Im Gespräch mit Bettina Kunst: Open House

Im Gespräch mit Bettina Kunst: Open House

Im Gespräch mit Bettina Kunst

Im Gespräch mit Bettina Kunst: Open House

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © Oliver Heissner

Foto: Johannes Arlt

Im Rahmen der IBA Hamburg ist im Stadtteil Wilhelmsburg mit Blick auf den idyllischen Ernst-August-Kanal ein gemeinschaftlich geplantes Wohnprojekt entstanden, das eine gute Nachbarschaft fördert. Wir sprechen mit Bettina Kunst, Geschäftsführerin des Architekturbüros Kunst + Herbert, über das Projekt, das auch durch seine energieeffiziente Bauweise punktet.

Auszug aus:

Frau Kunst, Ihr Projekt „Open House“ ist in vielerlei Hinsicht ein spannendes Projekt. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Bauherren und Nutzern, die von Beginn an ein Mitspracherecht bei der Planung hatten?

Die Zusammenarbeit gestaltete sich in diesem Projekt in ganz unterschiedlicher Weise. Hinter dem Gesamtprojekt „Open House“ standen seinerzeit drei verschiedene Bauherren bzw. Nutzergruppen. Dies war zum einen die steg – die Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg, die auf dem Areal ein Stadthauskonzept mit hohem Eigenausbau-Anteil realisierte. Die Wohnungsbaugenossenschaft Schanze eG hatte bei dem Projekt „Open House“ die Bauherrenschaft für gleich zwei Bauvorhaben inne. Eines der Projekte der Schanze eG war der Bau von öffentlich geförderten Mietwohnungen. Darüber hinaus setzte sie in Kooperation mit Stadtbau Hamburg ein Wohnprojekt für eine bereits bestehende Baugruppe um. Die Zusammenarbeit gestaltete sich, je nach Konstellation innerhalb der drei Teilvorhaben, entsprechend mehr oder weniger intensiv und individuell. Mit allen Beteiligten und Delegationen gab es regelmäßige Planungsbesprechungen und Abstimmungen, für die Baugruppe auch individuelle Beratungsgespräche mit einzelnen Nutzern.

Gibt es für Mieter geförderte Wohnungen?

Ja, im Sinne der Förderung lebendiger und gemischter Nachbarschaften, eines der Kernthemen der IBA Hamburg, wurden mit dem Projekt „Open House“ 44 öffentlich geförderte Wohnungen mit ergänzend nutzbaren Gemeinschaftsräumen errichtet.

Städtebaulich, gestalterisch und konzeptuell sollte ein neuer Gemeinschaftsgedanke in das Quartier getragen werden. Wie spiegelt sich die Idee vom nachbarschaftlichen Wohnen im Gebäude und der Umgebung wider?

Ziel des Projekts war es, einen prägenden Mehrwert für das Quartier im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg zu schaffen – mit gemeinschaftlich nutzbaren Flächen und Anlagen, öffentlich zugänglichen Spiel- und Gartenflächen neben Stellplätzen für die Anwohner. Die übergeordnete Idee war es, vor Ort bestehende Höfe und Nachbarschaften neu zu definieren. Die städtebauliche Setzung des Gebäudes sieht über eine fußläufige Verbindung die Anbindung der gesamten Nachbarschaft an die wasserseitig gelegenen Freiflächen vor. In die übrigen Richtungen öffnet sich das Gebäude zur umliegenden Wohnbebauung des Quartiers.

Welche energetischen und ökologischen Zielsetzungen gab es?

Das „Open House“ wurde als zertifiziertes, besonders energieeffizientes „Passivhaus Plus“ errichtet. Klimaschutz, nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz sind sowohl der IBA Hamburg ein grundsätzliches Anliegen, waren aber auch für die Baugruppe von besonderer Wichtigkeit. Die Zertifizierung des Gebäudes wurde auf besonderen Wunsch der Baugruppe durchgeführt, um ein sichtbares Zeichen ihrer Beteiligung zum Klimaschutz zu setzen.

Wie haben Sie die Zielsetzungen im Gebäude umgesetzt?

Für grundsätzlich geringere Energieverluste sorgt die Passivhaus-Fassade. Die Klimatisierung des Gebäudes wird über eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung unterstützt und optimiert. Es war geplant, den Strom für das Wohnquartier durch ein Pellets-Blockheizkraftwerk mit zwei Sterling Motoren zu produzieren. Dabei heizt die Abwärme das Gebäude und erzeugt Warmwasser. Spitzenlasten können durch das Zuschalten eines Pellet-Kessels zur Wärmegewinnung abgedeckt werden. Leider konnte dieses Konzept damals aufgrund der Insolvenz des Herstellers und Vertreibers nicht umgesetzt werden. Aus diesem Grund wurden zwei konventionell betriebene Gaskessel, die teilweise mit Biogas befeuert werden, umgesetzt. Eine Besonderheit bei dem Projekt ist die Nutzungskonstellation der Dachfläche für eine Photovoltaikanlage, die Solarstrom erzeugt. Ein lokaler Bürgerverein hat die Flächen gemietet und betreibt die Solaranlage im Rahmen eines genossenschaftlichen Konzepts.

Der Bau ist ja nun schon seit sieben Jahren realisiert. Ist Ihr Konzept der gelebten Nachbarschaft aufgegangen?

Der Gedanke der sozialen, nachbarschaftlichen Verknüpfung mit dem Stadtteil und der gemeinschaftlichen Identifikation mit diesem ist inzwischen Realität geworden. Wo anfänglich noch Zäune standen, verschmelzen die Außenräume heute zu großzügigen, von allen Anwohnern genutzten und lebendigen Freiflächen, die den gesamten Stadtteil positiv prägen.

Open House | Projekt der IBA Hamburg 2013
Standort: Dorothea-Gartmann-Straße, Hamburg-Wilhelmsburg
Umfang: LPH 1–9 nach Wettbewerbserfolg | 1. Preis
Architekt: Kunst + Herbert in Kooperation mit ONIX

Das Gespräch führte Christina Blümel.

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