in Holz-Hybridbauweise und eines in einer Mischform.

„Der Umgebungsbebauung und der Partizipation im Vorfeld geschuldet, handelt es sich bei den Johannisgärten um ein sehr kleinteiliges Quartier mit einer geringen Geschosshöhe“, erklärt Ulrich Schiller. „Ursprünglich war geplant, die Gebäude in Holz‑, Holz-Hybrid- und Massivbauweise zu errichten. Kosteneffizient war diese Kombination aber nicht abbildbar, sodass wir uns für den Kompromiss entscheiden mussten. Zwar verbauen wir damit weniger Holz, haben aber mehr Budget für Energietechnik, Mieterstrom und Mobilitätskonzepte. Komponenten, die wiederum auf die Wirtschaftlichkeit des Quartiers einzahlen können.“

Die Kosten sind jedoch nicht die einzige Herausforderung, die sich beim Bauen mit Holz ergibt. So hat die HOWOGE die Erfahrung gemacht, dass es nicht leicht ist, Baupartner zu finden. „Unsere Neubau-Projekte liegen im Schnitt bei 180 Wohnungen. Produktionsstätten, die diesen Größenordnungen entsprechen, können die Berliner bzw. Brandenburger Bauwirtschaft nicht abdecken. Dementsprechend treiben die hohe Nachfrage und die Transportkosten den Holzpreis derzeit stark in Höhe“, stellt Ulrich Schiller fest. „Darüber hinaus beschränken sich die Kompetenzen und Spezialisierungen der Bauunternehmen vorwiegend auf eine Bauweise, sodass bei gemischten Quartieren Einzelvergaben nötig sind, um wirtschaftliche Angebote zu erhalten.“ Bei den Johannisgärten wurde das Projekt deshalb in drei Lose aufgeteilt, wobei die Holz-Hybridbauten von der Firma Rubner Holzbau, der Massivbau von der B&O Gruppe und die Quartiersgarage von Goldbeck errichtet wurden.

Der Bau der Johannisgärten in Berlin erfolgt in zwei verschiedenen Konstruktionssystemen: Sechs Häuser entstehen in Holz-Hybridbauweise, 13 in Massivbauweise und ein Haus in Kombination aus beiden Bauweisen.
Foto: HOWOGE_Alexander Rentsch

Als KfW-Effizienzhaus 55 errichtet, verfügen die Wohnungen in den Johannisgärten über modernste Energietechnik. Auf insgesamt sechs Gebäuden befindet sich jeweils eine Photovoltaikanlage, die günstigen, CO²-freien Mieterstrom vom eigenen Dach produziert.
Foto: HOWOGE_Schnitger

Großes Potenzial bei Dachaufstockungen

Großes Potenzial hat Holz auch bei der Dachaufstockung. In einem Pilotprojekt untersucht die HOWOGE anhand konkreter Gebäude die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Dachaufstockungen. Die entsprechenden Ergebnisse und Erfahrungen wird sie den anderen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stellen. Wie beim Neubau wird die Hälfte der durch die Aufstockung entstehenden Wohnungen öffentlich gefördert.

Im Blick sind dabei insbesondere Plattenbauten des Typs WBS 70 Berlin. Für die Dachaufstockungen ausgewählt wurden ein Fünfgeschosser in der Franz-Schmidt-Straße 11 – 17 im Stadtteil Buch und ein Sechsgeschosser in der Seefelder Straße 34 – 46 in Lichtenberg. Bei der Auswahl kamen zwei Kriterien zur Anwendung, wie Angelika Niemeck, Bereichsleiterin Technisches Management bei der HOWOGE, sagt: „Zum einen handelt es sich um einzeln stehende Gebäude; zum anderen war bei ihnen in den kommenden Jahren ohnehin die Sanierung von Dach und Fassade geplant.“

Während das Haus in Lichtenberg um zwei Geschosse aufgestockt wird, sind es beim Objekt in Buch sogar drei Etagen. Technisch wären noch mehr Geschosse möglich; allerdings würde damit die „Hochhausgrenze“ überschritten, was zu erheblichen Mehrkosten u. a. wegen der Brandschutzauflagen führen würde, wie Angelika Niemeck erläutert. Geplant war ursprünglich, die Dachaufstockungen komplett in Holz auszuführen. Wegen der damit verbundenen hohen Kosten fiel die Wahl jedoch auf eine Holz-Hybridkonstruktion.

Der entscheidende Vorteil von Holz für die Dachaufstockung ist sein geringes Gewicht. Trotzdem ist eine Verstärkung des Fundaments erforderlich. Wie Angelika Niemeck erklärt, wird eine neue, 20 – 25 cm hohe Bodenplatte im Keller aufgebaut, um die Last besser zu verteilen. Außerdem müssen die Erschließung der Dachgeschosse gesichert und ein Aufzug eingebaut werden. Besonders aufwendig ist dies in der Franz-Schmidt-Straße: Dort ersetzt die HOWOGE eines der bestehenden Treppenhäuser und baut ein neues ein, sodass der neue Aufzug auf der jeweiligen Wohnungsebene hält. Damit dies möglich ist, müssen die Mieter für ca. vier Wochen in einem Ausweichquartier untergebracht werden. Dass sich deren Begeisterung über diese Maßnahme in Grenzen hält, lässt sich leicht vorstellen. Auch sonst bezeichnet Angelika Niemeck die Mieterakzeptanz als eine der großen Herausforderung bei Dachaufstockungen. Um diese Akzeptanz zu schaffen, führte das Unternehmen im Vorfeld Informationsveranstaltungen sowie individuelle Gespräche für die Mieter durch und unterstützt diese aktiv während der Zeit der Bauarbeiten.

Insgesamt hat die HOWOGE in ihrem Bestand ein Potenzial von rund 2.000 Wohneinheiten in Dachaufstockungen ausgemacht. Einfach ist das Heben dieses Potenzials allerdings nicht. Denn zum einen braucht eine Aufstockung auch in Holz-Hybridbauweise Zeit: Mit 13 Monaten rechnet die HOWOGE. Und: „Noch sind wir mit dem wirtschaftlichen Ergebnis nicht zufrieden“, sagt Angelika Niemeck. „Aber wir sind überzeugt, dass sich dieses Ergebnis während der Pilotphase mit zunehmenden Erfahrungen optimieren lässt.“

„Aus aktueller Sicht geht bei der Dachaufstockung kein Weg an der Holz- bzw. Holz-Hybridbauweise vorbei“, sagt auch Ragnar Ruhle, Geschäftsführer der B&O Bau und Gebäudetechnik. Diese gehört zur B&O-Gruppe, einem Komplettanbieter für die Wohnungswirtschaft. Aber auch im Neubau kompletter Häuser setzt B&O auf Holz. „Die Verlagerung der Vorfertigung von der Baustelle in eine handwerklich-industrialisierte Montagehalle ist ein wesentlicher Vorteil der Holz-Hybridbauweise“, so Ragnar Ruhle. „Durch den Einsatz von Holz als Baustoff werden Nassprozesse auf der Baustelle reduziert und damit verbunden die weiteren Ausbauarbeiten optimiert. Als Ergebnis erhalten wir ein gutes Raumklima.“

Zur Beschleunigung des Wohnungsneubaus realisiert die HOWOGE zwei Pilotprojekte zur Dachaufstockung. In der Franz-Schmidt-Straße entstehen auf diesem Weg 22 neue Wohnungen.
Abbildung: S&P Sahlmann Planungsgesellschaft

Das Wohnhaus Seefelder Straße soll um zwei Geschosse mit insgesamt 28 Wohnungen aufgestockt werden.
Abbildung S&P Sahlmann Planungsgesellschaft

Schulbau in Holz

Holz ist nicht nur im Wohnungsbau zum gefragten Baustoff geworden, auch für den Bau sozialer Infrastruktur, wie z. B. Schulen, kommt er immer häufiger zum Einsatz. Im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive übernimmt die HOWOGE als weiterer baudurchführender Akteur, neben den Bezirken und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, 13 große Schulsanierungen, den Neubau von 17 weiterführenden Schulen sowie fünf bis acht Schulen in Holzbauweise. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat in einem Pilotverfahren bereits zwei Grundschulen und eine Integrierte Sekundarschule in Holzmodulbauweise errichtet. „Der entscheidende Faktor beim Bau von Holzmodulbauschulen ist die Zeit“, erklärt Jens Wadle, Bereichsleiter Schulbau und Prokurist der HOWOGE. „Vom Planungsstart bis zur Eröffnung einer Schule setzen wir beim konventionellen Bauen rund sechs Jahre an – bei einer Holzmodulbauschule planen wir mit weniger als der Hälfte. Die reine Aufstellzeit liegt bei nur zehn Monaten.“ Eine Schule mit 1.000 Schulplätzen bindet zudem 750 t CO² über die gesamte Nutzungsdauer. Doch auch im Schulbau unterliegt die HOWOGE festen Budgetgrenzen. „Beim Holzmodulbau ist ein sehr hoher Grad an Standardisierung und Vorfertigung möglich. Zudem können wir ein und denselben Schultyp, angepasst an die jeweiligen Grundstücksverhältnisse, mehrfach errichten. Daraus ergeben sich Skaleneffekte“, sagt Jens Wadle.

Um weitere positive Effekte zu erreichen, ist es wichtig, bereits bei der Vergabe besondere Anforderungen zu beachten. „Wir benötigen Partner, mit denen wir uns im Prozess der Planung, der Kalkulation und der Bauvorbereitung austauschen können“, erläutert Jens Wadle. „Das ist im öffentlichen Vergabeverfahren eine Herausforderung.“ Für die Umsetzung der Holzbauschulen ist die Vergabe über Generalübernehmer geplant. Hier liegen Planung und Ausführung in einer Hand und sind eng miteinander verknüpft. Dass das gelingt, zeigt aktuell das rund 120 Mio. Euro teure Bauprojekt für zwei weiterführende Schulen an der Allee der Kosmonauten in Berlin. Dort arbeitet das Unternehmen bereits in einem partnerschaftlichen Modell, um frühzeitig Planungs- und Ausführungskompetenzen zusammenzubringen. „Insbesondere für den Holzbau ist die Verzahnung von Planung und Bau immanent“, sagt Jens Wadle.

Holz als Baustein für nachhaltigen Neubau

Bauen mit Holz ist ökologisch vorteilhaft. Der nachwachsende Baustoff bindet CO², bietet ein angenehmes Raumklima und ist zudem gut rückbau- und recycelbar. Zudem ist Holz leicht und ermöglicht durch den hohen Vorfertigungsgrad kurze Bauzeiten. Damit könnte der Holz- und Holz-Hybridbau gerade für den sozialen Wohnungsbau sowie im Bereich sozialer Infrastruktur weiter an Attraktivität gewinnen. Eine hohe Nachfrage, steigende Baukosten und die geringe Zahl bauausführender Akteure in diesem Bereich hingegen lassen den Holzpreis derzeit stark in die Höhe schnellen und gefährden insbesondere im sozialen Wohnungsbau die Wirtschaftlichkeit. „Holz als Baustoff ist wichtig und zielführend“, zieht Ulrich Schiller ein Zwischenfazit. „Es ist aber nur ein Baustein von vielen, wenn es um die Entwicklung nachhaltiger Quartiere geht. Von daher gilt es, genauestens abzuwägen, wo sich der Einsatz von Holz lohnt. Denn Aktionismus allein bringt uns nicht ans Ziel.“

Der Autor


Christian Hunziker
Freier Immobilienjournalist

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